Was bringt Industrie 4.0 dem E-Commerce?
Erste Schritte
Was sind aus Ihrer Sicht als E-Commerce-Anbieter die ersten Schritte für Unternehmen in Richtung Industrie 4.0 und wie könnte die Zukunft aussehen?
Ham: Zunächst einmal sollten Hersteller ihre internen Prozesse und externen Geschäftsabläufe als Einheit betrachten. Entscheidend ist, das Thema Industrie 4.0 mit Frontend-Systemen zu verknüpfen, damit Verbesserungen in Produktion, Logistik sowie in produktbezogenen Leistungen letztlich auch direkt beim Kunden als Kaufargument ankommen.
Nur ein Beispiel: Kaum ein Gerät wird mehr ohne ein Embedded System ausgeliefert – mit Sensoren in Verbindung mit Internet of Things (IoT) liesse sich das After-Sales-Geschäft für Investitionsgüter relativ einfach steigern.
Geht man an den Anfang des Verkaufsprozesses, bieten E-Commerce-Lösungen mit durchdachten Self-Service-Technologen interessante Perspektiven: Sie ermöglichen es, individuelle Produkte online zu konfigurieren und – im Sinne von Industrie 4.0 – und über das dahinterliegende ERP-System den Auftrag direkt an 3D-Drucker bzw. entsprechenden Produktionsmaschinen des Herstellers zu übermitteln. Mithilfe von IoT-Technologie – gesteuert über das ERP-System – wird das Produkt anschliessend in den Lieferprozess eingeschleust, in Zukunft auch über Drohnen- oder fahrerlose Transportsysteme.
E-Commerce-Lösungen mit IoT über die gesamte Lieferkette hinweg sind zwar heute noch Zukunftsmusik, doch in fünf Jahren könnten solche Szenarien zum Alltag gehören. An den Machbarkeitskonzepten wird schon gearbeitet.
Generell ist deutlich: Die Entwicklung, Produkte über IoT mit komplexen «Machine-to-Machine-to-Machine»-Interaktionen zu vernetzen, wird letztlich den gesamten Produktlebenszyklus beeinflussen– von Design, Produktion, Verkauf und Wartung bis hin zum Recycling.
Doch bei der Verbindung von E-Commerce und Industrie 4.0 geht es um mehr, als nur den Prozess von der Bestellung über die Produktion bis zur Lieferung möglichst effizient zu gestalten. Die Daten, die daraus Cloud-basiert erfasst werden, schaffen eine neue Qualität im Online-Handel: Analysen aus E-Commerce- und ERP-Aktivitäten zeigen Einkaufs-Trends und Muster des Marktbedarfs, die direkten Einfluss auf die Produktentwicklung und Produktion nehmen sowie auf Geschäftsmodelle, komplementäre Dienstleistungen und Vertriebsstrategien.
Auf Basis dieser Daten wäre es beispielsweise relativ einfach möglich, die Produktion automatisch auf saisonale Produktlinien umzustellen oder Voraussagen über Bestellvolumina zu treffen. Fertigungsprozesse könnten so gesteuert werden, dass ein personalisiertes Produkt exakt zu dem Zeitpunkt fertig ist, wenn der Kunde es bestellt.
Spannend sind auch die Möglichkeiten, dass Produktionsanlagen eigenständig den Verkauf neuer Produkte vorantreiben - und zwar durch Empfehlungen im E-Commerce-System: Angenommen, ein Kunde bestellt ein personalisiertes Produkt, das im 3D-Drucker erstellt wird. Durch Machine-to-Machine-Analysen liessen sich Kunden identifizieren, die von diesem Produkt ebenfalls profitieren könnten. Und diese würden automatisiert über das E-Commerce-System eine Empfehlung erhalten. Intelligente E-Commerce-Systeme in Kombination mit Maschinen, die durch Industrie 4.0 lernen, das Kundenverhalten immer besser zu verstehen, bringen völlig neue Perspektiven in das B2B-Geschäft.