So personalisieren die grössten deutschen Mode-Shops

Das Test-Fazit: Irgendwas passt immer nicht

Aber wie nützlich sind die von den jeweiligen Algorithmen generierten Empfehlungen nun für unsere Shopping-Personas? Fühlen wir uns inspiriert, zum Kauf angeregt? Nach vier Wochen ist unser Fazit vor allem eines: ernüchternd. Denn von den vielen Kriterien, die stimmen müssen, damit ein Produkt in den Warenkorb wandert (Preis, Grösse, Farbe, Stil, Schnitt etc.), passt immer irgendwas einfach nicht. "Daniela" beispielsweise mag Streifenpullover und Kapuzensweatshirts und legt auch nur solche Oberteile in ihre Wunschliste - dennoch schlägt ihr Zalando beharrlich gemusterte Pullis und Tiger-Prints vor. Und dazu noch eine dreiviertellange blaue Pluderhose, die so gar nicht zu den ausschliesslich engen Hosen passen will, die sie bisher gesucht hat.
"Ingrid" wiederum kann eng anliegende Hose überhaupt nicht leiden und sucht in den ganzen vier Wochen in ­allen Shops ausschliesslich nach ausgestellten Hosen und Bootcut-Jeans. Trotzdem schlägt ihr About You beharrlich in allen personalisierten Produktkarussells und auf der Jeans-Kategorieseite ständig Skinny Jeans vor, die noch dazu überwiegend nicht in ihrer Grösse verfügbar sind.
Überhaupt ist die Konfektionsgrösse in der Personalisierungspraxis ein grosses und angesichts der Datenmengen, die wir den Shops freiwillig überlassen haben, für uns unverständliches Problem. So kann sich kaum ein Shop merken, welche Grösse unsere Shopperinnen tragen, sodass "Ingrid" auf jeder Seite erneut nach Grösse 46 oder XL filtern muss. Noch prominenter tritt das Grössenproblem ausgerechnet bei About You zutage: Die Otto-Tochter hat zwar einen durchaus ausgereiften, wenn auch in seiner Ausführlichkeit leicht nervenden Grössenberater, mit dem die vermutlich passende Grösse für jedes einzelne Produkt ermittelt werden kann - aber leider vergisst der Shop in schöner Regelmässigkeit das bereits berechnete Ergebnis, sodass "Ingrid" innerhalb einer einzigen zehnminütigen ­Shopping-Session den Berater geschlagene vier Mal durchklicken muss.

WTF-Momente

Besser gelöst ist das Grössenproblem bei Zalando - zumindest auf Produktebene: Auf der Produktdetailseite schlägt der Shop selbsttätig auf Basis der von der Kundin angegebenen Daten, der Rücksendungen und Bewertungen zum Produkt eine Grösse vor. Dafür vergisst der Shop das Ergebnis sofort wieder, sobald man sich auf einer Kategorieseite befindet - mit dem Ergebnis, dass "Daniela", der gerade bescheinigt wurde, dass sie einen ausgesuchten Pullover am besten in Grösse 38 bestellen sollte, auf der Kategorieseite plötzlich lauter Pullover aus der Rubrik "Grosse Grössen" zu sehen ­bekommt.
Überhaupt sorgen die nicht miteinander verbundenen Produktvorschläge für so manchen WTF-Moment beim Shoppen. Da werden Sommerschläppchen empfohlen, obwohl nach Winterschläppchen gesucht wurde, und Hotpants-Jeanshosen - kurz nachdem wir in der Kategorie Jacken einen gefütterten Parka geliked haben. Und ein Fehler beim Anlegen des ­Accounts (wie im Fall von "Daniela" das unbe­dachte Liken von Marken wie ­Nike oder Adidas) produziert in der ­Folge eine Produktüberblicksseite für Hosen, auf der drei von neun der ersten Plätze mit Jogginghosen und Sportleggins belegt sind, die man gar nicht gesucht hat.

Für bessere Empfehlungen: Ist weniger mehr?

Aus Kundensicht besser funktioniert die Personalisierung ironischerweise ausgerechnet in den Shops, die sich mit dem Thema gefühlt nicht ganz so viel Mühe geben. So zeigt H&M schon nach dem dritten ­Besuch im Reiter "Ausgewählt für Dich" Produkte an, die unseren beiden Shopping-Personas jeweils zusagen.
Nicht nur, dass der H&M-Algorithmus als einziger "Ingrids" Vorliebe für Bootcut-Jeans erkannt hat - "Daniela", die jede Produktüberblicksseite konsequent mit "der teuerste Preis zuerst" sortieren liess, bekommt in ­ihrer Auswahl irgendwann auch deutlich hochpreisigere Produkte angezeigt als ihre Schnäppchen jagende Kollegin.
Ein weiteres Plus: Alle in diesem Reiter vorgestellten Produkte sind in der für die jeweilige Persona passenden Grösse verfügbar. Sicherlich ist das im Vergleich zu Zalando und About You kleinere und homogenere Sortiment von H&M ein Vorteil, der die Personalisierung vereinfacht; aber auch Bonprix präsentiert unseren Personas zwar wenige, aber dafür im Durchschnitt passendere Ergebnisse als die beiden selbst erklärten Marktführer in Sachen Personalisierung.
In allen Fällen gilt aber: Personalisierte Angebote halfen unseren Shopping-Personas nur begrenzt weiter. Klassisches Stöbern und gute Filter führten besser und schneller zum passenden Produkt - offenbar dauert es noch, bis der Algorithmus die Shopper-Seele wirklich verstehen lernt.




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