KI in der Robotic Process Automation (RPA
21.01.2019, 09:37 Uhr
Roboter erobern Software-Welt
Die Künstliche Intelligenz hält auch bei Robotic Process Automation Einzug. Eingesetzt wird RPA vor allem in der IT beziehungsweise im Finanzbereich.
In der Fabrik hat sich der «Kollege Roboter» bereits etabliert. Auch in Bereichen wie dem Einzelhandel oder als Hotelconcierge sehen Fachleute Einsatzfelder für solche Systeme. Doch neben der physischen Version beginnt sich eine weitere Spielart durchzusetzen: der Software-Roboter. Es handelt sich dabei um Algorithmen und Tools, mit denen sich wiederkehrende Aufgaben und Prozesse automatisieren lassen, etwa Abläufe in einer IT-Umgebung. Das Stichwort heisst Robotic Process Automation (RPA).
IBM definiert RPA als Methode zur Automatisierung einzelner, einfacher Aufgaben, die ansonsten manuell ausgeführt werden. «Typischerweise werden mit RPA Prozess-Schritte automatisiert, die repetitiv sind, ein hohes Volumen haben und deren Abarbeitung auf definierten Regeln basiert», erläutert Thorsten Schlack, Chief Architect beim Beratungshaus Tata Consultancy Services (TCS). Diese Prozesse sind stabil, haben einen hohen Reifegrad und sind bereits auf Prozessebene optimiert. «Der Mensch wird somit von Routineaufgaben entlastet und kann sich auf diejenigen Prozess-Schritte konzentrieren, die Erfahrung oder ‚weiche‘ Entscheidungen erfordern, die nicht fest definierten Regeln folgen», so Schlack weiter.
Bot übernimmt eintönige Arbeit
An die Stelle menschlicher Mitarbeiter treten Software-Roboter (Bots). «Sie ahmen eine menschliche Interaktion mit Benutzerschnittstellen von Software-Systemen nach», so Milad Safar, Managing Partner des Beratungsunternehmens Weissenberg Business Consulting, zu dessen Schwerpunkten die Automatisierung von Geschäftsprozessen zählt.
Die Bots übernehmen Aufgaben, die Menschen häufig als langweilig empfinden. Dazu zählen beispielsweise das Kopieren, Speichern und Verschieben von Dateien und die Bearbeitung von Informationen in Dokumenten und E-Mail-Anhängen. Auch das Umsetzen von Wenn-dann-Befehlen oder der Zugriff auf Webseiten und Social-Media-Plattformen sind klassische Jobs für Software-Roboter.
Grosse Bandbreite
«Die Bandbreite an Prozessen, die man automatisieren kann, ist bereits sehr gross», erläutert Walter Obermeier, Managing Director und Vice President Sales DACH bei UiPath, einem der führenden Anbieter von Lösungen im Bereich Robotic Process Automation, «jedoch gibt es ein paar Eigenschaften, anhand derer man die passenden Prozesse auswählen kann.» Solche Vorgänge sollten arbeitsintensiv, repetitiv und anfangs nicht allzu komplex sein. «Zudem ist es wichtig, dass die Prozesse klar reguliert sind und es möglichst wenige Ausnahmefälle gibt», so Obermeier weiter. Am besten eignen sich aus seiner Sicht Hintergrundprozesse, weil diese nach einer Automatisierung keine menschliche Interaktion mehr benötigen. Andererseits können Prozesse auch so automatisiert werden, dass ein Mitarbeiter sie durch Aktivierung eines Roboters auslösen kann.
“Die Bandbreite an Prozessen, die man automatisieren kann, ist bereits sehr gross.„
«Was die Einsatzfelder betrifft, sind die Top-Kandidaten IT-Services, das Personalwesen, die Finanzbuchhaltung und die Integration vorhandener IT-Systeme», umreisst Bui Dinh Giap, Head of RPA Center of Excellence bei FPT Software, die Szenarien. Ebenso wie andere IT-Beratungshäuser, darunter Accenture, Atos, Axians, Capgemini und Tata Consultancy Services, bietet FPT Software Unternehmen Hilfestellung, die IT-gestützte Prozesse automatisieren möchten. «Allerdings ist Robotic Process Automation kein Allheilmittel», gibt Giap zu bedenken. «Die Technik sollte beispielsweise nicht bei fragmentierten und ineffizienten Prozessen zum Zuge kommen, sondern nur bei Prozess-Schritten mit einem hohen Mehrwert.»
