Cookies und die Online-Werbung
13.03.2020, 07:31 Uhr
Kommt das Affiliate Marketing 2.0?
Die Regulierung von Third-Party-Cookies setzt das Affiliate Marketing unter Druck. Soll das Geschäftsmodell überleben, müssen die Anbieter neue Wege gehen.
Das Tracking mittels Third-Party-Cookies steht massiv unter Druck. Dies zeichnete sich bereits im vergangenen Jahr ab: Auf der technischen Seite schränkten Webbrowser wie Firefox und Safari mit "Tracking Prevention"-Programmen das Setzen von Third-Party-Cookies massiv ein, zudem hat sich mit mobilen Geräten und nativen Apps längst eine Welt jenseits des gängigen Cookie-Modells etabliert.
Gleichzeitig hat sich der rechtliche Rahmen für das Tracking auf Webseiten mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und der angekündigten E-Privacy-Verordnung der Europäischen Union deutlich verschärft. Anfang 2020 folgte nun der nächste Schlag für alle Cookie-basierten Geschäftsmodelle: Google verordnete seinem Browser Chrome - dem mit rund 69 Prozent Marktanteil wichtigsten Webbrowser - ein Update der Default Settings. Das Setzen von Third-Party-Cookies ist seitdem nur noch möglich, wenn Seitenbetreiber das explizit zulassen.
Mit am schwersten betroffen von diesen Veränderungen ist die Affiliate-Marketing-Branche, deren Geschäftsmodell bis dato grundlegend auf Third-Party-Cookies aufbaute. Nur auf diese Weise konnten Merchants bisher messen, welche Umsätze durch Affiliates initiiert wurden und entsprechend provisioniert werden sollten. Angesichts der technischen und rechtlichen Veränderungen stellt sich die Frage, wie es mit dem Affiliate Marketing weitergehen soll: Reichen einige Anpassungen, um das Geschäftsmodell auch künftig betreiben zu können? Oder steht gar die ganze Branche vor dem Aus?
Experten vertreten recht unterschiedliche Meinungen
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) sieht die Zukunft des Affiliate Marketing jedenfalls recht gelassen. Frei nach Mark Twain könnte man die Position des Verbands etwa folgendermassen zusammenfassen: Nachrichten über den Tod des Affiliate Marketing sind stark übertrieben.
In einem aktuellen Leitfaden erklärt der BVDW, dass die Werbeform auch nach Einführung der DSGVO rechtlich ohne grössere Abstriche erlaubt sei. Schliesslich bestehe ein "berechtigtes Interesse" der Advertiser am Setzen der Cookies, es sei deshalb gemäss DSGVO im Regelfall keine explizite Einwilligung der Nutzer erforderlich. "Wir haben uns das Verfahren der Attribution im Affiliate Marketing, also der Zuordnung von Transaktionen auf Affiliate-Publisher unter technischen und datenschutzrechtlichen Aspekten angesehen und kommen zu dem Schluss, dass für das Setzen des notwendigen Cookies im Sinne des Leitfadens bei sachgerechter Implementierung aktuell kein Einverständnis eingeholt werden muss", erklärt dazu André Koegler, Lab-Leiter Datenschutzkonformes Affiliate Marketing im BVDW.
Bei der Erstellung seines Leitfadens habe der Verband mit mehr als zehn Branchenexperten und mit vier unabhängigen Juristen die gesetzlichen Vorgaben ausführlich geprüft und sei gemeinsam zu diesem Schluss gekommen. Denn beim Affiliate Marketing handele es sich um kein Profiling, sondern um technisch erforderliche Verfahren für eine erfolgsbasierte Vergütung. Dabei würden die datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten. "Wir waren uns dabei der Verantwortung bewusst, die wir als BVDW Fokusgruppe für die Affiliate-Marketing-Branche tragen", so Koegler.
Auch wenn das formaljuristisch stimmen mag, vertritt Markus Schindler, Head of Sales & Marketing bei der Digital Marketing Agentur Hurra.com, eine andere Sichtweise als der Verband. "Beim Affiliate Marketing stellt sich auf der Metaebene die gleiche Problematik wie bei Tracking, Search, Display oder Social Media: Die Privatsphäre des Nutzers muss respektiert werden, was in der Vergangenheit oft nicht der Fall war." Jetzt finde hier eine Neukalibrierung statt, bei der noch keiner genau wisse, wie es künftig sein werde. "Aber da alle Player davon gleichermassen betroffen sind, werden schon bald übergreifend Lösungen entwickelt, erste Ansätze gibt es bereits", erklärt Schindler.
Von einer Zeitenwende beim Affiliate Marketing geht auch Thomas Kaiser, Geschäftsführer der Search-Agentur Cyberpromote aus: "Das klassische Affiliate Marketing ist kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell - weil es technisch nicht mehr gehen wird und weil in der Affiliate-Industrie zu viele nur Provisionen ergaunern wollten und die Neukundengenerierung längst aus den Augen verloren haben." Mit dem jüngsten Chrome-Update sei das Ende des klassischen Affiliate-Modells noch augenfälliger geworden.