Inhouse oder Extern 05.09.2015, 07:25 Uhr

Technische Umsetzung bei Online-Shops: Mit oder ohne Agentur?

Die Frage beschäftigt viele Online-Shops: Soll die technische Umsetzung inhouse ­erfolgen oder ist es doch besser, eine Agentur damit zu beauftragen?
(Quelle: Shutterstock.com/TATSIANAMA)
Wer einen Online-Shop neu aufbaut, diesen internationalisiert oder auf ein neues Shop-System migriert, steht vor der Frage: Soll der Shop hausintern entwickelt oder soll eine Agentur beauftragt werden? Welcher Weg der Richtige ist, hängt stark von der Situation und dem Umfeld des jeweiligen Shops ab. Insbesondere für Unternehmen mit grossem internem Know-how und ordentlichen finanziellen Ressourcen sind Inhouse-Lösungen interessant. Doch auch wer sich für ­eine Zusammenarbeit mit einer Agentur entscheidet, muss nicht alles aus der Hand geben: Es können auch einzelne ­Teilschritte wie beispielsweise die Konzeption, die Umsetzung oder das Design sein.
Diese Vielfalt der Möglichkeiten zeigt sich auch bei einem Blick auf die prämierten Preisträger des diesjährigen INTERNET WORLD Business Shop-Award: Von den erstplatzierten Shops verfolgen drei von sieben (42,9 Prozent) einen inhouse entwickelten Ansatz. Von den weiteren Gewinnern (inklusive der Zweit- und Drittplatzierten) setzen knapp 30 Prozent auf die Hilfe von Agenturen. Die restlichen Händler haben sich für eine Kombination aus eigenen Fachkräften und externem Know-how entschieden.
Insgesamt hatten sich 442 Händler in sieben Kategorien für den INTERNET WORLD Business Shop-Award beworben, 21 von ihnen wurden Ende März 2015 mit einem Preis ausgezeichnet.

Agentur-Ranking des BVDW

Wer sich einen Überblick über die Landschaft der Webagenturen verschaffen möchte, sollte einen Blick auf das Internet-Agentur-Ranking des Bundesverbands ­Digitale Wirtschaft (BVDW) werfen.
In dieser Übersicht werden jährlich die erfolgreichsten Branchengrössen nach Rang und Umsatz aufgelistet. Dafür werden die Honorarumsätze der grössten Fullservice-Internet-Agenturen in Deutschland miteinander verglichen. Demnach erwirtschaftete die Branche in Deutschland 2014 insgesamt 1,218 Milliarden Euro, wobei ein Drittel des Gesamtumsatzes allein auf die zehn umsatzstärksten Agenturen entfällt. Insgesamt sind in dem Verzeichnis derzeit 231 Webagenturen aufgelistet.
Eine von ihnen ist die Hamburger Agentur Netshops. Sie hat für Just-t.de die technische Umsetzung der Website übernommen. Der Online-Teehändler siegte beim INTERNET WORLD Business Shop-Award in der Kategorie "Beste Produktpräsentation". Marie Clérisse-Wetzel, bei Just-t.de als Business Development Managerin tätig, nennt die Gründe für das Hinzuziehen einer Agentur: "Wir haben eine kleine Struktur, sind knapp 40 Leute und E-Commerce war für uns neu. Deswegen hatten wir einfach keine ausreichende Kompetenz im Haus."
Nach Konsultation des E-Commerce-Beratungsunternehmens Shoplupe wurde eine Agentur gewählt. Dafür wurden vom Management des digitalen Teemarktplatzes drei Kriterien benannt, die vom zukünftigen Partner erfüllt werden sollten: Entscheidend war die örtliche Nähe zum Firmensitz in Hamburg. Ein zweites Kriterium war die Erfahrung mit dem Shop-System Shopware. Und ein weiteres Argument sei für Just-t.de letzten Endes natürlich auch der Preis gewesen, berichtet die Online-Managerin.
Obwohl die Auslagerung einiger Kernkompetenzen an eine Agentur Vorteile mit sich bringt, entstehen auch Nachteile. Während bei einer Inhouse-Lösung der Verantwortliche direkt im Haus sitzt, ist bei einer Ausgliederung die Abhängigkeit von fremden Kapazitäten gross. Shops, die stetig neue Ideen einbinden oder Updates durchführen möchten, müssen sich oft mit Warteschleifen abfinden. Ein weiterer Nachteil: "Man zahlt für die kleinen Änderungen im Vergleich zum Gesamtpreis ­eines Shops überproportional viel", findet Clérisse-Wetzel.
Aufgrund dieser Abhängigkeit und der hohen Kosten kann es für Online-Händler durchaus reizvoll sein, sich nicht vollständig auf einen externen Partner zu verlassen. In einem solchen Fall werden hauptsächlich die eigenen Kompetenzen ­genutzt und diese punktuell durch externe Leistungen ergänzt. Ist zum Beispiel bereits ein Experte im Suchmaschinenmarketing vorhanden, ist es nicht notwendig, im Bereich SEO noch zusätzlich Hilfe zu holen. Generell gilt: Mit jeder Person, die am Weiterentwicklungsprozess eines Produkts beteiligt ist, kommt eine zusätzliche Variable ins Spiel. Am besten ist es, die Interessen dieses Teammitglieds und seine möglichen Verhaltensmuster bereits im Voraus zu berücksichtigen. Auf diese ­Weise können Risiken oder Unstimmigkeiten noch vor dem Projektbeginn mit­einander besprochen werden.

