Gerangel um Platz eins
02.04.2019, 12:07 Uhr
Voice Search: Wenn Alexa auf Amazon sucht
SEO auf Amazon ist ohnehin schon kompliziert. Sollte sich der Einkauf per Sprache durchsetzen, würde es noch einmal schwieriger werden. Eine Analyse, was sich dann ändern könnte.
Der Marktplatz Amazon strapaziert gerade wieder die Nerven seiner Verkäufer. Derzeit kursieren Bilder, die zeigen, mit welchen Methoden der E-Commerce-Riese seine Eigenmarken pusht. Belegt ist der Fall, wonach ein User aus den USA nach einem Nahrungsergänzungsmittel sucht. Als Ergebnis erhält er ganz oben im Ranking eine bezahlte Anzeige der gesuchten Marke. Er klickt darauf und landet auf der Produktseite. Über die legt sich dann allerdings ein Layer, der auf eine viel günstigere Amazon-Eigenmarke verweist ...
Amazon, so die Mutmassung, lässt seine Kunden erst für eine Top-Platzierung im Ranking bezahlen und nutzt dann deren Vorarbeit, um gezielt die eigenen Marken anzupreisen, nach dem Motto: "Similar item, lower price". Man kann dies höchst clever nennen - oder aber auch als höchst aggressives Vorgehen bezeichnen.
Ab Platz zwei verlieren Produkte an Umsatz
Dabei könnte das aktuelle Gerangel um die vorderen Plätze im Ranking bei Amazon noch ein laues Lüftchen sein - verglichen mit dem, was da bald kommen wird. Denn nicht wenige Experten rechnen damit, dass das SEO erst richtig turbulent wird, wenn immer mehr Menschen über Sprachassistenzsysteme wie Alexa auf Amazon nach Produkten stöbern. Wenn sie also mündlich suchen und eine gesprochene Antwort erhalten. Denn ein User, dem die Ergebnisse seiner Suche vorgelesen werden, wird nicht mehr als drei Empfehlungen erhalten wollen - mehr wird er sich kaum merken können. Und dann zählt im Grunde nur noch der erste Platz. "Ziel für Voice Search muss es sein, dass man bei relevanten Suchanfragen auf Position eins rankt", bestätigt Daniel Braun, SEO Consultant bei Xpose360, Augsburg. "Ab Platz zwei werden Produkte an Umsatz verlieren."
"Mittelfristig wird Voice Search einen gewaltigen Impact auf Amazon-SEO haben“, meint auch Marcel Hollerbach, CMO bei dem Technologie-Anbieter Productsup, Berlin. "Für Werbungtreibende ist dies eine enorme Herausforderung, weil bei Voice nur ein Produkt ‚first choice‘ sein kann. Nach welchen Kriterien dies ausgespielt wird, ist jedoch völlig unklar." Noch steht der Markt erst ganz am Anfang. Nur etwa ein Drittel nutzt immer mal wieder Sprachassistenten. Allerdings werden es täglich mehr. Und von denen, die mit Alexa, Google Assistant oder Siri schon recht routiniert umgehen, können sich viele vorstellen, schon bald auch mündlich Bücher, Kleidung und Kosmetika zu bestellen. "Aktuell spielt Voice Commerce noch keine besondere Rolle für Amazon", so Hollerbach. "Doch das wird sich ändern."
Voice Search interessant für Wiederbesteller
Experten rechnen damit, dass sich der Übergang schleichend vollziehen wird. Erst werden nur wenige Trendsetter über Alexa bei Amazon suchen und bestellen. Und es werden nur bestimmte Produkte sein, die auf diese Art geordert werden. "Voice Search wird in bestimmten Kategorien wie bei niedrigpreisigen Produkten, bei Verbrauchsgütern, standardisierten Produkten und für Wiederbestellungen bereits bekannter Produkte eine bedeutende Zukunft haben", meint Mehmed Saral, Inhaber der Agentur Marktplatzoptimierer, Liederbach. "Also letztendlich für alle Produktarten, bei denen der Kunde mehr oder weniger schon weiss, was bestellt werden soll."
Voice wird damit im ersten Schritt die Amazon-Dash-Buttons ablösen, deren Ende ohnehin vom Konzern soeben beschlossen wurde. Über die Buttons konnten User mit einem Fingertipp Fast Moving Consumer Goods (FMCG) wie Waschmittel, Windeln, Kaffee oder Kosmetik schnell und unkompliziert nachordern.
Keyword-Pflege so wichtig wie nie
Was aber ist mit den Produkten, die nicht tagtäglich bestellt werden, über die sich die Konsumenten auf Amazon erst informieren wollen? Hier wird die Keyword-Pflege wichtiger denn je. "Ich kann mir vorstellen, dass es noch wichtiger wird, präzise und wortgenaue Informationen im Listing zu liefern", sagt David Schmidbauer, CEO der DBS Solutions GmbH, Regensburg. "Die schwierigste Herausforderung wird es werden, Long-Tail Keywords, also mehrkettige Suchbegriffe, so zu verwenden, wie die Nutzer sprechen, beziehungsweise so, wie die Nutzer per gesprochener Suchanfrage suchen."
Wer im Voice Search Ranking oben landen will, muss sich also ganz tief in den User hineinversetzen. Er muss antizipieren, mit welchen Wörtern dieser nach dem Produkt suchen könnte. Und er muss mit einer falschen Aussprache rechnen. "Spannend wird sein, welche Worte die Spracherkennung erkennt und was sie aus den nicht korrekt erkannten Wörtern macht", sagt Marcel Pirlich, CEO der Bidmanagement GmbH, Berlin. "Letztere wären dann analog zu den Vertippern und sollten in den Kampagnen berücksichtigt werden."
Long-Tail-Suchanfragen sind mündlich einfacher
Das Amazon SEO steht also mit dem Spracheinkauf vor einer Zäsur. Es wird deutlich komplizierter werden. Andererseits aber besteht darin auch eine Chance. Denn Suchen, für die beispielsweise mühsam mehrere Keywords ins Smartphone eingetippt werden müssen, werden einfacher, wenn man sie diktieren kann. Voice Search könnte also Long-Tail-Suchanfragen vereinfachen. "Je mehr Konsumenten mit Voice-Search-Devices arbeiten, desto mehr könnte langfristig auch das Suchvolumen im Long-Tail-Bereich steigen, wodurch wiederum Voice Search an Relevanz gewinnen könnte", meint Frank Rauchfuss, CEO des Technologieunternehmens Intelli Ad Media GmbH, München. "Voice Search wirkt sich also auf die Keywords aus, die sich dem Sprachverhalten entsprechend ändern werden."
Performance-Marketer müssen für ihr Amazon-SEO also zweigleisig fahren: für die getippte und für die gesprochene Suche. Diese Differenzierung zwischen händischer und sprachlicher Nutzereingabe führt zu einer grösseren Keyword-Vielfalt - und zu einem intensiveren Wettbewerb, auch durch Amazon selbst. Saral: "Ich gehe davon aus, dass Amazon Voice Search nutzen wird, um seine eigenen Brands stärker zu platzieren."