Kommt das Affiliate Marketing 2.0?

Werbepartnerschaften bleiben relevant

Den Grundgedanken, der hinter dem ­Affiliate Marketing steht, will der Agentur-Chef deshalb aber nicht abschreiben. Im Gegenteil: Besinne man sich auf die Wurzeln der Branche, seien auch künftige Modelle gut vorstellbar. "Es besteht ja weiterhin die Möglichkeit, direkte Affiliate-Links zu setzen. Da ist die gleiche Logik, wie wenn sich Händler gegenseitig Gutscheine in ihre Lieferungen beilegen. Die Zukunft besteht aus meiner Sicht darin, echte Partner zu suchen, die sich ergänzen und die überlegen, wo man füreinander Werbung macht." So könnten Shops ein eigenes, transparentes Netzwerk aufbauen. "Aber klar ist auch, dass das ein ­wesentlich kleinerer Markt werden wird, als der für klassisches Affiliate Marketing es einmal war", so Kaiser.
"Das klassische Affiliate Marketing ist kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell": Thomas Kaiser, Geschäftsführer Cyberpromote
Quelle: Cyberpromote
Auch Markus Schindler von Hurra.com sieht gute Möglichkeiten für direkte Affiliate-Partnerschaften: "Es sind ja nicht ­alle Cookies tot. Third-Party-Cookies sind ganz klar keine Zukunftslösung mehr. Es gibt aber nach wie vor First-Party-Cookies, auf denen zum Beispiel alle modernen Shop-Systeme basieren. Auf First-Party-Cookies umzusteigen, ist also durchaus eine Möglichkeit, die es jetzt gibt, insbesondere auf dem Tracking-Markt." Schliesslich sei Affiliate Marketing im Kern nichts anderes als eine Handelspartnerschaft mit zahlreichen Parteien. "Und diese wird es weiterhin geben - Cookie hin oder Cookie her. Es wird sich aber auf jeden Fall verändern müssen", erklärt Schindler. Denke man den Gedanken der First-Party-Cookies weiter, wäre das im Affiliate-Kontext eine Art Private-Label-Affiliate-Programm. "Das hat es früher auch schon gegeben, dass einzelne Shops ihr Affiliate-Netzwerk selbst betrieben ­haben, ein Vorreiter dabei war Amazon", so der Vertriebschef von Hurra.com.

Auf der Suche nach neuen Werbe-Identitäten

"Es ist nötig, eine Alternative zu Cookies zu suchen": Jan Oetjen, Geschäftsführer United Internet Media und Chairman NetID
Quelle: United Interne
Jenseits des Paradigmenwechsels zu direkten Vertriebspartnerschaften und First-Party-Cookies sehen Marketing-Experten eine weitere Zukunftsperspektive für das Affiliate-Modell in Form von Log-in-Kennungen und gemeinsam genutzten Iden­tifiern. "Da es für das Affiliate Marketing weiterhin eine Möglichkeit braucht, um die Einwilligung der Nutzer zu speichern, ist es nötig, eine Alternative zu Cookies zu suchen, beispielsweise in Form von Server-IDs und passenden Opt-ins", erklärt dazu Jan Oetjen, Geschäftsführer beim Provider und Media-Vermarkter United Internet Media. Affiliates sollten sich deshalb frühzeitig nach alternativen Lösungen zum Cookie-Tracking umschauen. "Je eher man anfängt, hier einen zweiten Boden einzuziehen, umso besser", so Oetjen.
Der Manager fungiert auch als Chairman der European NetID Foundation, die mit einer Log-in-Allianz eine Alternative zu den Social-Log-ins von US-Grössen wie ­Facebook und Google aufbaut. NetID betrachtet Oetjen als eine breit einsetzbare Lösung, die dazu beitragen kann, dass Formate wie das Affiliate Marketing auch in Zukunft weiterexistieren. "Bei NetID ist inzwischen das gesamte Who’s who des ­E-Commerce- und Publisher-Markts an Bord. Auch dass sich Web.de und GMX mit über 30 Millionen Nutzern für den Standard engagieren, ist ein wichtiges Zeichen." Bald werde es bei NetID auch ein Soft-Log-in geben, das die ­Hemmschwelle für die Nutzer weiter senken werde.
Ungeachtet der positiven rechtlichen Einschätzung, die der BVDW in Sachen Affiliate Marketing und Third-Party-Cookies vertritt, denkt auch der Verband über künftige Alterna­tiven nach. "Tatsächlich ist zu ­erwarten, dass das Cookie von ­anderen technischen Verfahren abgelöst wird", erklärt dazu BVDW-Experte André Koegler.
Aus der Sicht seines Verbandes könnten dabei eine wesentlich grössere Rolle als Log-in-Allianzen sogenannte Advertising Identities spielen. Dabei handelt es sich um pseudonymisierte Profile, welche die in den unterschiedlichen Devices verwendeten ID-Formen zusammenführen und es ermöglichen sollen, Nutzer zum Zweck der effizienten Werbeaussteuerung in Form von Personalisierung, Verifizierung, Erfolgsmessung und kontakt- und reichweitenoptimierter Budgetallokation von Werbemitteln wiederzuerkennen.
Auch wenn sich der BVDW sichtlich bemüht, den harten Bruch zu vermeiden: Der Schritt in das Post-Cookie-Zeitalter hat auch hier bereits begonnen. Für das Affiliate Marketing bedeutet das um­fassende Veränderungen. Nimmt die Branche diese an, dürfte sie jedoch gute Überlebenschancen haben.



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