Online-Möbelhändler 08.07.2015, 11:03 Uhr

Woonio: "Anlaufstelle für Ästheten"

Von Mass Customization zum Content Commerce: Online-Möbelhändler Woonio strukturiert seit Jahresbeginn seine Geschäfte um und entwickelt sich vom Händler zum Vermittler.
(Quelle: www.woonio.de)
Auszeichnungen zu erhalten muss nicht heissen rentabel zu sein: Der Allgäuer E-Commerce-Möbelhändler Woonio heimste mehrfach Preise ein - für Benutzerfreundlichkeit, für den Konfigurator, mit dem Kunden Möbel nach ihren Wünschen umgestalten können, für das Konzept. Den Shop-Award von INTERNET WORLD gab’s gleich zwei Mal. Trotzdem fehlte eine Wachstumspers­pektive und die Aussicht auf anhaltende Gewinne. Seit Anfang dieses Jahres krempelt Gründer Roland Waedt deshalb den Shop um: Aus dem Fachhandel für Möbel nach Mass wird eine Content-Commerce-Plattform, die anderen Händlern gegen Provision Interessenten vermittelt.
Das könnte eine Nische sein in einem Markt, der stark zersplittert und hart umkämpft ist: Neben den Platzhirschen Ikea (2013: knapp vier Milliarden Euro Umsatz), Höffner/Kraft (2013: zwei Milliarden Euro) und XXL-Lutz (2013: 1,6 Milliarden Euro), die auch online verkaufen, konnten sich in Deutschland diverse Online-Shops etablieren.
Von zurzeit rund 31 Milliarden Euro, die mit dem Verkauf von Einrichtung pro Jahr ­erwirtschaftet werden, entfallen aber nur knapp zwei Prozent auf den Online-Kanal. Es ist also noch Platz für neue Konzepte: ein Gespräch mit dem Chef von Woonio, Roland Waedt. 
Woonio hat in den letzten Monaten sein ­Geschäftsmodell komplett verändert - lohnt sich Mass Customization nicht?
Roland Waedt:
Mass Customization bietet keine Grundlage für schnell wachsende Geschäfte. Wir sind im Möbelbereich nicht die einzigen, die zuletzt gescheitert sind. Auch Fab - mit Millionen von Dollars finanziert - und jetzt Nachfolger Hem haben Schwierigkeiten, das Geschäftsmodell durchzusetzen und vor allem zu internationalisieren. Mymuesli mag eine Ausnahme für diese Behauptung sein, aber im Vergleich zu Kellogg’s bedient das Unternehmen eine sehr spitze Klientel und agiert bisher ausserdem nur regional oder national im deutschsprachigen Raum.
Auch Chocri bietet nicht mehr nur den Schokoladenkonfigurator, sondern verkauft daneben die Produkte anderer Hersteller und baut neue Geschäfte auf. Mass Customization ist und wird kein Massengeschäft. Die Strategie bietet viele Vorteile - individuelle Angebote, keine Retouren, höhere Margen -, wird aber als eigenständiges Geschäftsmodell kaum rentabel. Die Frage bleibt: Will der Kunde Individualisiertes? Oder: Wo braucht er das?
Mass Customization scheitert also an der Skalierbarkeit?
Waedt:
Ja. Aber Skalierbarkeit ist die Grundlage profitabler Geschäftsmodelle im Internet. Wahrscheinlich eignet sich Mass Customization als eine Strategie ­unter mehreren für die Produktion und den Verkauf wie etwa bei Nike ID und ­anderen Marken.
Wie geht es nun weiter mit Woonio?
Waedt:
Wir bauen seit Anfang des Jahres das Geschäft komplett um, haben die Plattform zuerst für Content Commerce aufgebaut und werden sie demnächst nochmals erneuern und inhaltlich erweitern. Unsere Stärken waren und sind Online-Technik und Designauswahl. Woonio soll zur Plattform rund ums Wohnen und Einrichten werden, auf der Verbraucher Inspiration, Beratung und eine breite Auswahl finden. Wir treten nicht mehr als Verkäufer auf, sondern aggregieren gegen Provision die Waren von anderen Online-Händlern und differenzieren uns im Wettbewerb durch mehr Ideen, Kreativität und Curated Shopping.
Ist ein weiteres Möbel-Angebot überhaupt sinnvoll? Sie konkurrieren mit Filialisten wie Ikea, Lutz, Höffner, aber auch mit Online-Konkurrenten wie Home24 oder Möbel.de?
Waedt:
Das macht Sinn, das haben die ersten fünf Monate dieses Jahres bereits ­gezeigt. Wir haben nicht den Anspruch, der Schnellste oder Billigste im Internet zu werden, sondern wir wollen ähnlich wie Printmagazine den Leuten Inspiration und Produkte bieten. Dazu stellen wir ­jede Woche neue Wohnwelten vor, präsentieren täglich Wohntipps, geben Einblicke in Wohnungen und werden dazu neben ­Fotos bald auch Video-Shows einsetzen. Und dieses Modell funktioniert.
Schätzen Verbraucher das überhaupt?
Waedt:
Aber ja. Anfang des Jahres haben wir testweise eine Plattform aufgebaut, auf der wir vor allem Angebote von Amazon und dessen Händlern aufgenommen und mit eigenen Inhalten angereichert haben. Kunden schätzen diese kuratierte Auswahl sehr. Keiner hat doch mehr Lust, auf der Suche nach einem Sessel oder Deko­rationsartikel durch verschiedene Angebote und Shops zu surfen.
Auch die Bindung und Loyalität zu einer Möbelmarke oder zu einem Einrichtungshaus ist eher niedrig. In die meisten Online-Shops kommen die Kunden durch eine Google-Suche, sie schauen sich das jeweilige Produkt an und sind bei Nichtgefallen schnell wieder weg. Wir bieten ­indes einen Überblick und Anregungen. Wir beschreiben Ideen, bei denen das Produkt praktisch empfohlen wird.
Wer bei Woonio bestellt, hat es aber mit ­unterschiedlichsten Händlern und Ansprechpartnern zu tun, oder?
Waedt:
Das ist so, aber daran werden wir arbeiten. Das soll möglichst komfortabel funktionieren. Ziel ist, dass man an einer Stelle bestellt und kauft. Damit sind wir schon weiter als andere: Wer sich etwa bei Möbel.de für ausgesuchte Produkte inte­ressiert, wird ständig in andere Online-Shops geführt. Bei uns kann jeder einheitlich bestellen und einen Warenkorb füllen. Wir definieren uns nicht als Produktsuchmaschine, sondern haben gezielt 8.000 bis 10.000 Produkte von verschiedenen Online-Händlern gelistet. Qualität statt Quantität ist unser Motto.



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