Welche Digitalprojekte braucht man? 07.11.2019, 07:01 Uhr

Digitalisierung von Handelsmodellen: Das optimale Set-up

Nicht zu viele digitale Services, aber auch nicht zu wenige: Zwischen Vorreitern und Nachzüglern bildet sich ein Konsens, wie digital der Handel der Zukunft sein muss.
(Quelle: shutterstock.com/I Donut)
Mit der 2013 gestarteten Video-Beratung hatte die Einrichtungskette Butlers den Nerv der Zeit getroffen: Mitarbeiter in den Filialen sollten Kunden per Webcam beim Online-Kauf von Möbeln beraten. Auf Branchenkongressen und in Fachmagazinen erhielt Butlers für den neuartigen Service viel Lob und wurde als Vorreiter in Sachen Digitalisierung des Handels gefeiert.
Doch für die Geschäftsentwicklung brachte das wenig: Anfang 2017 musste die Einrichtungskette Insolvenz anmelden. "Ich glaube nicht, dass unsere Multichannel-Features der Grund für die Krise waren. Das war, weil wir zwei, drei Jahre falsch eingekauft haben", erklärt Butlers-Geschäftsführer Wilhelm Josten heute - nach der Sanierung des Unternehmens. "Trotzdem beanspruchen wir dieses Vorreitertum in der Digitalisierung inzwischen nicht mehr so sehr."
Damit steht der Einrichtungshändler nicht allein da. Viele ehemalige Vorreiter bei der Modernisierung des Handels haben das Spektrum der angebotenen digitalen Services inzwischen eingedampft. Gleichzeitig hat so mancher Nachzügler, dem noch vor wenigen Jahren der wirtschaftliche Tod prophezeit wurde, sein Handelskonzept mit überschaubarem Aufwand erfolgreich modernisieren können. Es zeigt sich: Bei der Frage, wie digital der Handel werden muss, um auch in Zukunft zu bestehen, hat sich ein Konsens gebildet.

Butlers bietet heute weniger Multichannel

"Wir wollen heute nicht mehr so sehr Vorreiter bei der Digitalisierung des Handels sein": Wilhelm Josten, Gründer und Geschäftsführer Butlers
Quelle: Butlers
Vor allem Butlers-Chef Josten hat sich von einem Anhänger der Handelsdigitalisierung zu einem Vertreter einer stärker differenzierenden Sichtweise gewandelt: "Viele digitale Features tragen sich nicht. Und bei uns geht heute Ertrag vor Umsatz. Das mag von aussen wie eine Rückwärtsbewegung aussehen. Doch selbst ein Amazon und ein Zalando machen heute noch Verluste. Und mit steigenden Kosten zum Beispiel beim Online-Marketing und bei der Logistik wird der Investitionsaufwand für die Digitalisierung immer mehr hochgetrieben."
Dabei unterscheidet Josten klar zwischen kanalübergreifenden Services und dem reinen Online-Geschäft: "E-Commerce als Teil des Multichannel ist heute eine Erwartungshaltung der Kunden. Ich bin nicht mehr der Meinung, dass E-Commerce ökonomisch und ökologisch nachhaltig sämtliche Leistungen anbieten kann, die technologisch oder logistisch möglich wären. Er muss weder mehr Produkte bieten, noch günstigere Preise, noch kostenlosen Versand - sondern sollte langfristig nur die Leistungen anbieten, die sich auch tragen."
Sein Online-Sortiment hat Butlers deshalb gestrafft und auch das Angebot auf Marktplätzen wie Amazon, Wayfair und Otto wurde neu ausgerichtet. Dort stehen jetzt die Eigenmarkenartikel der Einrichtungskette im Mittelpunkt. So könne man sich von vergleichbaren Produkten absetzen und gleichzeitig den Vorteil der bekannten Marke nutzen.
Was die Digitalisierung der stationären Geschäfte betrifft, konzentriert sich Butlers heute auf Services wie Click & Collect, Online-Bestellmöglichkeiten in den Filialen und ein neues Kundenbindungsprogramm. "Mehr ist für unser Geschäft an digitalen Services heute noch nicht ertragreich abbildbar", erklärt Josten. Die Video-Beratung hat Butlers inzwischen wieder eingestellt - weil sich der Händler aus dem Verkauf von Möbeln zurückgezogen hat. "An sich war diese Funktion richtig, wurde von den Kunden genutzt und positiv angenommen", so der Butlers-Chef. Mit dem reduzierten Digital-Set-up geht die wirtschaftlich sanierte Einrichtungskette nun auch wieder in die stationäre Expansion. Zuletzt hat Butlers fünf neue Geschäfte eröffnet, 2020 sollen zehn weitere Läden dazukommen.
Daneben setzt das Unternehmen auch im Filialgeschäft auf ein niedrigschwelligeres Engagement und betreibt eine wachsende Anzahl von Shop-in-Shops bei Händlern wie C&A, Rewe und Galeria Karstadt Kaufhof. "Als Marke haben wir Möglichkeiten, die ein reiner Händler nicht hat, und können on- und offline mit Drittanbietern zusammenarbeiten", so Josten.




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