Hochschule Coburg
27.09.2021, 17:01 Uhr
Wo Roboter eine Seele haben
Der Coburger Professor Kolja Kühnlenz vermittelt seinen Studierenden in einer Ringvorlesung aktuelle Bedingungen, Trends und kreativen Ideen in Automatisierungstechnik, Robotik und Mensch-Maschine-Interaktion.
Der Riesen-Roboter Gundam wurde in Japan nach einer Figur aus einer Anime-Serie gebaut.
(Quelle: Foto: Bruce Tang/unsplash.com)
Von Natalie Schalk
Ob‘s der 20 Meter grosse Gundam-Roboter ist, der in Tokio Menschen zu einem Einkaufszentrum lockt, die kuschelige Roboterrobbe Paro, die Demenzkranke unterhält, oder der Service-Roboter, der während der Corona-Pandemie Masken verteilt und Flächen desinfiziert: Moderne Ingenieurswissenschaften müssen bei der Entwicklung neuer Systeme kreativ sein und sich dabei mit grossen gesellschaftlichen Themen und ethischen Fragen auseinandersetzen: "Im Berufsalltag wird das Potenzial, neue Ideen entwickeln zu können, immer wichtiger", sagt Professor Dr. Kolja Kühnlenz. Er leitet den Bachelorstudiengang Automatisierungstechnik und Robotik an der Hochschule Coburg, ist fasziniert von den technischen Möglichkeiten – und kennt ihre Grenzen. "Die schönste Technologie nützt keinem, wenn sie nicht akzeptiert wird. Die Menschen müssen bereit sein, Kontrolle an ein technisches System abzugeben."
In Coburg werden die Studierenden deshalb frühzeitig für die Ängste der Menschen und für ethische Fragen sensibilisiert. "Für Ingenieurinnen und Ingenieure ist natürlich erst einmal wichtig, dass sie eine solide Grundausbildung haben, auf die sie zurückgreifen können", sagt Kühnlenz. "Sie müssen sich aber auch der Auswirkungen ihres Handelns bewusst sein." Aus diesem Grund wurde bei der Reform des Bachelor-Studiengangs eine interdisziplinäre Ringvorlesung eingeführt. Gleich im ersten Semester beschäftigen sich die Studierenden beispielsweise mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, mit der Frage nach Autonomie und Kontrolle bei intelligenten Maschinen, die vom Militär eingesetzt werden und mit länderspezifischen Unterschieden – denn ob Robotik gut angenommen wird, ist auch eine Frage der Kultur.
Der Terminator und die Seele
Solche kulturellen Unterschiede waren in der letzten Ringvorlesung Thema von Fabian-Alexander Schipmann. Er verglich Industrie-Zahlen von 2019: Da lagen die USA mit nur neun Prozent Robotern weit zurück, Europa hatte 16 Prozent und die Region Asien-Pazifik 63 Prozent. Der Student fand anhand der Statistiken heraus, dass es nicht nur regionale Unterschiede gibt: "Die Akzeptanz von Robotik steigt in der jüngeren Generation." Lea Koch und Viktoria Lauterbach arbeiteten Trends in Europa heraus: Selbstfahrende Traktoren auf quadratkilometergrossen Feldern können die Menschen sich hier eher vorstellen als Maschinen in der Kinderbetreuung und Pflege. In Japan hingegen liegt der Schwerpunkt bei sozialen Robotern. "Fast 80 Prozent der Pflegeroboter weltweit werden in Japan eingesetzt." Die Gründe dafür, dass die Menschen in Asien anders zu Robotik stehen als in Europa oder Amerika, entdeckten die Studierenden Lukas Ferber und Leonie Schmidt unter anderem im wirtschaftlich-technologischen Aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch in der religiösen Vorstellung des Animismus: "Es ist ein Glaube an die Allbeseeltheit der Natur. Dabei wird nicht zwischen leblosen Objekten und Menschen unterschieden. Alle Dinge haben eine Seele." Das erklärt, warum der durchschnittliche Roboter in japanischer ScienceFiction viel freundlicher ist, als beispielsweise der US-amerikanische Terminator.
Aktuelle Trends in der Mensch-Maschine-Interaktion
"Wir leben in einer zunehmend vernetzten Welt", sagt Professor Kühnlenz. Er geht davon aus, dass sich die länderspezifischen Unterschiede nach und nach angleichen werden. Der interdisziplinäre Ansatz der Ringvorlesung hilft zu verstehen, was Nutzerinnen und Nutzer brauchen, damit sie neuen Technologien vertrauen. "Gleichzeitig sehen die Studierenden: Wo geht es im Bereich Automatisierungstechnik, Robotik und Mensch-Maschine-Interaktion hin, was passiert aktuell in der Welt, was ist möglich?" Und das reicht vom selbstständig arbeitenden Staubsauger im Wohnzimmer bis zum Fertigungs-Roboter, der in der Industrie die schweren Arbeiten übernimmt. Oder auch mal bis hin zu Maschinen, die in japanischen Baseball-Stadien singen und tanzen, um die Spieler anzufeuern, wenn wegen Corona gerade keine Fans kommen dürfen.Bewerbungen an der Hochschule Coburg sind in einigen Studiengängen noch bis Ende September möglich auf www.hs-coburg.de/bewerben. Informationen zu den Studiengängen finden sie hier.