Digitalisierung von Handelsmodellen: Das optimale Set-up
Sport Scheck setzt auf ein digitales Ökosystem
In einer ähnlichen Position wie Butlers befindet sich auch Sport Scheck. Mit vielen digitalen Pilotprojekten wie Kunden-Tablets für Online-Bestellungen oder ortsbasierten Marketingaktionen auf Basis von Beacon-Technologie zählte das Unternehmen ebenfalls zu den Vorreitern der Handelsdigitalisierung. Doch das liess sich nicht adäquat in zusätzliche Umsätze ummünzen. Gleichzeitig schrieb der zur Otto-Gruppe gehörende Sporthändler zunehmend rote Zahlen, sodass bereits über einen möglichen Verkauf des Unternehmens spekuliert wurde. "In der Frühzeit der Digitalisierung sind viele Ansätze nicht aus einer kundenzentrierten Sicht erfolgt", erklärt dazu Jan Kegelberg, Chief Digital Officer bei Sport Scheck. "Das waren oftmals nur digitale Spielereien, bei denen man inzwischen gesehen hat, dass das aus Kundensicht zu kurz greift. Deshalb haben wir auch Touchscreens und Self Service iPads wieder aus den Läden rausgenommen."
Heute gehe es mehr um die Frage: "Was will der Kunde, welche Digitalprojekte braucht er?" Dazu zählten ganz klar die Online-Anzeige stationärer Verfügbarkeiten und darauf basierend Services wie Click & Collect und Reserve & Collect. Zudem mache es auch Sinn, aus den Filialen auf den Gesamtbestand zugreifen und den Kunden nicht verfügbare Artikel nach Hause liefern zu können. Aktuell teste Sport Scheck die Möglichkeit, dass Kunden mit EC- oder Kreditkarte direkt bei den Beratern bezahlen. "In zehn Filialen haben wir das bereits umgesetzt und wir sehen, dass es als Abschluss eines Beratungsgespräches zu einem sehr positiven Kundenerlebnis führt."
Andere digitale Innovationen wie zum Beispiel die Integration von Augmented und Virtual Reality in die Geschäfte seien weniger für den Kunden als aus Marketingsicht attraktiv. "Das sind Digitalisierungsprojekte, die in erster Linie Investitionen in die Marke sind, aber auch die müssen sich rechnen. Zum Beispiel indem sie mehr Traffic in die Filialen bringen."
Relevanter als solche Gimmicks findet Kegelberg das digitale Ökosystem, das Sport Scheck seit einigen Jahren rund um sein Handelsgeschäft aufbaut. Dazu zählen die 2018 übernommene Online-Plattform Fitfox, die Zugang zu deutschlandweit mehr als tausend Fitness-Studios bietet, die von Sport Scheck veranstalteten Sport-Events, aber auch neue Versicherungs- und Leihservices. Das müsse das Unternehmen nun so zusammenkriegen und erklären, dass es für den Kunden klar als Ökosystem wahrnehmbar werde, so Kegelberg. Insgesamt habe sich bei der Handelsdigitalisierung der Schwerpunkt verschoben: "Früher ging es vordergründig um die Digitalisierung von Prozessen oder um den Onlineshop. Das war einfach. Heute geht es um die Existenzfrage: Was ist unsere Daseinsberechtigung? Warum braucht uns der Kunde? Wie schaffen wir nachhaltig Kundenwert in einer digitalisierten Welt? Das erfordert völlig andere digitale Lösungen." Nach Ansicht des Managers gelinge es Sport Scheck immer besser, das seinen Kunden zu erklären. "Wir haben heute die besten Kundenbewertungen, die wir jemals hatten. Unser Kundenzuwachs im Onlineshop liegt per Mitte Oktober bei zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Daran sehen wir, dass unser Ökosystem Fahrt aufnimmt."
An den Geschäftszahlen sei ebenfalls erkennbar, dass sich die neue Digitalstrategie von Sport Scheck auszahle. Der Gesamtumsatz sei in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres um sechs Prozent gestiegen, das Online-Handelsvolumen sogar um 21 Prozent.
Viele digitale Innovationen sind noch nicht relevant
Was Sport Scheck und Butlers in ihrem Geschäftsalltag erleben, bestätigt auch eine Konsumentenbefragung der Unternehmensberatung PWC. Derzufolge gehörten zu den Aspekten, die bei den Konsumenten die Entscheidung über den Einkauf im Geschäft bestimmten, noch immer vor allem harte Faktoren wie die Erreichbarkeit des Ladens, die Attraktivität des Sortiments und die Anzahl der verfügbaren Parkplätze. Erst bei den sekundären Überlegungen kämen digitale Features wie Online-Verfügbarkeitsanzeigen, Self-Checkout und die Lieferung von Einkäufen nach Hause ins Spiel. Features wie Click & Collect, Instore-Navigation oder eine Händler-App seien dagegen für die meisten Kunden weiterhin lediglich die Sahne auf dem Kuchen, aber nicht kaufentscheidend.
"Digitale Services haben generationenübergreifend für das Einkaufserlebnis noch keine wesentliche Bedeutung", erklärt dazu Christian Wulff, Leiter des Geschäftsbereichs Handel und Konsumgüter Deutschland bei PWC. "Für Menschen unter 30 sind sie jedoch bereits heute höchst relevant: So wollen beispielsweise 43 Prozent der Jüngeren die Produktverfügbarkeit online einsehen können und knapp ein Drittel möchte online sehen, wie voll es im Laden ist, oder Produkte online bestellen und im Anschluss persönlich abholen."