Wettbewerb aus Fernost
12.10.2019, 22:02 Uhr
Händler aus dem Ausland drängen auf den deutschen E-Commerce-Markt
Immer mehr Händler aus dem Ausland drängen auf den deutschen E-Commerce-Markt. Neben europäischen Shops stammen die Wettbewerber immer öfter auch aus Fernost.
Mit Ausnahme von Amazon finden sich im jährlichen vom EHI Retail Institute veröffentlichten Ranking der Top 100 Online Shops fast ausschliesslich inländische Händler. Umso mehr fällt in der aktuellen Ausgabe der Studie auf, dass drei Shops mit ausländischen Wurzeln in die vorderen Bereiche der deutschen E-Commerce-Landschaft vorstossen konnten: Der britische Modeversender Asos, der chinesische Schnellaufsteiger Shein und der ebenfalls aus dem Vereinigten Königreich stammende Heimelektronikspezialist AO finden inzwischen auch in Deutschland immer mehr Kunden.
Wird der E-Commerce damit internationaler? Und können wir uns für die Zukunft auch in Deutschland darauf einstellen, dass sich immer mehr Online-Händler mit Firmensitz im Ausland auf dem Markt etablieren werden? Betrachtet man die drei Aufsteiger im EHI-Ranking genauer, ergibt sich ein differenziertes Bild.
Nur, wer sich auf den Markt einstellt, punktet
Das im Jahr 2000 gegründete und seit 2011 mit einem eigenen Lager in Deutschland vertretene Asos konnte laut EHI hierzulande 2018 um rund 60 Prozent auf 205 Millionen Euro wachsen und damit in den Top 100 einen Sprung von Platz 55 auf 30 machen.
Auch wenn das Wachstum auf dem deutschen Markt weit über dem konzernweiten Durchschnitt liegt, macht das Deutschlandgeschäft für den Modeversender nur einen Bruchteil des Gesamtumsatzes von rund 2,7 Milliarden Euro aus. "Deutschland ist für Asos immer noch ein Wachstumsmarkt", erklärt dazu Blogger und Berater Jochen Krisch. Mit einem Logistikstandort vor Berlin könne Asos inzwischen sehr schnell liefern und bediene mit seinem Modeangebot für die Jüngeren ein Marktsegment, das in dieser Form keiner der hiesigen Anbieter bediene. "Entsprechend ist das Wachstumspotenzial weiter gross", so Krisch. Eindrucksvoll sei, wie sehr sich Asos auf den deutschen Markt einstelle. So bietet der Modeversender aus London für Deutschland - wie auch für viele weitere Länder - eine auf die Anforderungen der lokalen Kunden angepasste Website und App an.
Zudem kommt das Unternehmen mit Versandservices wie Click & Collect den hiesigen Anforderungen nach. Ähnlich wie Amazon präsentiert sich Asos in seinem Segment als ein global ausgerichteter Online-Händler, der Kraft seiner starken Marke auch hierzulande immer mehr Kunden anzieht.
Chinesische Händler stehen in den Startlöchern
Shein, das mit einem Umsatz von 161 Millionen Euro auf Platz 38 neu in die EHI Top 100 einstieg, war auch für Branchenbeobachter die grosse Überraschung. Das 2008 gegründete Unternehmen aus dem ostchinesischen Nanjing gehört zu einer neuen Klasse chinesischer Händler, die den Weg zu den westlichen Kunden nicht mehr über Online-Marktplätze suchen, sondern Endkunden vor allem über Mobile-Kanäle direkt ansprechen. "Shein ist ein Beispiel dafür, wie die Hersteller in China selber zu Händlern werden und den internationalen Markt als vertikal integrierte Anbieter direkt bedienen", erklärt Krisch. Shein profitiere von seiner Mobile-Strategie, wo es schon seit Längerem unter den Top 10 Apps auftauche, und den Erfahrungen aus China, wo das Online-Geschäft bei Wechat und Co. sehr viel interaktiver betrieben werde. "Das überträgt ein Shein auf hiesige Plattformen wie vor allem Instagram und Facebook."
Zudem sei Shein ein Beispiel, wie chinesische Anbieter nach entsprechenden Markttests sehr schnell skalieren und ein Konzept global ausrollen könnten, oft noch über Marktplätze wie Amazon, eBay, Wish oder Ali Express, zunehmend aber eben auch direkt.
Krisch erwartet, dass wir künftig in Deutschland unter den Top-Shops immer häufiger Einsteiger mit asiatischen Wurzeln sehen werden. "Shein ist momentan der einzige Anbieter, der schon erfasst wird und in den Rankings auftaucht. Aber dahinter gibt es Dutzende chinesischer Händler, wie zum Beispiel Globalegrow mit Gearbest und Zaful, die zwar ebenfalls stark zugelegt haben, aber noch schwer erfassbar sind, weil sie vornehmlich über Marktplätze verkaufen", so der E-Commerce-Analyst. "Ich gehe davon aus, dass speziell das Geschäft mit Postenware und No-Name-Produkten über kurz oder lang an chinesische Anbieter und Produzenten gehen wird, die direkt verkaufen können."