Halbleiterproduktion
30.12.2021, 13:42 Uhr
Bessere Qualität durch künstliche Intelligenz
ETH-Forschende nutzen künstliche Intelligenz, um das Qualitätsmanagement bei digitalisierten Produktionsprozessen zu verbessern. In einem Experiment beim Halbleiterproduzenten Hitachi Energy konnte der Anteil fehlerhafter Produkte halbiert werden.
Mit einem von ETH-Forschern entwickelten Algorithmus konnte Hitachi Energy die Produktion von Halbleitern verbessern
(Quelle: Hitachi Energy Lenzburg)
Ob bei komplexen Maschinen, Pharmaprodukten oder Mikrochips: Je teurer ein Produkt, desto entscheidender seine Qualität, um am Markt bestehen zu können. Dies gilt besonders für die industrielle Produktion in Hochlohnländern wie der Schweiz. Umso überraschender ist es, dass mangelnde Qualität im Durchschnitt weiterhin 15 Prozent der Betriebskosten in der industriellen Fertigung ausmacht. Der Grund dafür: ein oft veraltetes Qualitätsmanagement.
Die beiden ETH-Forscher Julian Senoner und Torbjørn Netland sowie Stefan Feuerriegel, der seit kurzem an der LMU München tätig ist, zeigen in einer neuen Studie auf, wie das Qualitätsmanagement bei komplexen, digitalisierten Produktionsverfahren durch künstliche Intelligenz (KI) verbessert werden kann. Erfolgreich getestet wurde ihr Algorithmus bereits in einer Hableiterfabrik von Hitachi Energy, vormals Hitachi ABB Power Grids, in Lenzburg: Die Anzahl fehlerhafter Produkte konnte in einem Experiment um über 50 Prozent gesenkt werden, was die Produktion nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger macht.
Veraltetes Qualitätsmanagement
Die Herstellung komplexer, industrieller Produkte erfordert eine Vielzahl miteinander verbundener Arbeitsschritte. Um zum Beispiel Halbleiter zu produzieren, die in Computern, Zügen, oder Windkraftanlagen verwendet werden, sind zwischen 200 und 400 Produktionsschritte notwendig. Bei jedem dieser Schritte können verschiedene Dinge schiefgehen. Ist zum Beispiel die Temperatur in einer Maschine etwas zu hoch, oder der Druck in einer anderen etwas zu nieder, können Fehler einen grossen Teil der Produkte beeinträchtigen. «In der Halbleiterproduktion ist es nicht unüblich, dass die Fehlerquote zwischen 5 und 70 Prozent schwankt, da der Fertigungsprozess sehr kompliziert ist. Da steht sehr viel Geld auf dem Spiel», erklärt ETH-Professor Torbjørn Netland vom Lehrstuhl für Produktionsmanagement.
Bis anhin war es bei komplexeren Produktionsverfahren dieser Art sehr schwierig, Fehlerquellen genau zu identifizieren. Traditionelle Methoden, die in zahlreichen Fabriken weltweit zur Qualitätssicherung zum Einsatz kommen, erlaubten es Ingenieurinnen und Ingenieuren immer nur, einige wenige Parameter gleichzeitig zu untersuchen. In komplexen Produktionsabläufen werden aber mittlerweile tausende von zusammenhängenden Parametern gemessen. Wie diese interagieren und sich auf die gesamte Produktion auswirken, konnte mit traditionellen Methoden allerdings nicht analysiert werden. ETH-Professor Netland und seine Ko-Autoren haben vor dies zu ändern: «Wir wollen das Qualitätsmanagement ins digitale Zeitalter bringen. Denn die Methoden, die viele Produzenten weiterhin verwenden, sind oft bis zu 100 Jahre alt», sagt Netland.
Algorithmus identifiziert Fehlerquellen
Die ETH-Forschenden entwickelten zunächst einen Algorithmus, der die einzelnen Schritte bei der Produktion von Halbleitern imitiert. Anschliessend fütterten sie den Algorithmus mit möglichst vielen historischen Produktionsdaten, wie zum Beispiel der Temperatur oder dem Druck, die in Maschinen gemessen werden. «Auf Basis dieser Daten lernt der Algorithmus, unter welchen Bedingungen die Qualität der Halbleiter gut ist und wann es zu hohen Fehlerquoten kommt», sagt Julian Senoner, der Erstautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur von Netland.
Der Vorteil der auf KI basierenden Methode ist, dass man beliebig viele Faktoren und Beziehungen des Produktionsprozesses analysieren und komplexere Zusammenhänge zwischen Parametern aufdecken kann. Dadurch können Fehlerquellen systematischer und über den gesamten Produktionsprozess hinweg identifiziert werden. Gut ausgebildete Ingenieurinnen und Ingenieure in den Fabriken werden damit aber keineswegs überflüssig. Im Gegenteil: «Unser Algorithmus zeigt vor allem bislang unentdeckte Fehlerquellen auf. Wie diese aber genau behoben werden, erfordert weiterhin sehr viel technisches Fachwissen und menschliche Kreativität», erklärt Netland.
Autor(in)
Christoph
Elhardt, ETH-News