Kaufen via Smartphone
23.08.2018, 07:58 Uhr
Mobile Shopping: Der schnellste Shop siegt
Immer mehr Kunden kaufen über ihr Smartphone oder Tablet ein. Wer seinen mobilen Webshop nicht entsprechend optimiert, riskiert Conversion-Verluste - und wird auch noch von Google abgestraft.
Von Thomas Hafen
Seit dem 1. Juli dieses Jahres ist es so weit: Google bewertet mobile Webseiten für sein Ergebnis-Ranking auch danach, wie schnell sie sich laden lassen. Das "Speed Update", das der Suchmaschinenbetreiber im Januar angekündigt hatte, soll allerdings zunächst nur die langsamsten Seiten abstrafen. Der Effekt werde nur einen kleinen Prozentsatz der Anfragen betreffen, heisst es in der Ankündigung.
Für die Geschwindigkeitsbewertung erhebt Google verschiedene Kennzahlen wie "First Contentful Paint" (Zeit bis zur Darstellung des ersten Inhalts), "Speed Index" (Zeit bis zur fertigen Darstellung des sichtbaren Bereichs) und "Time to Interactive" (Zeit, bis ein Nutzer mit einer Webseite interagieren kann) und ermittelt daraus einen Wert für die Ladezeit. Dieser soll nicht mehr als drei Sekunden betragen. "Auswertungen zeigen, dass 53 Prozent aller Webseiten-Aufrufe abgebrochen werden, wenn das Laden einer Seite länger als drei Sekunden dauert", begründet Dominik Wöber, Head of Performance Sales bei Google, die Zahl. Über den Geschwindigkeitstest von Google lässt sich die Performance des eigenen Shops messen und mit der anderen Webseiten vergleichen.
Google Ranking
Für Webshop-Betreiber ist das Google Ranking aber nur ein Grund, auf ein möglichst schnelles Laden ihrer Seiten zu achten. "Eine Verzögerung von nur einer Sekunde beim Laden einer Webseite kann dazu führen, dass bis zu 20 Prozent weniger Conversions erzielt werden", warnt Google-Manager Wöber. Er verweist zudem auf eine Untersuchung des Content-Delivery-Network-Betreibers Akamai: Demnach kehren 79 Prozent der Kunden, die Probleme mit der Webseiten-Performance haben, nicht mehr auf die Seite zurück und kaufen folglich auch nicht mehr dort ein. "Das heisst, der Stellenwert der mobilen Performance ist enorm hoch", so Wöber.
Probleme mit der mobilen Geschwindigkeit wiegen umso schwerer, als immer mehr Nutzer Smartphone und Tablet nicht mehr nur für Information und Kaufvorbereitung einsetzen, sondern direkt über die mobilen Endgeräte einkaufen. Wie der Lösungsanbieter Intelliad in seinem "E-Commerce Branchenindex Q1/2018" ermittelt hat, wird mittlerweile fast die Hälfte der Online-Käufe im Bereich Mode mobil erledigt, bei Büchern sind es immerhin noch mehr als 40 Prozent.
Google veröffentlicht Test der schnellsten Mobile Sites
Google und die "Mobile Marketing Association" (MMA) Germany veröffentlichen regelmässig im "Mobile Speed Leaderboard", wer im mobilen Internet die Nase vorn hat. Im aktuellsten Test vom Juni 2018 wurden 290 Webseiten in 29 verschiedenen Kategorien bewertet. Sieger im Bereich Automobil war Opel. Der Autobauer, der seit 2017 zur französischen Groupe PSA gehört, betreibt zwar keinen Mobile Commerce im engeren Sinne, sieht sich aber als Kaufvorbereiter für die Vertragspartner im Automobilhandel.
Dennoch ist Thomas Külpp, Chief Information Officer bei Opel Automobile, von der Wichtigkeit eines für Mobile optimierten Auftritts überzeugt: "Der erste positive Eindruck der besuchten Website hat grossen Einfluss auf das weitere Informationsverhalten und ein mögliches späteres Kaufverhalten." Für seine Brand-Website hat der Opel-Konzern 2017 ein neues responsives System eingefügt. Es soll über sogenannte Viewports, also den sichtbaren Bereich innerhalb des Browser-Fensters, eine für jeden Kanal optimierte Darstellung garantieren. "Dabei galt der Grundsatz: 'Mobile First'", sagt Külpp. Die grösste Herausforderung liege darin, Seiten-Template und -Komponenten über verschiedene Viewports hinweg nutzbar zu machen. "Das bedarf einer kontinuierlichen Optimierung", weiss der Opel-CIO.
