Mobilität der Zukunft 13.11.2018, 15:39 Uhr

Ohne Chauffeur ans Ziel

Expertinnen und Experten der Hochschule Luzern haben untersucht, wie selbstfahrende Fahrzeuge den Verkehr im ländlichen Raum verändern könnten. Sie werfen einen Blick in eine Zukunft mit vielen Unbekannten.
Ein SmartShuttle von Postauto, unterwegs in Sion
(Quelle: Postauto)
Die Metro 2 in Lausanne fährt seit zehn Jahren ohne Chauffeur. In anderen Städten, etwa in Schaffhausen, Sion oder Fribourg werden selbstfahrende Busse getestet. Aber wie werden diese zukünftig eingesetzt? Holen sie ihre Fahrgäste vor der Haustür ab? Gibt es noch Bahnen oder fahren nur noch selbstfahrende Busse? Roger Sonderegger, Dozent im Bereich Mobilität an der Hochschule Luzern, hat mit seinem Team neue Geschäftsmodelle mit selbstfahrenden Fahrzeugen im ÖV untersucht. Und zwar für den ländlichen Raum, der bisher weniger erforscht wird als die Stadtregionen, der aber Veränderungen nötiger hat, weil viele Überlandlinien defizitär sind und entsprechend stark subventioniert werden.
Im Auftrag des Forschungsfonds der SBB hat Sondereggers Team mit dem Schweizer Forschungs- und Beratungsunternehmen INFRAS und dem deutschen Beratungsunternehmen KCW verschiedene Varianten für den ländlichen Raum berechnet. Um mit konkreten Zahlen in einem bestimmten Gebiet arbeiten zu können, wurde das Tösstal ausgewählt. Es steht stellvertretend für viele Gebiete in der Schweiz.
Selbstfahrende Fahrzeuge, so ein Fazit der Untersuchung, wären günstiger als heutige Systeme, weil im ÖV die Personalkosten den grössten Teil ausmachen. Würden alle heutigen Bahnen und Busse im Tösstal automatisiert betrieben, würde der Kostendeckungsgrad bereits um 50 Prozent steigen. Noch günstiger wäre eine vollständige Umstellung auf selbstfahrende Busse. Sie könnten auch öfter halten und würden damit mehr Passagiere, ohne dass diese umsteigen müssten, an ihr Ziel bringen; das könnte wiederum die Nachfrage steigern.

Ohne Bahn gibt es Stau

Würden die Bahnen abgeschafft und mit achtsitzigen selbstfahrenden Minivans ersetzt, gäbe es allerdings bei der Zufahrt in die grösseren Städte riesige Probleme. Sonderegger spricht von «Stau ohne Ende». Alleine an den heutigen Bahnhöfen bräuchte man Platz für hunderte Kleinbusse. Deshalb bevorzugen die Forscherinnen und Forscher eine Variante, in der die S-Bahn automatisiert betrieben wird. Sie ist zwar teuer in Betrieb und Unterhalt, aber kein Verkehrsmittel kann so viele Fahrgäste befördern wie die Bahn.
An den heutigen Bahnstationen könnten Minivans warten, um die Passagiere weiterzutransportieren, direkt bis vor die Haustür. Die Zahl dieser Minivans würde sich entlang der S-Bahn-Strecke verteilen und überschaubar sein, weil ein Grossteil der Passagiere in einem Umkreis von 750 Metern zum Bahnhof wohnt und zu Fuss gehen könnte, wie die Forscher herausgefunden haben. In dieser Variante kämen die Vorteile des öffentlichen Verkehrs voll zum Tragen: sein vergleichsweise geringer Platzbedarf, seine Effizienz und sein geringer Energieverbrauch.
Sie hätte auch den Vorteil, dass der ländliche Raum nicht weiter zersiedelt würde. Eine Gefahr, die mit selbstfahrenden Privatfahrzeugen steigt. Auch Personen mit eingeschränkter Mobilität oder ohne Führerschein könnten solche Fahrzeuge nutzen. Und jeder «Automobilist» könnte, da er nicht mehr auf den Verkehr achten muss, anderes erledigen. Es wäre also attraktiver als heute, weite Distanzen mit dem Auto zurückzulegen.

Autor(in) Computerworld Redaktion




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