Online-Shops
05.10.2015, 11:25 Uhr
Retoure - und was jetzt?
Online-Händler versuchen, die Zahl der Retouren zu verringern, verhindern können sie sie nicht. Eine durchdachte Strategie zum Umgang mit Rücksendungen ist daher Pflicht.
Eine Kisura-Kundin nimmt die in Seidenpapier eingewickelten Kleidungsstücke aus der für sie persönlich zusammengestellten Box. Dieser Moment ist das Ergebnis eines ausgeklügelten Prozesses: Im Vorfeld füllte die Kundin einen Fragebogen zu Vorlieben, Kleidergrösse und Farbpräferenzen aus. Darauf folgte ein persönliches Gespräch mit einem Stylisten. Die Artikel, die sie aus der Box nicht kaufen möchte, schickt sie an das Start-up zurück. Die Retoure der einzelnen Produkte bildet dann den Abschluss des Kennenlernprozesses. Denn anhand der Kaufentscheidung der Kundin erkennt der Stylist, was der Kundin gefällt und welche Grösse ihr wirklich passt. Retouren als Chance, den Kunden besser kennenzulernen und das eigene Sortiment aus der Aussenansicht unter die Lupe zu nehmen? Viele Online-Händler üben sich in der schwierigen Disziplin, die teuren Rücksendungen so zu begreifen.
Status quo beim Retourenmanagement
Dieses Umdenken wird zunehmend wirtschaftlich zur Notwendigkeit: Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 von Ibi Research an der Universität Regensburg hat die Retourenquote bei mehr als 50 Prozent der Händler zugenommen. Dennoch macht heute so gut wie kein Händler von der sich nun jährenden EU-Richtlinie zu den Verbraucherrechten im Bereich Retouren Gebrauch. Die meisten gehen zu Recht davon aus, dass Kunden kostenlose Retouren erwarten - und verbuchen deshalb ihr gutes Retourenmanagement als Kundenbindungsmassnahme. "Wir sind der Meinung, dass der kostenlose Rücktransport der Artikel und unsere höhere Kulanz den Kunden langfristig an uns bindet", sagt beispielsweise Jochen Dümmel, Leiter Service-Center Musikhaus Thomann. Das Musikhaus ist täglich mit der Bearbeitung von rund 1.400 zurückgeschickten Artikeln konfrontiert. Im Schnitt sind von den retournierten Artikeln 65 Prozent "Geld-zurück-Retouren".
Die Retourenbearbeitung - inhouse oder extern
Das Musikhaus wickelt - genauso wie über 85 Prozent der in der Ibi-Studie befragten Online-Händler - alle aufkommenden Retouren selbst ab. "Zunächst kommen alle Retouren zu uns ins Haus. Beim Eingang wird dann entschieden, ob ein Instrument wieder zum Hersteller geschickt wird. Ein Drittel aller Reparaturen wird allerdings auch bei uns im Haus erledigt. Die Money-back-Retouren bearbeiten wir zu 100 Prozent intern", sagt Dümmel.
Für den Leiter des Service-Centers ist vor allem auch die Zeitersparnis, dadurch dass das Retourenmanagement nicht ausgelagert wurde, ein grosser Vorteil. "Wir können durch die interne Retourenabwicklung unseren Kunden, wenn zum Beispiel ein Instrument repariert werden soll, das Instrument wesentlich schneller wieder zusenden", erklärt Dümmel. Neben der Schnelligkeit schätzen Online-Händler an der internen Retourenabwicklung auch die Nähe zum Kunden sowie die Transparenz und Kontrolle über die einzelnen Retourenschritte und Strukturen, so eine Handelsstudie des EHI von 2014.
Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bearbeiten alle Retourenprozesse im Unternehmen. Grosse Unternehmen wie Brands4Friends lassen hingegen sämtliche Prozesse von ihrem angebundenen Fulfillment-Partner ausführen. Dazwischen gibt es unterschiedlichste Mischformen: Bei dem Curated-Shopping-Anbieter Kisura werden die retournierten Artikel beispielsweise inhouse aufbereitet und entweder wieder an einen der Partner zurückgesendet oder über alternative Vertriebskanäle abgesetzt.
Die Kosten für eine einzelne Retoure belaufen sich in der Modebranche auf maximal 15 Euro, so die Ibi-Research-Studie. In diesen Kosten sind unter anderem Portokosten für die Rücksendung, Material- und Personalkosten für die Wiederaufbereitung, Kosten/Verluste durch Wertminderung der Ware und Personalkosten für die Wiedereinlagerung enthalten. Kosten, auf denen die meisten Online-Händler sitzen bleiben - und deren Entstehung sie auf den Grund gehen wollen.