Schwerpunkt ist (noch) die IT
Hindernisse bei der Einführung von RPA: Vor allem Sicherheitsbedenken und fehlendes Budget verhindern eine Implementierung.
Quelle: ISG
Accounts und Berechtigungen sowie die Datenmigration.» Allerdings werde RPA die grössten Auswirkungen ausserhalb der IT haben, etwa im Vertrieb und Kundenservice, aber auch in der Finanz- und Personalabteilung, prognostiziert Schlack.
Ein Teil der Prozesse, die sich im IT-Umfeld automatisieren lassen, ist im Bereich Support und Service-Desk angesiedelt. Ein Beispiel ist die Funktion «Neues Passwort zuweisen». Wenn ein Nutzer seinen Zugangs-Code vergessen hat, teilt ihm das System bei Bedarf einen neuen zu. Geht es jedoch darum, einen IT-Nutzer bei der Suche nach Fehlerursachen zu unterstützen, ist RPA weniger tauglich. Reagiert etwa eine Applikation zu langsam, sind intelligente Analysefunktionen gefragt, um die Gründe dafür zu ermitteln.
“RPA ist aus der klassischen Prozessautomatisierung hervorgegangen. Kognitive Lösungen stellen den nächsten Schritt dar.„
Unterschied zu BPM
Robotic Process Automation sollte nicht mit Lösungen für das Business Process Management (BPM) verwechselt werden. Mit RPA lassen sich vorhandene Prozesse automatisieren, die auf der Verarbeitung von strukturierten Daten basieren. Die Anwendungen selbst werden dabei nicht angetastet.
BPM ist dagegen ein Ansatz, bei dem zentrale Geschäfts- oder IT-Prozesse überarbeitet werden. Dadurch sollen sie effizienter werden, einen Mehrwert bieten oder den Nutzern eine bessere User Experience verschaffen. Nutzer können dabei Mitarbeiter eines Unternehmens sein, aber auch dessen Kunden oder Partnerunternehmen. Als Tool kommt häufig eine BPM-Plattform zum Einsatz. An sie lassen sich Lösungen für RPA anbinden.
BPM ist dagegen ein Ansatz, bei dem zentrale Geschäfts- oder IT-Prozesse überarbeitet werden. Dadurch sollen sie effizienter werden, einen Mehrwert bieten oder den Nutzern eine bessere User Experience verschaffen. Nutzer können dabei Mitarbeiter eines Unternehmens sein, aber auch dessen Kunden oder Partnerunternehmen. Als Tool kommt häufig eine BPM-Plattform zum Einsatz. An sie lassen sich Lösungen für RPA anbinden.
Vereinfacht gesagt, ist Business Process Management für das grosse Ganze ausgelegt, während Software-Roboter Teilaufgaben übernehmen. Daher lässt sich eine RPA-Lösung relativ schnell implementieren, während bei BPM umfangreiche Analysen und Tests erforderlich sind.
Beispiel: Personalabteilung
Wie sich RPA-Bots in der Praxis verwenden lassen, zeigt das Beispiel des Onboardings von neuen Mitarbeitern. Die Personalabteilung erstellt in diesem Fall in der Regel mehrere Mails oder Tickets im IT-System, um Anfragen oder Änderungswünsche zu bearbeiten. Dazu zählen das Anlegen der E-Mail-Adresse des neuen Mitarbeiters und das Ausstellen von Zugangskarten. Ausserdem benötigt der Mitarbeiter Zugriff auf IT-Applikationen und Server und muss in Verteilerlisten aufgenommen werden. Da die Vorgänge manuell bearbeitet werden, kommt es leicht zu Verzögerungen. Eine RPA-Lösung kann solche Prozesse schneller und mit einer geringeren Fehlerquote abwickeln, etwa indem sie dem neuen Kollegen automatisch eine Mail-Adresse zuweist.
