App «SciSwipe»
06.02.2020, 08:53 Uhr
Von komplexen Daten zu einfachen Bildern
Mit ihrer Idee hat die ETH-Doktorandin Mariëlle van Kooten am internationalen Falling Walls Lab in Berlin den zweiten Platz erreicht. Sie entwickelt eine App, die aus komplexen medizinischen Daten einfache Bilder macht.
Mit der App von Mariëlle van Kooten können aus komplexen medizinischen Daten einfache Bilder generiert werden
(Quelle: Gian Marco Castelberg)
Auf der Bühne fühlt sich Mariëlle von Kooten wohl, das wird schon nach den ersten paar Sekunden ihres Auftritts am Falling Walls Lab klar. Sie wirkt selbstsicher und schäkert mit dem Publikum – das passt auch zum Projekt, das sie dort vorstellt. Die ETH-Systembiologin will etwas sexy machen, das eigentlich komplett unsexy ist: die Auswertung von riesigen Mengen komplexer Daten aus der Genetik und der Medizin. Damit will sie helfen, die Früherkennung, Prävention und Behandlung von Krankheiten zu verbessern.
Dazu hat sich van Kooten während ihrer Doktorarbeit in der Forschungsgruppe von Beat Christen an der ETH Zürich eine App namens SciSwipe ausgedacht. Diese macht aus komplexen genetischen Daten einfache Bilder, mit denen auch Laien etwas anfangen können – van Kooten nennt die Bilder «Swipeable Images». Also Bilder, die sich Nutzerinnen und Nutzer beispielsweise auf dem Smartphone anschauen und spielerisch per Wischbewegung kategorisieren können. Nach dem Motto: Yep oder Nep – ganz so wie bei einer Dating-App.
Ihren Ansatz hat van Kooten am 8. November 2019 am Falling Walls Lab in Berlin vorgestellt – ein internationaler Wettbewerb, an dem die Kandidaten ihre Forschungsarbeit einer Jury von Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten erklären, und zwar mit nur zwei Folien in nur drei Minuten. Vor dem Finale in Berlin gab es an 90 Standorten weltweit Vorausscheidungen, in der Schweiz fanden sie an der Startup Night in Winterthur statt. Am Finale waren dann 100 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus 63 Ländern im Rennen. Van Kooten eroberte den zweiten Platz.
Merkmale von Daten einfach darstellen
Jetzt sitzt die 32-jährige Niederländerin an ihrem Pult im Labor auf dem Hönggerberg und kann ihren Erfolg noch gar nicht fassen. «Mir ist nicht klar, wie ich die Jury überzeugt habe», sagt sie. Aber es müsse mit der Relevanz ihrer Idee zu tun haben. Denn wie man sinnvolle und nutzbare Informationen aus riesigen Mengen medizinischer Daten gewinnen kann, ist zurzeit eine der drängendsten Herausforderungen der künftigen, digitalen Medizin.
Dabei setzen Forschende grosse Hoffnungen in künstliche Intelligenz. Diese soll helfen, nützliche Informationen für die Erkennung, Prävention und Behandlung von Erkrankungen aus den Daten herauszufiltern. Doch damit ein solcher Algorithmus lernen kann, aus RNA-Sequenzen Risiken für bestimmte Krankheiten herauszulesen, muss er wissen, wonach er sucht. Und dazu braucht er zunächst eine grosse Menge von Trainingsdaten, die bereits gekennzeichnet sind – also Daten, die eine Art Etikett tragen, das sagt, was an bestimmten Sequenzen besonders ist. Kurz: Die künstliche Intelligenz braucht menschlichen Input, und zwar in rauen Mengen.
«Darum gibt es inzwischen so viele Citizen-Science-Projekte», sagt van Kooten, «und darum bieten IT-Firmen wie Google oder Amazon einen Labeling-Service an, bei dem ihre Mitarbeitenden Daten kategorisieren.» Das gehe aber nur mit Daten, in denen auch Laien etwas erkennen können, erklärt van Kooten. Sollen aber beispielsweise genetische Daten oder Röntgen- und MRI-Bilder kategorisiert werden, funktioniert das nicht mehr.
Autor(in)
Computerworld
Redaktion