Managing Director Frank Hasselmann 03.12.2018, 10:34 Uhr

"Galaxus hat in Deutschland grosse Ziele"

Mit eigenständigen Akzenten und viel Geduld - so will Galaxus-Chef Frank Hasselmann den deutschen E-Commerce-Markt erobern.
Frank Hasselmann, Geschäftsführer von Galaxus Deutschland
(Quelle: Digitec Galaxus)
Seit dem 1. November dieses Jahres ist Galaxus in Deutschland live. Der Markteinstieg des grössten Schweizer Online-Händlers wurde in der Branche aufmerksam beobachtet. Im Interview berichtet Geschäftsführer Frank Hasselmann, der den Aufbau von Galaxus Deutschland seit Anfang Juli leitet, über die Strategie und die Ziele des Newcomers auf dem deutschen Markt.
Galaxus.de setzt zum Start nicht auf Lockangebote, sondern stellt redaktionelle Inhalte und User Content in den Mittelpunkt. Ist das die Positionierung, mit der Sie sich vom Wettbewerb differenzieren wollen?
Frank Hasselmann:
Die grosse Frage ist für uns, wie gross das Segment der Kunden ist, die auf Beratung und hochwertigen Content Wert legen. Sicher gibt es einige Kunden, denen es primär um den Preis geht. Aber wir glauben, dass sich viele der Kunden in Deutschland noch etwas mehr wünschen - weil ihnen das bestehende Angebot im Online-Dschungel einfach nicht ausreicht. Und genau hier setzen wir an: mit Qualität, Beratung und inspirierenden Inhalten.
Aber handelt es sich bei Beratung und Service nicht um nachgeordnete Bedürfnisse, die die Kunden zusätzlich zu den üblichen Internet-Schnäppchenpreisen erwarten?
Hasselmann:
Kein Kunde möchte mehr dafür bezahlen, dass er zu seinem Produkt auch noch interessante Produktrecherchen oder Erfahrungsberichte anderer Kunden lesen kann. Deshalb setzen wir unsere Preise so an, dass sie auf Augenhöhe mit den für uns relevanten Wettbewerbern liegen. Unsere Kunden sollen wissen, dass sie sich über den Preis bei uns keine Sorgen machen müssen. Aber wir wollen auch nicht dazu beitragen, die Preise weiter kaputtzumachen. Wer allein auf der Suche nach dem günstigsten Preis ist, der ist deshalb bei Galaxus nicht an der richtigen Stelle.
Ihre Angebote sind nicht bei den Preissuchern gelistet. Ist das Teil dieser Strategie?
Hasselmann:
Nein, das liegt daran, dass wir mit einer Beta-Version gestartet sind. Viele Elemente unserer Plattform befinden sich noch im Aufbau: Unser Sortiment wird weiter ausgebaut, Preissuchmaschinen werden angebunden und auch die technischen Funktionalitäten in unserem Shop, zum Beispiel die verfügbaren Zahlungsoptionen, werden schrittweise erweitert. Mit dem Shop in der Beta-Version wollen wir testen, ob es dieses Segment der qualitätsbewussten, serviceorientierten Kunden gibt, auf die wir zielen. Wir wollen uns dabei keinem Zeitdruck unterwerfen, sondern das langfristig orientiert angehen.
Fast wie ein Online-Magazin: Die Startseite von Galaxus.de rückt redaktionelle Inhalte in den Mittelpunkt und verzichtet auf Lockangebote.
Können Sie sich diese ergebnisoffene Herangehensweise deshalb erlauben, weil die Expansion nach Deutschland auch dem Geschäft in der Schweiz zugutekommt?
Hasselmann:
Die erste Priorität hat für uns der Aufbau des Geschäfts in Deutschland. Aber es stimmt: Auch die Schweizer Kunden werden von der Expansion nach Deutschland profitieren. Günstigere Einkaufspreise in Deutschland werden wir unseren Schweizer Kunden selbstverständlich weiterreichen. Das ist für uns allerdings nur ein erfreulicher Nebeneffekt.
Die Schweizer Online Shops von Digitec und Galaxus bieten originelle Kundenfeatures wie einen Weiterverkaufsservice oder den Gamification-Ansatz zur Belohnung von Nutzeraktivitäten. Bringen Sie diese Funktionen auch nach Deutschland?
Hasselmann:
Die Gamification und den Weiterverkaufsservice wollen wir - neben vielen weiteren Features - ebenfalls nach Deutschland bringen. Nicht jedes Feature aus der Schweiz ist aber auch in Deutschland erforderlich. Und gleichzeitig gibt es noch einige Features, die wir speziell für den deutschen Markt benötigen. Wir haben in Deutschland zum Beispiel schon öfters gehört, dass viele unseren Shop etwas zu ruhig und aufgeräumt finden. Wir überlegen uns deshalb, ob wir zusätzliche Elemente einführen werden.
In der Schweiz betreibt Digitec Galaxus auch zehn stationäre Geschäfte. Sind auch in Deutschland eigene Stores geplant?
Hasselmann:
Unsere Shops sind in der Schweiz Teil unseres Erfolgs: Unsere Kunden holen fast jede dritte Bestellung bei uns ab - und bei Rückgaben ist die Quote noch viel höher. Der persönliche Kontakt, die Beratung im Geschäft sowie die Schnelligkeit und zeitliche Flexibilität der Shop-Abholung bedienen wichtige Bedürfnisse unserer Kunden. Es ist denkbar, dass wir in Zukunft auch Shops in deutschen Metropolen eröffnen. Das Thema steht aber vorerst nicht auf unserer Agenda.
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"Wir setzen nicht auf einen grossen Paukenschlag"