Vorteile durch Bots
So schön es auch sein mag, wenn Mitarbeiter durch Software-Roboter von lästigen Routineaufgaben befreit werden: Für Finanzverantwortliche und Bereichsleiter zählen andere Fakten, etwa Kosteneinsparungen und eine höhere Effizienz von Mitarbeitern dank RPA. «Zwar werden manche Mitarbeiter alltägliche Aufgaben auch weiterhin erledigen, indem sie Daten manuell bearbeiten. Werden für solche Aufgaben jedoch RPA-Tools verwendet, sinkt die Fehlerquote bei einer gleichzeitigen Steigerung der Datenqualität», erläutert Cathy Tornbohm, Vice President bei Gartner und Spezialistin für Business Process Outsourcing. Eine Automatisierung von Tätigkeiten im Bereich Datenerfassung und -bearbeitung kann Tornbohm zufolge zudem die Kosten reduzieren und die Einhaltung von Compliance-Vorgaben erleichtern.
Das französische Unternehmen Contextor, Anbieter einer RPA-Plattform, das vergangenen November von SAP übernommen wurde, schätzt die Zeitersparnis von Büromitarbeitern auf bis zu 30 Prozent, wenn Prozesse automatisiert ablaufen. Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG wiederum taxiert die Kosteneinsparungen, die mit Hilfe von RPA erreicht werden können, auf etwa 40 bis 75 Prozent. In vergleichbarem Rahmen liegen die Schätzungen anderer Experten, etwa von Ernst & Young. EY schätzt, dass durch den Einsatz von RPA im Rechnungswesen 20 bis 60 Prozent der Kosten eingespart werden können, die auf die Vollzeitstelle eines Mitarbeiters entfallen.
Allerdings sind für Unternehmen, die bereits eine robotergestützte Prozessautomatisierung einsetzen, nicht die Kosten das wichtigste Argument. Das ergab eine weltweite Studie des Consulting-Hauses Deloitte. So wollen mehr als 60 Prozent der Unternehmen mit RPA ihre Performance verbessern und rund 59 Prozent der Befragten Produkte und Dienstleistungen schneller auf den Markt bringen.
“Zwar werden manche Mitarbeiter auch weiterhin Daten manuell bearbeiten. Werden für solche Aufgaben jedoch RPA-Tools verwendet, sinkt die Fehlerquote bei einer gleichzeitigen Steigerung der Datenqualität.„
Respektables Wachstum
Dass das Thema Automatisierung mit Hilfe von Software-Robotern bei Unternehmen auf Resonanz stösst, zeigt sich in der Nachfrage nach solchen Lösungen. Gartner schätzt, dass die weltweiten Ausgaben im Bereich Robotic Process Automation 2018 ein Volumen von etwa 680 Millionen Dollar erreichen. Das ist auf den ersten Blick nicht sonderlich beeindruckend. Allerdings erwartet Gartner bis zum Jahr 2022 eine Verdreifachung des Absatzes auf rund 2,4 Milliarden Dollar. Vor allem grosse Unternehmen, die einen Umsatz von einer Milliarde Dollar oder mehr erzielen, sind die Hauptnutzer von RPA. 60 Prozent dieser Firmen, so die Gartner-Schätzung, setzen derzeit zumindest ein Tool im Bereich Robotic Process Automation ein.
Cloud oder On-Premise
Auf welche Weise sie Robotic Process Automation nutzen möchten, ob im eigenen Rechenzentrum oder als Cloud-Service, können die Anwender bei den meisten Lösungen selbst entscheiden. Die Mehrzahl der RPA-Lösungen steht als Software as a Service (SaaS) aus der Cloud zur Verfügung, lässt sich jedoch auch On-Premise im hauseigenen Data-Center implementieren.
