Apple, Samsung Huawei & Co. 09.05.2016, 09:54 Uhr

Die Smartphone-Hersteller im grossen Marken-Check

Die Smartphone-Hersteller kämpfen mit immer geringerem Marktwachstum.  Der Check zeigt, welche der grossen Player für die Herausforderungen gerüstet sind.
Es ist wieder Bewegung im Smartphone-­Markt: Vor allem die Marktführer Samsung und Apple kommen unter Druck und müssen Einbussen hinnehmen. Mit Huawei hat sich in den letzten zwei Jahren ein Verfolger profiliert, der beständig an die Spitze strebt. Ausserdem sind die vielen kleinen Hersteller immer mehr eine Konkurrenz für die Platzhirsche.
Auffällig ist auch, dass einige der in Asien grossen Hersteller den Schritt auf den deutschen Markt noch nicht vollzogen haben: Vor allem Xiaomi – immerhin mit über 70 Millionen verkauften Geräten im vergangenen Jahr unter den grössten fünf auf dem Weltmarkt – wagt nur zaghafte Schritte ins Ausland. Zumindest hat mit Coolpad ein weiterer wichtiger chinesischer Anbieter Anfang des Jahres den Start hierzulande gewagt.
Sie alle bewegen sich in einem immer schwierigeren Markt, denn die Zuwächse werden seit dem letzten Jahr geringer, es gibt aber trotzdem noch Wachstum. So umfasst allein der deutsche Markt ein Volumen von 25 bis 30 Millionen Geräten pro Jahr. Die Umsätze steigen laut Bitkom allerdings angesichts sinkender Gerätepreise schwächer als die Stückzahlen: 2016 soll es gerade noch um 0,4 Prozent auf 10,4 Milliarden Euro gehen.

Samsung und Apple im Marken-Check

Gebogene Displays wie hier bei Samsung sind bisher kein „Killer-Feature“
Der Marktführer Samsung konnte nach einem schwierigen Jahresanfang seinen Platz an der Sonne doch wieder klar verteidigen und immerhin 325 Millionen Smartphones­ verkaufen. Vor allem im vierten Quartal war das Wachstum im Jahresvergleich überdurchschnittlich. Auch die deutsche Abteilung liegt – nicht zuletzt dank einer sehr breiten Distribution – gut im Rennen und hält die erste Position.
Als Massnahmen gegen eine drohende Krise haben die Koreaner unter anderem ihr Portfolio gestrafft und die Zahl der Modellreihen in Europa auf vier reduziert. Damit fällt eine Konzentration der Ressourcen im Marketing und der Logistik leichter. Vor allem im Einsteigerbereich ist das auch nötig, denn Samsung spürt die Billiganbieter hier immer stärker und muss preislich mithalten können.
Technologisch sind die Koreaner immer noch Spitze, jedoch fehlt momentan ein Thema, das Samsung von der Konkurrenz abhebt. Auch die über den Rand des Gehäuses gebogenen Displays der Edge-Modelle haben den Verkauf zwar angekurbelt, sind aber kein Feature für den Massenmarkt geworden. Schon bald könnte Samsung aber mit einem faltbaren Bildschirm in diesem Bereich eine echte Innovation bringen.
Einen weiteren Trend greift der Hersteller mit einer Kombina­tion aus Smartphone und VR-Brille auf.
Fazit: Der erfolgsverwöhnte Marktführer muss sich für die Zukunft rüsten und kann nicht nur auf seine Marketing-Power­ und die Strahlkraft der Marke setzen. Es reicht langfristig nicht, wie bei den S7-Modellen Top-Technik zu bieten, und dabei auf grössere Innovationen zu verzichten.

