Umwelt-Marketing
24.06.2022, 13:00 Uhr
Werbung mit Begriffen wie "klimaneutral" kann gefährlich werden
Immer mehr Unternehmen stellen bei der Werbung für Produkte den Umweltaspekt heraus. Doch wer mit Öko-Versprechen wirbt, muss diese auch beweisen können. Der Bundesgerichtshof hat dafür strenge Massstäbe vorgegeben.
Kann Wasser bio sein? Der Mineralwasseranbieter Vilsa sagt ja und hebt in seiner Werbung immer wieder die Nachhaltigkeit seiner Produktion hervor. Das Wasser von Vilsa ist auch bio-zertifiziert, was bei einem Lebensmittel, das nicht angebaut und produziert, sondern nur aus dem Boden gepumpt wird, verwundern muss.
Auf seiner Website schreibt der Hersteller aus dem niedersächsischen Bruchhausen-Vilsen: "Beim Bio-Mineralwasser handelt es sich um ein ganzheitliches, konsequentes Konzept, das mit dem Fördern des Mineralwassers beginnt und erst mit dem Abverkauf an den Kunden endet. Im Wesentlichen steht Bio-Mineralwasser für höchste Produktqualität, grösstmögliche Transparenz für den Verbraucher und nachhaltigen Umwelt- und Wasserschutz."
Der Zeitgeist ist Öko
Mit dieser Betonung von Aspekten von Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Unternehmenskommunikation liegt Vilsa voll im Zeitgeist: Öko ist in. Statt einen günstigen Preis oder ein unwiderstehliches Aroma anzupreisen, stellen immer immer mehr Unternehmen eine ausgeglichene CO₂-Bilanz in den Vordergund ihres Marketings.
Doch der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke warnt davor, allzu unbedacht mit Nachhaltigkeitsversprechen zu werben. In einem Blogbeitrag schreibt er: "Der Begriff 'klimaneutral' in der Werbung muss nach Auffassung der Wettbewerbszentrale erläutert werden. Diese Forderung nach mehr Transparenz wird nun durch einige Gerichtsentscheidungen zur Werbung mit 'klimaneutral' bestätigt. Die Urteile fordern transparente Angaben darüber, wie die Klimaneutralität erreicht wird."
Den Takt gab bereits der Bundesgerichtshof vor. Das Gericht sieht ein besonderes Aufklärungsbedürfnis über Bedeutung und Inhalt der in der Werbung verwendeten Begriffe und Zeichen. Wird also in der Werbung nicht oder nicht hinreichend darüber aufgeklärt, dass ein Produkt „klimaneutral“ ist, weil das Unternehmen z.B. CO₂ -Emissions-Zertifikate kauft, so erfüllt die Werbung regelmässig den Irreführungstatbestand und ist damit unzulässig.
Irreführende Werbung ist jedoch ein Verstoss gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wettbewerber, aber auch Marktbeobachter wie die bereits erwähnte Wettbewerbszentrale, können Unternehmen kostenpflichtig abmahnen und zur Unterlassung verpflichten. Auch Klagen vor Gericht sind möglich.
Strenge Vorgaben
Wie streng Gerichte die Informationspflichten von Unternehmen bei der Verwendung von Begriffen wie "klimaneutral", "CO₂-neutral" oder "nachhaltig" auslegen, illustriert Solmecke an einer Entscheidung des Landgerichts Oldenburg. Das Gericht vertrat die Meinung, dass man keineswegs davon ausgehen kann, dass der durchschnittliche Verbraucher den Begriff "klimaneutral" in jedem Fall und ausschliesslich im Sinne einer (durch Kompensation oder Erwerb von CO₂-Zertifikaten) ausgeglichenen CO₂-Bilanz versteht. Denn je nach technischer und/oder naturwissenschaftlicher Vorbildung ist nicht ausgeschlossen, dass ein Verbraucher den genannten Begriff im Sinne nicht vorhandenen oder nicht relevanten CO₂-Ausstosses deutet (etwa bei Einsatz erneuerbarer Energien, Einsatz eines CO₂-Filters o.ä.).
Eine Werbung mit Umweltaussagen kann also mehrdeutig verstanden werden und deshalb treffen die Unternehmen hier besondere Informationspflichten, um die Verbraucher transparent über das Zustandekommen der Klimaneutralität aufzuklären (Az. 15 O 1469/21).
Die EU arbeitet bereits an einem Leitfaden zur Vereinheitichung von Öko-Werbeaussagen. Dieser Leitfaden, so Solmecke, sei Teil des von der EU-Kommission proklamierten "Green Deal".
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