Brexit: Was Online-Händler jetzt beachten müssen

Unerwartetes Hindernis für den Online-Handel

Einen echten Fallstrick hält das Markenrecht für Unternehmen bereit, die Produkte aus der EU in Drittländern verbreiten. Grundsätzlich hat nämlich jeder Markeninhaber das Recht, selbst zu entscheiden, wer seine Marke wie nutzt - zum Beispiel indem er dessen Produkte verkauft. Innerhalb der EU gilt jedoch das Prinzip der "gemeinschaftsweiten Erschöpfung“. Das bedeutet: Ist ein Produkt innerhalb der EU erst einmal legal in den Handel gekommen, sind die Rechte des Herstellers an der Marke insofern erschöpft, als er nicht mehr darüber bestimmen kann, wer seine Ware innerhalb der EU weiterverkauft.
Das bedeutet, dass ein deutscher Händler Markenprodukte auch dann ohne Zustimmung des Herstellers verkaufen darf, wenn er sie zum Beispiel nicht von dessen deutschen Distributor gekauft hat, sondern vom einem Zwischenhändler in Spanien. Sobald der Bezugs- oder der Absatzort sich ausserhalb der EU befindet, gilt die ­gemeinschaftsweite Erschöpfung nicht mehr. Dies mussten in den 90er-Jahren Grauimporteure erfahren, die den in Mexico gebauten VW Beetle in den USA einkauften und in Deutschland anboten. Der Volkswagen-Konzern verklagte die Importeure wegen Markenrechtsverletzung.
Umgekehrt gilt das Prinzip auch: Ein deutscher Händler, der Ware bei ­einem deutschen Hersteller einkauft und in ein Drittland ausserhalb der EU verkauft, kann sich dabei nicht auf die gemeinschaftsweite Erschöpfung der Markenrechte innerhalb der EU berufen. Der Hersteller könnte den Händler verklagen und neben Unterlassung auch Schadensersatz fordern. Fiktives Beispiel für Nach-Brexit-Zeiten: Ein deutscher Hersteller von Luxuskameras betreibt in UK einen selektiven Vertrieb. Ein deutscher Händler besorgt sich in der EU Kameras dieses Herstellers und bietet sie online in UK an. Das wäre dann eine Verletzung der Kameramarke - und könnte teuer werden.
Hohe Kosten kommen auf Unternehmen zu, die sich aus Steuergründen eine britische Rechtsform gegeben haben. Vor allem bei Anwaltssozietäten beliebt ist zum Beispiel die LLP (Limited Liability Partnership), auch die britische Ltd. (Limited Company, das Äquivalent zur GmbH) oder die PLC (Public ­Limited Company) wurde auch auf dem Kontinent häufig gewählt.
Laut EU-Recht müssen Unternehmen, die in der Gemeinschaft tätig sind, jedoch eine Rechtsform haben, die in der EU gebräuchlich ist. Das könnte auf die genannten Beispiele bald nicht mehr zutreffen. Brexit-Rechtsexperte Morawietz beobachtet deshalb einen Trend hin zu Rechtsformen, die in Luxemburg oder den Niederlanden gebräuchlich sind: zum Beispiel die Aktiengesellschaft (S.A.), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (S.à r.l.)  oder die holländische b.V., die der deutschen GmbH entspricht.
Allerdings gilt das Prinzip auch andersherum. Ein Unternehmen, das künftig ­sowohl in der EU als auch in UK tätig sein will, benötigt zusätzlich zur EU-Rechtsform eine zweite Firmeneintragung nach UK-Regularien.

Vorbereiten auf das Schlimmste

Solange noch nicht feststeht, wie sich die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zwischen UK und EU entwickeln werden, sollten sich Händler in der EU auf das Schlimmste vorbereiten: einen No-Deal-Brexit ab dem 1. Januar 2021. Danach würde der Aussenhandel mit Grossbritannien grundsätzlich nach den gleichen Regeln abgewickelt, die heute für ein Land wie Uganda gelten.
Logistik­expertin Ttooulis kann dieser möglichen Entwicklung dennoch positive Seiten abgewinnen. Ein britischer Händler, der seine gesamte Lieferkette auf die WTO-Regularien abstimmt, um auch zukünftig in die EU liefern zu können, so argumentiert sie, schaffe damit die Voraussetzungen für problemlosen Handel mit jedem der mehr als 164 anderen WTO-Mitgliedsländer. Damit eröffneten sich ­Expansionspotenziale in Märkte, die sich vielfach dynamischer entwickelten als die EU: "Das 'Worst Scenario‘ könnte sich vielleicht zum 'Best Scenario‘ für viele britische Händler entwickeln."
Ob Ttoouilis recht behält, muss die ­Zukunft zeigen. Aber diese Chance würde nicht dann nur britischen Händlern offenstehen, sondern auch denen in der EU.




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