Apple spürt Gegenwind

Das iPhone 6s Plus
Trotz eines – knapp erreichten – Absatzrekords des iPhone mit fast 75 Millionen verkauften Geräten im Weihnachtsquartal spürt die Kultmarke Apple bei Smartphones erstmals Gegenwind: Im ersten Quartal 2016 wurden mit 51 Millionen Stück im Jahresvergleich 16 Prozent weniger Geräte verkauft. Analysten erwarten deshalb einen Einbruch auf 190 bis 205 Millionen Geräte für 2016, nachdem es letztes Jahr etwa 230 Millionen waren.
Als Reaktion hat Apple bereits mit einer Ausweitung des Portfolios nach unten durch das kleinere und etwas günstigere iPhone SE begonnen. Dieses soll vor allem helfen, Märkte wie China, die derzeit aus konjunkturellen Gründen rückläufig sind, wieder besser bedienen zu können.
Der starke Rückgang bei den Tablets, der das iPad betrifft, dürfte Apple vor Augen führen, wie schnell ein Markt kippen kann, was beim iPhone, das immerhin fast 70 Prozent des Unternehmensumsatzes bringt, fatal wäre. Ausser der Apple Watch gibt es noch kein neues Produkt, das einen Einbruch auffangen könnte, und selbst deren Verkaufszahlen nennt Apple noch nicht, was seine Gründe haben dürfte.
Fazit: Langfristig muss Apple mit der nächsten iPhone-Generation das Versprechen immerwährender Innovation vor allem für seine zahlreichen Stammkunden einlösen. CEO Tim Cook steht hier zu­nehmend unter Druck, einen ähnlichen Mut wie der verstorbene Firmengründer Steve Jobs zu beweisen.

Huawei und LG im Marken-Check

Geräte wie das Honor 7 Premium laufen nur in seltenen Fällen über den stationären Handel
Der chinesische TK-Konzern Huawei, der sich 2015 auf dem dritten Platz etablieren konnte, ist der grosse Gewinner bei den Smartphone-Schmieden und schaffte es erstmals, über 100 Millionen Geräte zu verkaufen. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Lenovo oder Xiaomi ist Huawei weniger abhängig vom chinesischen Heimatmarkt, sondern global gut aufgestellt. Auch in Deutschland ist Huawei erfolgreich und will weiter angreifen. Dazu wurde eine breite Vertriebsorganisation mit erfahrenem Personal aufgebaut, die auch den Fachhandel bedient.
Das Markenimage konnte ebenfalls – praktisch aus dem Nichts – zügig aufgebaut werden, so schaffen es die Chinesen etwa auf den 88. Platz im globalen Ranking von Interbrand, in Deutschland liegt die Bekanntheit nach eigenen Angaben bei 68 Prozent.
Technologisch und bei der Qualität der Geräte ist Huawei bereits auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Mit der Produktion eigener Prozessoren und Partnerschaften wie jener mit Leica gehen die Chinesen weiter in die Offensive. Zudem wird das Portfolio mit Smartwatches und 2-in-1-Geräten breit aufgestellt.  
Die zweigleisige Vertriebsstrategie umfasst auch die Marke Honor, die sich auf jüngere Kunden konzentriert, die fast ausschliesslich online bedient werden. So werden Kosten für Vertrieb und Marketing gespart, was allerdings eine Konkurrenz zum stationären Fachhandel darstellt.
Fazit: Huawei hat ein sehr gutes Jahr hinter sich und attackiert weiter die Spitzenreiter. Doch weitere Zugewinne werden nun immer schwerer, wenn nicht massiv in das Markenimage und die Produktpalette investiert wird.
Neue Ideen: LG setzt beim Flaggschiff G5 auf ein umfassendes Zubehörkonzept
LG kämpftt lange um den dritten Platz auf dem weltweiten Markt, doch im letzten Jahr fielen die Koreaner angesichts stagnierender Verkaufszahlen in diesem Rennen zurück. Das selbst gesteckte Ziel von 60 Millionen verkauften Geräten für 2015 wurde nicht ganz erreicht. Während im Einsteigersegment die Konkurrenz durch die China-Hersteller den Druck erhöhte, hatte das Flaggschiff G4 trotz guter Technik und viel Marketingaufwand Probleme gegen die Konkurrenten von Apple und Samsung.
Jetzt soll eine neue Strategie den Nachfolger G5 nach vorne bringen: LG setzt auf modulares Zubehör, das die Funktionen erweitern soll und auch dem Handel mehr Verdienstchancen einräumt. In der Mittelklasse dagegen will man mit den X-Modellen, die jeweils ein Feature von Oberklasse-Geräten mitbringen, aber angesichts schwächerer Hardware preislich günstig bleiben, eine Alternative bieten.
Dazu kommt eine Straffung der Organisation, zu der auch eine neue Europa- und Deutschlandzentrale in der Nähe von Frankfurt gehört. Auch das Personalkarussell drehte sich in den letzten Monaten mehrmals.
Fazit: LG wagt immer wieder Innovatio­nen wie aktuell beim modularen Zubehörkonzept des G5, schafft es aber zu wenig, den deutschen Kunden diese auch zu verkaufen. So wird es auch 2016 schwer, mit den dynamischen Konkurrenten aus China mitzuhalten. 