Schnelles Laden mobiler Webseiten
Das schnelle Laden mobiler Webseiten ist aber nur ein Erfolgsfaktor im Mobile Commerce. Auch die Usability muss stimmen. Für Google-Experte Wöber geht es dabei um die Optimierung des gesamten Funnel der Webseite, also die Kanalisierung des Kaufinteresses. Als wichtige Faktoren nennt er die Auffindbarkeit von Informationen und Services, den Bezahlprozess sowie Kundenbindungsmassnahmen.
Gemeinsam mit den Usability-Spezialisten Cxpartners und Fact Digital hat Google unlängst über 460 der am häufigsten besuchten Websites in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika analysiert. Dabei wurde für die Branchen Einzelhandel, Finanzen und Reisen ermittelt, welche mobilen Websites besonders schnell sind und bei welchen Optimierungsbedarf besteht.
Usability-Werte deutscher Seiten
Die getesteten deutschen Seiten gehörten zum Durchschnitt. Sie erreichten Usability-Werte zwischen 65 Prozent (Einzelhandel und Finanzen) und 68 Prozent (Reise) der maximal möglichen Punktzahl. Bestplatzierter Shop im Bereich Einzelhandel war der mobile Webauftritt von Otto.de mit 76 Prozent. Der einstige Katalogversender ist mittlerweile nach Amazon Deutschlands umsatzstärkster E-Commerce-Anbieter. "Das Thema Mobile Commerce spielt eine ganz zentrale Rolle bei uns und wird in den nächsten Jahren sicherlich weiter an Relevanz gewinnen", sagt Olaf Schlüter, Bereichsleiter E-Commerce Produktmanagement & User Experience Design bei Otto.
Laut Schlüter erfolgen bereits 60 Prozent der Visits und 55 Prozent der Käufe auf Otto.de über mobile Endgeräte. Der Hamburger Online-Händler misst kontinuierlich die Performance seines mobilen Webshops und optimiert ihn falls nötig. Zusätzlich zu einem globalen Monitoring prüft jedes Entwicklerteam regelmässig die Performance der von ihm verantworteten Komponenten. Überschreiten die Messwerte definierte Grenzen, wird Alarm ausgelöst. "Dann prüfen wir sofort, woran es liegt", sagt Schlüter. Der Bereichsleiter empfiehlt, schon bei der Entwicklung eines mobilen Webauftritts auf die Performance zu achten, neben der Software aber auch die Server-Infrastruktur nicht aus dem Auge zu verlieren.
Stetige Modernisierung der eingesetzten Hardware
Auch der Zweitplatzierte Bonprix.de investiert kontinuierlich in die Performance seines mobilen Angebots. Anders als viele Mitbewerber setzt er nicht auf ein responsives Design, sondern hat ein eigenes Mobile Frontend entwickelt. Zur Routenoptimierung und für schnelle Downloads kommt das Content Delivery Network von Akamai zum Einsatz. Javascript- und CSS-Komponenten werden konsequent aus dem Quellcode ausgelagert, sichtbare Inhalte priorisiert. "Nicht zuletzt investieren wir auch in die stetige Modernisierung der von uns eingesetzten Hardware", sagt Karsten Uhlig, Bereichsleiter Digital Marketing & Technology bei Bonprix.de.
Das Beispiel Bonprix.de zeigt auch, dass sich mobile Webseiten schon mit relativ einfachen Mitteln beschleunigen lassen. Den grössten Effekt erzielten laut Uhlig die Optimierung der Ladereihenfolge und die Verbesserung der Bildaussteuerung: "Es gibt nicht nur ein Bild in einem Format für alle Endgeräte, sondern jedes Bild wird in genau den richtigen Parametern für jeden Browser und jedes Gerät ausgeliefert." Der Bereichsleiter rät Mobile-Commerce-Anbietern, genau zu überlegen, welche Features aus Kundensicht unbedingt erforderlich sind und auf welche verzichtet werden kann. "Shop-Betreiber sollten sich an die Faustregel 'Weniger ist mehr' halten."