Rezensionsbetrug
08.07.2019, 15:20 Uhr
Amazon Sellerin wehrt sich gerichtlich gegen Account-Sperre
Eine Amazon-Verkäuferin, die Amazons aktuellem Kreuzzug gegen gefälschte Bewertungen zum Opfer fiel, wollte die Sperre ihres Accounts nicht hinnehmen und zog vor Gericht. Das Landgericht Hildesheim gab ihr Recht und erliess eine einstweilige Verfügung gegen Amazon.
Vor rund sechs Wochen begann Amazons breit angelegter Angriff auf gefälschte Produktbewertungen: Dutzende Händler-Accounts, die Amazon des "Rezensionsmanagements", wie das Schönen der Bewertungsskala eines Produkts unter Händlern genannt wird, verdächtigte, wurden über Nacht gesperrt.
Eine Händlerin wollte die Sperrung ihres Accounts aber nicht kampflos hinnehmen und wandte sich an die Kölner Anwaltskanzlei LHR. Die erwirkte vom Landgericht Hildesheim eine einstweilige Verfügung: Demnach muss Amazon die Sperre des Verkäuferkontos unverzüglich aufheben, gelöschte Angebote wiederherstellen sowie das einbehaltene Guthaben in Höhe von rund 25.000 Euro umgehend freigeben. Eine Zuwiderhandlung kann das Gericht mit einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro ahnden.
Noch nicht rechtskräftig
Die Entscheidung des LG Hildesheim ist fürs erste nicht rechtskräftig: Amazon kann Widerspruch einlegen oder ein Hauptsachverfahren eröffnen. Das Ergebnis des laufenden Rechtsstreits könnte weitreichende Folgen für alle Amazon Seller haben: Denn das Landgericht folgte der Argumentation der Händlerin, wonach die Sperrungsmassnahmen von Amazon einen "existenziellen Eingriff in eine Besitz-ähnliche Rechtsposition der Antragstellerin" darstellt, dem sowohl eine vertraglich als auch eine gesetzliche Grundlage fehlt.
"Ziffer 3 des 'Amazon Services Europe Business Solutions Vertrags', der das Vertragsverhältnis zwischen Amazon und den Verkäufern regelt und worin Amazon sich vorbehält, den Vertrag jederzeit mit sofortiger Wirkung und ohne Grund kündigen oder aussetzen zu können, ist unwirksam, da sie einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB nicht standhält, weil sie Verkäufer unangemessen benachteiligt", ist Fachanwalt Arno Lampmann, der die Händlerin vor Gericht vertritt, überzeugt.
"Natürlich steht es Amazon vor dem Hintergrund der Vertragsfreiheit frei, den Vertrag mit einem Verkäufer ordentlich zu kündigen. In diesem Fall müsste Amazon jedoch bestimmte Fristen einhalten und könnte den betroffenen Händler nicht einfach 'rauswerfen' und erst Recht kein Guthaben einbehalten."
Wir haben Amazon um ein Statement zu dem Fall gebeten; eine Antwort steht bisher noch aus.