Lenovo und Sony im Marken-Check

An der Schwelle: Lenovo will 2016 im deutschen Smartphone-Markt mitmischen
Dieses Jahr soll endlich auch die länger erwartete Offensive von Lenovo auf dem deutschen Smartphone-Markt kommen. Das kündigte Lars-Christian Weisswange, der den Bereich in Europa leitet, auf dem MWC an. Neben der 2014 gekauften Marke Motorola, die als „Moto by Lenovo“ für die höherwertigeren Geräte noch weitergeführt wird, wird „Vibe by Lenovo“ im Einsteigersegment angesiedelt. Als Dachmarke soll aber Lenovo gefördert werden, was angesichts der Bekanntheit im PC-Bereich sinnvoll erscheint. Mit welchen Produkten die Offensive hierzulande genau umgesetzt wird, ist aber monentan noch nicht klar.
Offenbar bringt vor allem die schwache Konjunktur auf dem chinesischen Heimatmarkt Lenovo dazu, mehr auf den Export nach Europa zu setzen. Entsprechend erfolgten in den letzten Monaten massive Umstrukturierungen im Mobilfunkbereich, um die Integration der Hardware-Sparte von Motorola umzusetzen.
Fazit: Lenovo macht jetzt wohl endlich Ernst auf den europäischen Märkten und hat viel  Entwicklungspotenzial. Allerdings müssen dazu jetzt auch neue, attraktive Produkte kommen.
Das Sony Xperia M5
Der japanische Hersteller Sony steht am Scheideweg: Konzernchef Kazuo Hirai hat von der Smartphone-Sparte schwarze Zahlen gefordert, sonst droht das Aus. Zu den umfangreichen Restrukturierungsmassnahmen gehört vor allem eine Straffung des Portfolios, das sich mit der neuen X-Serie, die bald auf den Markt kommt, vor allem auf die Mittel- und Oberklasse konzentrieren soll. Dabei soll die Profitabilität vor den Stückzahlen stehen, auf die man sich laut Hirai in der Vergangenheit zu lange konzentriert habe.
Ob die Netzbetreiber allerdings Sony mit dem schmalen Portfolio noch in ihr Programm aufnehmen wollen, ist fraglich. Ausserdem besteht weiter eine Schwäche in wichtigen Märkten wie China, während die Position in Deutschland recht stabil ist. Geringere Stückzahlen bedeuten zudem auch schlechtere Einkaufskonditionen bei den Zulieferern.
Fazit: Mit der „Klein-aber-fein-Strategie“ und den Restrukturierungen könnte Sony tatsächlich die Wende schaffen. Allerdings ist es auch höchste Zeit dafür, denn die Geduld der Konzernspitze wird nicht unendlich sein.