«Die Entscheidung für das jeweilige Modell ist abhängig von den Anforderungen des Kunden und vom jeweiligen Prozess», sagt Walter Obermeier von UiPath. «Bei Kernprozessen mit eigenen Kundendaten wird oftmals der On-Premise-Ansatz vorgezogen. Soll hingegen die gesamte Bandbreite der Automatisierung genutzt werden können, ist eine Öffnung in Richtung Cloud- und Artificial-Intelligence-Lösungen, beispielsweise für Admin- und Support-Funktionen, fast unumgänglich.» Eine dritte Option ist, alle RPA-Komponenten selbst zu entwickeln. In diesem Fall ist es von Vorteil, wenn die RPA-Plattform über eine grosse und agile Community verfügt. «Idealerweise stellt der Anbieter einer Plattform einen gemeinsamen Marktplatz zur Verfügung, auf den Nutzer ihre Automatisierungslösungen hochladen. Der Anbieter der Plattform prüft die Angebote und stellt sie anschliessend anderen Nutzern zum Herunterladen bereit», so Obermeier. In diesem Fall profitieren Unternehmen nicht nur von den Ideen ihrer eigenen Mitarbeiter, sondern auch von denen der gesamten Community.
“RPA ist kein Allheilmittel. Die Technik sollte beispielsweise nicht bei fragmentierten und ineffizienten Prozessen zum Zuge kommen, sondern nur bei Prozess-Schritten mit einem hohen Mehrwert.„
Fragmentierter Markt
Wer eine RPA-Lösung einsetzen möchte, der hat die Wahl zwischen einer Vielzahl von Produkten. Marktforschungsunternehmen wie Gartner und Forrester zählen rund 25 Firmen zu den führenden Anbietern. Nimmt man regional aktive Anbieter hinzu, kommt man leicht auf die doppelte Zahl von RPA-Spezialisten. Bei einem Grossteil von ihnen handelt es sich um kleine Unternehmen. Wie in vielen anderen Technologiebereichen zeichnet sich allerdings eine Konsolidierung des Marktes ab. Ein Beispiel ist die Übernahme des RPA-Spezialisten Syntel durch den französischen IT-Konzern Atos. Dagegen wilderte das deutsche Software-Unternehmen SAP wie erwähnt in Frankreich und übernahm mit Contextor ebenfalls einen Anbieter von Lösungen für Robotic Process Automation: «Die Übernahme ist ein wichtiger Schritt hin zu einer durchgängigen Prozessautomatisierung in unseren Anwendungen – allen voran natürlich SAP S/4 HANA», kommentiert Markus Noga, Leiter des Bereichs Machine Learning bei SAP, die Akquisition.
Intelligente Automatisierung
Die Integration von Contextor in die Sparte maschinelles Lernen von SAP ist ein Indiz dafür, wohin die Reise geht: Die Automatisierung von IT-bezogenen Geschäftsprozessen wird immer stärker mit Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) verknüpft.
„RPA ist aus der klassischen Prozessautomatisierung hervorgegangen. Kognitive Lösungen stellen den nächsten Schritt dar. Er soll es ermöglichen, durch Lernen selbstständig Entscheidungen zu treffen», erläutert Thorsten Schlack von TCS. „Dadurch lassen sich Probleme lösen, die die traditionelle Analytik nicht bewältigen kann.»
Nach Einschätzung der Berater von McKinsey kommen bei der intelligenten Prozessautomatisierung fünf Technologien zum Zuge:
- Robotic Process Automation als Basis.
- Smarte Arbeitsprozesse und entsprechende Management-Tools: Sie verwalten alle Aufgaben, die Menschen und Maschinen durchführen. Das gilt vor allem für Tätigkeiten, in die beide Gruppen involviert sind.
- Maschinelles Lernen und Analysefunktionen auf Grundlage von überwachtem und nicht überwachtem Lernen: Damit lassen sich grosse Datenbestände auf Muster durchsuchen.
