Internationalisierung
09.12.2015, 07:25 Uhr
Webshops: Expansion in die Alpenländer
Shops, die mit einer Expansion ins Ausland liebäugeln, wagen oftmals zuerst den Schritt nach Österreich und in die Schweiz. Aus gutem Grund, wie die Erfahrung zeigt.
(Quelle: shutterstock.com / Natali Glado)
Rund 2.140 Euro gibt ein durchschnittlicher österreichischer Online-Shopper im Jahr aus, sein Schweizer Nachbar immerhin noch 1.750 Euro. Zum Vergleich: Deutsche lassen etwa 1.350 Euro pro Jahr in Webshops, so die Studie "Global B2C-Ecommerce" des Marktforschers Ecommerce Europe. Kein Wunder also, dass die beiden Nachbarstaaten bei deutschen Händlern ganz oben auf der Länderliste stehen, wenn sie ausländische Märkte erobern möchten.
Die niedrigsten Markteintrittshürden hat Österreich: Als EU-Staat ähnelt das Rechtssystem dem Deutschlands, auch die Unterschiede in Sprache und Kultur sind nicht so gravierend. Ausserdem sind es die Online-Shopper in Österreich gewohnt, in deutschen Shops einzukaufen. 88 der 250 umsatzstärksten Webshops in Österreich stammen aus Deutschland, so die EHI-Studie "E-Commerce-Markt Österreich/Schweiz 2015".
Deswegen verzichten viele deutsche Händler auf aufwendige Anpassungen für den österreichischen Markt. Bei Mymüsli beispielsweise ist der Shop für Deutschland und Österreich identisch. "Natürlich muss der Shop beiden Rechtssystemen Rechnung tragen und er muss auch in beiden Sprachräumen funktionieren, aber die sind ja wirklich fast identisch", sagt Max Wittrock, Gründer und Geschäftsführer von Mymüsli. Es gebe zwar Unterschiede zwischen den beiden Ländern, "entscheidend für den Erfolg eines Shops sind die aus meiner Sicht aber nicht", so Wittrock. Seit 2007, also nur wenige Monate nach dem Start in Deutschland, verkauft das in Passau ansässige Unternehmen auch nach Österreich.
"Deutsche Preise sind sehr attraktiv"
Windeln.de bedient den österreichischen Markt ebenfalls über seinen deutschen Shop: Windeln.at verlinkt auf Windeln.de. "Kunden aus Österreich können bei uns bestellen und werden direkt aus Deutschland beliefert. Wir sehen, dass das deutsche Sortiment und vor allem auch die günstigen deutschen Preise für unsere österreichischen Kunden sehr attraktiv sind", hebt Alexander Brand, Geschäftsführer von Windeln.de hervor.
Der Online-Optiker Mister Spex hat den österreichischen Markt seit 2013 gezielt im Fokus. Doch einen eigenen Shop für das Nachbarland betreibt auch Mister Spex nicht. Stattdessen erfasst das Berliner Unternehmen automatisch den Zugriffsort des Nutzers und spielt die an den lokalen Sprachgebrauch angepassten Texte und Inhalte aus. Auch die Zahlarten werden angeglichen. Für Kunden jenseits der Grenze steht neben Kreditkarten, Paypal und Rechnungskauf auch eine Nachnahmezahlung zur Verfügung.
Mister Spex ist sehr zufrieden mit der Marktentwicklung in Österreich. "Der österreichische Kunde gibt beim Online-Kauf mehr Geld aus als der deutsche Kunde", freut sich Lau Vesterdal, Head of International bei Mister Spex. Um an das Geld heranzukommen, ist "die Zahlart ‚Kauf auf Rechnung‘ aber ein absolutes Must-have in Österreich", so seine Erfahrung.
Schweiz ist komplexer
Ganz so leicht wie der österreichische ist der Schweizer Markt nicht zu erobern. Zum einen gelten in der Schweiz als Nicht-EU-Land andere Rechtsvorschriften, dazu kommen Zölle und Steuern, was die Logistik erschwert. Zum anderen werden in der Schweiz drei Sprachen gesprochen und selbst beim deutschen Sprachgebrauch gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede. Deswegen sehen die Konzepte für die Schweiz anders aus.