Microsoft und HTC im Marken-Check

Das Microsoft Lumia 650
Auch bei Microsoft steht das Hardware-Geschäft mit Smartphones auf dem Prüfstand. Denn zwei Jahre nach der Übernahme der entsprechenden Sparte von Nokia sind die Marktanteile der Lumia-Geräte noch immer minimal und der Software-Riese weit von der einst angestrebten Führungsrolle entfernt. So wurden im vergangenen Quartal nur 2,3 Millionen Geräte verkauft, 73 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahresquartal. Entsprechend gab es Entlassungen vor allem von Ex-Nokianern und in letzter Zeit deutlich weniger neue Modelle.
Die Strategie von Microsoft ist bisher unbeständig: Wurden die Lumia-Smartphones mit Blick auf die Stückzahlen zunächst zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis mehrheitlich im Low­end-­Bereich platziert, waren die letzten neuen Modelle wieder teurer. Vor allem in der Highend-Klasse fehlt aber ein attraktiver Wettbewerber, denn auch das lange erwartete Surface-Phone lässt weiter auf sich warten. Das könnte noch eine Weile so bleiben: Auf der letzten Entwicklerkonferenz erklärte Windows-Chef Terry Myerson, dass Smartphones dieses Jahr eher eine Nebenrolle spielen würden.
Fazit: Microsoft tritt im Smartphone-Geschäft auf der Stelle. Für einen Fortschritt wären dringend attraktive Modelle nötig, doch diese werden angesichts der Aussagen der Firmenleitung immer unwahrscheinlicher.
Hoffnungsträger: Das neue HTC 10
Bei HTC sind rote Zahlen weiter an der Tagesordnung. Daran konnten auch massive Entlassungen nichts ändern. Deshalb sucht der Hersteller sein Heil in der Flucht in neue Segmente wie VR-Brillen oder Fitness-Accessoires. Wenn das gelingt, könnte das Smartphone-Geschäft weiter an Bedeutung verlieren oder sogar ganz eingestellt werden.
Bis dahin probiert es HTC weiter mit Variationen eines bestehenden Themas, bei dem mit dem nur noch „10“ genannten Modell ein neues Flaggschiff kommt. Ansonsten ist das Portfolio erneut dünner geworden.
Fazit: HTC versucht sich in neuen Geschäftsfeldern, droht aber im Kerngeschäft weiter den Anschluss zu verlieren. Ob die finanziellen und personellen Ressourcen für einen solchen Spagat ausreichen, ist fraglich.

Die Verfolger der grossen Smartphone-Hersteller

Von den ambitionierten Newcomern blicken nicht alle auf ein erfolgreiches Jahr zurück: So hat Kazam den deutschen Vertrieb praktisch eingestellt, und auch das Yotaphone blieb wie das Kyocera-Telefon ein Exot. Etabliert haben sich dagegen Wiko und Phicomm: Die Franzosen sind vor allem im Einsteigerbereich ein ernst zu nehmender Player, während die Chinesen durch eine verstärkte Präsenz im Vertrieb über die Grossfläche auffallen. Ein schwieriges Jahr mit Umstrukturierungen hat dagegen Alcatel hinter sich: Mit neuem Personal und dem Verzicht auf den Namenszusatz „Onetouch“ soll es dieses Jahr in Deutschland wieder vorangehen. Auch ZTE nimmt einen weiteren Anlauf mit durchaus attraktiven Modellen.
Grundsätzlich leiden gerade kleine Hersteller unter dem Problem, dass nach ersten Anfangserfolgen dank aggressivem Pricing eine Ernüchterung einsetzt, wenn expandiert werden soll. Denn ein breit aufgestellter Vertrieb erfordert höhere Investitionen in Marketing und Service, die oft nicht leistbar sind.
Quelle: Eito

Die Computer-Hersteller

Eine breite Marktpräsenz haben eigentlich Computer-Hersteller wie Acer oder Asus, die sich verstärkt im Smartphone-Geschäft versuchen. Auch HP will nach dem gescheiterten Experiment in Form des Kaufs von Palm vor sechs Jahren mit dem Elite X3 wieder mitmischen. Allerdings haben die Traditionsanbieter weiterhin das Problem, dass sie kaum als Smart­phone-Hersteller wahrgenommen werden und jenseits ihrer angestammten IT-Kanäle Schwierigkeiten im Vertrieb haben.
Dabei müssen sie langfristig auch mit Smartphones Erfolg haben, denn das Geschäft mit den Desktops und Notebooks schwächelt seit Jahren. Inzwischen haben auch Acer und HP erkannt, dass sie mit Windows-10-Smartphones für Unternehmenskunden lukrative Nischen am Markt bedienen können. 
Im Markt für Businesskunden bewegt sich als Nischenanbieter inzwischen auch der Mobile-Mail-Pionier BlackBerry mit rund vier Millionen verkauften Geräten im Jahr 2015. Das erste Modell mit An­droid, das Priv, konnte dabei anscheinend keine Wende bringen. Über ein Ende der eigenen Hardware-Produktion wird weiter ­offen gesprochen.




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