- Die Verarbeitung von natürlicher Sprache (Natural Language Processing und Natural Language Generation, NLG): Software-Roboter setzen beispielsweise strukturierte Finanzdaten eigenständig in einen Wochen- oder Monatsreport um. Das übernimmt eine Natural Language Engine.
- Kognitive Agenten: Sie verwenden maschinelles Lernen und Natural Language Generation. Solche Agents führen nicht nur Aufgaben aus. Sie sind zudem lernfähig und können auf Basis des Gelernten Entscheidungen treffen. Beispielsweise setzen Versicherungsunternehmen solche Lösungen bei der Beratung von Kunden ein. Ausserdem können sie Anfragen von Mitarbeitern in einem Unternehmen beantworten.
Die Optimierung und Automatisierung von Prozessen mit Hilfe kognitiver Verfahren ist ein vielversprechender Ansatz. Entsprechende Lösungen benötigen allerdings noch Feinschliff, wie Murat Bayram, Head of IoT & Industrie 4.0 beim ICT-Dienstleister Axians IT, bestätigt: „Zwar gibt es bereits Demos, die zeigen, wie Machine Learning beispielsweise beim Ausfüllen einer Maske die passenden Werte wählt und einträgt. Jedoch sind diese Ansätze noch nicht zu 100 Prozent verlässlich, vor allem bei komplexen Themen.»
Auswirkung auf Arbeitsplätze
Bei allen Vorteilen, die mit der Automatisierung von Geschäftsprozessen und Aufgaben in der IT verbunden sind, darf jedoch ein Aspekt nicht übersehen werden: Eines der Ziele solcher Ansätze besteht darin, Arbeitsplätze einzusparen. „Eine Aufgabe von Beratungsunternehmen wie FPT Software ist es deshalb, den Mitarbeitern in Unternehmen die Angst zu nehmen, dass sie durch Robotic Process Automation ihre Jobs verlieren», erläutert Bui Dinh Giap von FPT Software.
Wichtig ist daher nach Einschätzung von KPMG und der Beratungs- und Marktforschungsfirma Lünendonk & Hossenfelder ein stimmiges Change-Management-Konzept. Mitarbeiter sollten frühzeitig in den Planungsprozess eingebunden werden, wenn ein Unternehmen Automatisierungs-Tools einsetzen möchte. Zudem ist es notwendig, Weiterbildungsmassnahmen anzubieten, damit die Beschäftigten Know-how im Bereich Digitalisierung aufbauen können.
Ansätze wie RPA haben laut KPMG und Lünendonk & Hossenfelder jedoch auch positive Wirkungen auf die Beschäftigungslage: Durch den Einsatz von Automatisierungs-Lösungen sei es möglich, Tätigkeiten aus Ländern in Osteuropa und Asien wieder nach Europa zurückzuholen, die zuvor im Rahmen eines Offshorings ausgelagert wurden.
Hinzu kommt, dass sich mit Hilfe von Automatisierung die Folgen personeller Engpässe mildern lassen, etwa im Bereich IT-Fachkräfte. Dennoch bleibt die Frage, was mit jenen Mitarbeitern passiert, die sich nicht für anspruchsvolle Tätigkeiten eignen und deren Aufgaben von Software-Robotern übernommen werden. Dafür Antworten zu finden, ist eine Aufgabe, die Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermassen betrifft.
Im Gespräch mit Murat Bayram, Head of IoT & Industrie 4.0 bei Axians IT
Robotic Process Automation hilft Unternehmen dabei, gleichförmige und für Mitarbeiter langweilige Aufgaben schneller und effizienter zu bewältigen. Doch diese Technologie hat ihre Grenzen, so Murat Bayram, Head of IoT & Industrie 4.0 beim ICT-Dienstleister Axians IT. Sie entbindet IT-Abteilungen nicht, Schwachstellen in den Backend-Prozessen zu beseitigen.
Computerworld: Welche Prozesse lassen sich derzeit mit Hilfe von Robotic Process Automation automatisieren? Es gibt ja eine Fülle von Ansätzen, von der Dokumentenerfassung bis hin zur automatischen Reaktion auf Vorfälle im Bereich IT-Sicherheit.