Windeln.de ist 2013 mit dem Schweizer Shop Windeln.ch online gegangen. Er entspricht im Design und in der Produktauswahl im Wesentlichen dem deutschen Shop. Einige Sortimente, etwa Milch- und Babynahrung, wurden durch landesspezifische Produkte ergänzt. Auch die Schreibweise wurde angepasst: Eszett ("ss") wurde durch Doppel-s ersetzt, Begriffe wie Schnuller durch die landestypischen Ausdrücke Nuscheli und Nuggi. Windeln.de hat für die Schweiz eine eigene Tochtergesellschaft, die Windeln.ch AG, gegründet. Unter ihrem Dach sind auch die 2014 übernommenen Firmen Kindertraum.ch und Toys.ch angesiedelt.
Zoll als Stolperstein
Stolperstein war auch für Windeln.de die Zollabwicklung: "Dieser Prozess ist - wenn auch inzwischen automatisiert – immer noch aufwendig. Für jeden unserer inzwischen rund 50.000 Artikel müssen zollspezifische Daten wie Ursprungsland, Zolltarifnummern, Gewichte etc. eingepflegt werden", erklärt Brand. Der Kunde merkt davon jedoch nichts, die Zölle und die höheren Transportkosten sind laut Brand bereits im Verkaufspreis abgebildet.
Auch für Mister Spex lag eine der grössten Hürden in der Zollabwicklung, zumal dies Auswirkungen auf die Liefergeschwindigkeit hatte. Mittlerweile arbeitet das Unternehmen mit Agenturen zusammen, die auf die Zollabwicklung spezialisiert sind. Die Kosten preist der Online-Optiker ein: "Der Zoll und die Versteuerung der Waren führen dazu, dass das Preisniveau in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland höher ist", so Vesterdal.
Spreadshirt hat sich ebenfalls nach entsprechenden Partnern umgesehen - allerdings ohne Ergebnis. "Die Suche nach einem Service, der die Zollabwicklung für Spreadshirt übernimmt und dabei preislich tragbar ist, blieb erfolglos", bedauert Junior Project Manager Christoph Helbig. "Unsere Kunden müssen Zölle gegebenenfalls selbst tragen und werden dementsprechend darüber informiert."
Eine zweite grosse Herausforderung bei der Expansion in die Schweiz stellt die Mehrsprachigkeit dar.
Eine zweite grosse Herausforderung bei der Expansion in die Schweiz stellt die Mehrsprachigkeit dar.
So konzentrieren sich Mymüsli und Mister Spex auf die deutschsprachige Kundschaft in der Schweiz, weitere Sprachen werden nicht angeboten. Mister Spex plant allerdings, im kommenden Jahr eine zweisprachige Website aufzubauen. Spreadshirt setzt für die deutschsprachigen Schweizer auf eine einheitliche Sprachvariante für den gesamten DACH-Raum. Daneben ist die Seite auf Französisch und Italienisch verfügbar - das Unternehmen betreibt auch Shops in Frankreich und Italien.
Kosten-Nutzen-Abwägung
"Natürlich hätten Kunden beispielsweise in der Schweiz gerne, dass sie landestypisch angesprochen werden. Dennoch gilt es, sehr genau Aufwand und Nutzen gegeneinander abzuwägen", betont Katja Felke, Head of E-Commerce beim Handy-Accessoires-Shop The Kase. Denn die Marktgrösse von Österreich und der Schweiz ist nichtsdestotrotz überschaubar. Der Aufwand für die Lokalisierung muss im Verhältnis stehen. The Kase ist in 16 Ländern mit Online-Shops vertreten, darunter die Philippinen, Saudi-Arabien, Honkong und Singapur. Hinzu kommen 150 Ladenfilialen weltweit. Für Österreich und die Schweiz befinden sich die Online-Shops derzeit im Aufbau.
The Kase geht bei der Internationalisierung nach einer Checkliste (siehe links)vor, auf der die Punkte festgehalten sind, die es zu klären gilt. So weist Felke beispielsweise auf die Frage nach der Eignung des Shop-Systems hin: Sollen mehrere Länder über ein einheitliches Shop-System abgebildet werden, ist die Mehrsprachenfähigkeit Grundvoraussetzung. Ausserdem muss das System beim Rechtemanagement, der Anpassung der Produktkataloge, der Kundendatenbanken oder der Marketingaktiväten flexibel sein. Bei The Kase fiel die Wahl 2013 auf Demandware.
Für Felke ist die Zusammenarbeit mit Partnern im Land sehr wichtig. Deswegen baut das Unternehmen auf Franchise-Nehmer, die sich vor Ort auskennen. Das erleichtert auch das lokale Marketing - denn damit die ausländischen Kunden ihr Geld auch wirklich bei deutschen Händlern lassen, ist ein Mindestmass an Marketing im Regelfall Pflicht.