In der Branche stösst der Deutschlandstart von Galaxus auf recht grosse Resonanz. Bei den Endkunden sind sie allerdings noch unbekannt. Wie wollen Sie das ändern?
Hasselmann:
Wir setzen nicht auf einen grossen Paukenschlag, sondern wollen organisch wachsen. Dafür setzen wir auf Weiterempfehlungen der Kunden, die wir bereits überzeugen konnten, sowie auf Online-Marketing. Wir wollen, dass unsere Produkte und unsere redaktionellen Inhalte auf Google und in den sozialen Netzwerken gefunden werden. Wenn wir dann mit unserem Sortiment so breit aufgestellt sind wie Galaxus in der Schweiz, werden wir weitere Marketingaktivitäten wie TV- oder Plakatwerbung prüfen. Die Mittel dafür werden am Anfang aber begrenzt sein. Jetzt wollen wir erst einmal testen, lernen und den Markt verstehen.
Grösster Schweizer Online-Händler: der Hauptsitz von Digitec Galaxus in Zürich
Auch Sie selbst dürften in den letzten Monaten viel gelernt haben: Sie kommen vom Industriekonzern Linde und damit aus einem komplett anderen Geschäftsfeld.
Hasselmann:
Interessanterweise haben mich bei Linde im B2B-Geschäft ganz ähnliche Themen beschäftigt wie heute bei Galaxus: Ich habe neue Organisationen mit aufgebaut, Talente rekrutiert, die Unternehmenskultur weiterentwickelt sowie Lieferanten identifiziert und angebunden. Im B2B-Geschäft geht es zudem stark um den Aufbau langfristiger Beziehungen mit Mitarbeitern, Kunden und Partnern. Das ist auch im E-Commerce so.
Hilft Ihre Erfahrung in einer anderen Branche Ihnen, frisch und unvoreingenommen an das E-Commerce-Geschäft heranzugehen?
Hasselmann:
Ja, auf jeden Fall. Und es passt übrigens auch gut zur Kultur bei Galaxus. Neugierde und eine bestimmte offene Haltung zählen bei uns mehr als Erfahrung. Dinge immer wieder anders, quer und neu zu denken, ist bei Galaxus ein wichtiger Grundsatz.
Und was sehen Sie aus dieser Perspektive?
Hasselmann:
Ein Beispiel: Wir sind schon sehr gut darin, unsere Kunden mit spezifischen Hintergrundrecherchen und Fachartikeln zu inspirieren. Aber wir können aus meiner Sicht noch besser werden, wenn es darum geht, einen Produktbereich ganzheitlich zu erklären und unsere redaktionellen Inhalte systematisch mit unseren Produktfilter-Tools zu verbinden. Da wollen wir unsere Kunden noch stärker an die Hand nehmen.
In den Fachmedien wurde der Deutschlandstart von Galaxus mit viel Vorschusslorbeeren begleitet. Fürchten Sie überhöhte Erwartungen, die rasch in Enttäuschung umschlagen können?
Hasselmann:
Wir haben immer hervorgehoben, dass wir zwar grosse Ambitionen haben, aber klein starten. Unsere Beta-Version ist ein erster Schritt und der Weg zu unserem Ziel ist noch lang. In der Schweiz schätzen es unsere Kunden an uns, dass wir auch Dinge ausprobieren, die noch nicht perfekt sind. Und dass wir unsere Kunden in der Entwicklung mitnehmen. Es ist uns bewusst, dass wir dadurch manchmal auch etwas ungeschliffen auftreten. Aber klar ist auch: Wir freuen uns sehr über die positive Resonanz. Nun ist es an uns, dieses erste Vertrauen nicht zu enttäuschen.




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