Murat Bayram: Das Thema ist speziell im letzten halben Jahr vermehrt in den Fokus gerückt. Vor allem dort, wo immer gleiche Prozesse stattfinden, ist der Einsatz sinnvoll, beispielsweise dann, wenn ein Sachbearbeiter mit immer gleich bleibendem Ablauf Datensätze öffnen und Informationen abgleichen oder übertragen muss. Dazu zählen sämtliche Copy-and-Paste-Prozesse. Dabei imitieren RPA-Tools, vereinfacht ausgedrückt, Maus- und Tastatureingaben des Anwenders.
Computerworld: Warum sollten Prozesse überhaupt automatisiert werden?
Bayram: Mit RPA ist es möglich, in kurzer Zeit gute Ergebnisse für relativ einfache Workflows zu erzielen. Dem Anwender werden monotone Abläufe erspart und ihm bleibt mehr Zeit für komplexe Arbeiten. Dabei ist RPA einfach zu programmieren und besonders benutzerfreundlich. Die Technologie erfordert meist nur eine geringe Einarbeitungszeit und lässt sich flexibel an die Anforderungen des Anwenders anpassen. Zudem sind RPA-Tools nicht teuer, mittlerweile gibt es sogar gute Open-Source-Software. Die Investitionshürde ist daher gering.
Computerworld: Ist RPA also eine Art Allheilmittel, um Geschäftsprozesse und Abläufe in IT-Umgebungen zu beschleunigen?
Bayram: RPA-Lösungen können dazu dienen, kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Unternehmen sollten jedoch bedenken, dass RPA nur oberflächlich Erleichterung schafft. Oftmals lohnt es sich, Abläufe im Backend näher zu beleuchten und das Problem bei der Wurzel zu packen. Hierbei ist eine Prozessautomatisierung das Mittel der Wahl, also eine Business Process Automation. Dieses Vorgehen ist zunächst aufwendiger, hilft aber, Prozesse möglichst schlank und effizient zu halten.
Computerworld: Wie wirkt sich das Automatisieren von Abläufen mit Hilfe von RPA auf die Sicherheit von Daten und Anwendungen aus? Erhöht sich das Risiko?
Bayram: Da RPA-Tools lediglich den Sachbearbeiter imitieren, bleibt das Sicherheitsniveau bestehen. «Verklickt» sich ein Mitarbeiter, können daraus natürlich Fehler resultieren. Dasselbe ist der Fall, wenn das Tool nicht richtig konfiguriert wurde. Zwar besteht immer das Risiko eines Hackerangriffs, es ist aber nicht grösser als bei anderen Programmen wie Outlook.
Computerworld: Welche Rolle spielen Technologien wie Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen im Zusammenhang mit der Automatisierung und RPA?
Bayram: Der Trend in Richtung Machine Learning suggeriert auf den ersten Blick, dass alles von alleine läuft. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Zwar gibt es bereits Demos, die zeigen, wie Machine Learning beispielsweise beim Ausfüllen einer Maske die passenden Werte wählt und einträgt. Jedoch sind diese Ansätze nicht zu 100 Prozent verlässlich, vor allem bei komplexen Themen.
Computerworld: Bedeutet dies, dass Techniken wie Machine Learning bei RPA keinen Sinn ergeben?
Bayram: Nein, sinnvoller wäre es, wenn das System je nach Kontext passende Informationen erkennt und mittels Vorschlagsfunktion zur Auswahl anbietet - ähnlich wie das Smartphone Vorschläge für Wörter macht, die auf dem bisherigen Sprachgebrauch des Nutzers basieren. Der Einsatz von Machine Learning ist somit durchaus möglich, auch mit einem überschaubaren Aufwand, doch Anwendungsszenarien sind dafür noch nicht wirklich vorhanden. Ausserdem spielt RPA seine Vorteile weniger bei komplexen Tätigkeiten aus, sondern vor allem bei wiederkehrenden Aufgaben.