Die Mischung macht’s

Auf eine Verknüpfung von internem Fachwissen und externem Know-how setzt der Sportstrumpfhersteller CEP aus dem oberfränkischen Bayreuth. Sein Online-Shop holte beim Shop-Award die Siegertrophäe in der Kategorie "Bester Markenshop". Das Unternehmen hat sich vor ­allem wegen der internen Struktur des Sportstrumpf-Shops und den durch die bisherige Arbeit erlangten Kenntnissen für einen kombinierten Ansatz entschieden, erklärt Philipp Hausser, Manager für die Bereiche Online und E-Commerce bei CEP Sports. Es gebe bereits eine starke ­interne IT, die sich um die Server-Betreuung, die Anbindung und die Schnittstellen im System kümmert. Der gewählte Partner, die Berliner Agentur Votum, sei unter anderem für die Programmierung, das Design und die Umsetzung zuständig, so Hausser. Auf diese Weise kann fehlendes Know-how zugekauft werden, der Online-Händler kann eigene Personalressourcen einsparen oder anderweitig nutzen.
Wer hingegen alle Kompetenzen an eine Agentur auslagert, läuft Gefahr, dass die eigenen Erfahrungen ungenützt bleiben. So weiss der Shop-Betreiber im Gegensatz zu einer externen Agentur sehr gut, wo­rauf seine Kunden achten. Dabei geht es beispielsweise um das Kaufverhalten der ­Nutzer oder die Wirkung von Farben oder Bildern. Externe Dienstleister können ­ihre Trümpfe auf anderen Gebieten ausspielen, erklärt Hausser: "Das reicht von der richtigen Umsetzung von responsiven Elementen bis zum Umgang mit der Customer Journey." Die höheren Kosten seien allerdings ein Nachteil beim gemischten Ansatz, meint der Online-Manager. Für junge Shops, die auf der Suche nach der ­passenden Agentur sind, hat Hausser ­einige Tipps: "Optimal wäre es, wenn die Agentur bereits Erfahrungen in der Branche oder dem Wirtschaftsgebiet gesammelt hat - das heisst, ob die Agentur bereits mit Marken-Shops oder einer internen IT zusammengearbeitet hat."
Ein Sonderfall ist Badandbold.com, beim diesjährigen INTERNET WORLD Business Shop-Award Dritter in der Kategorie "Bester Online-Pure-Player". Der Shop für Motorradfahrerbekleidung hat sich das Agenturwissen quasi ins Haus ­geholt: Matthias Berger ist einerseits Gesellschafter bei Badandbold.com und andererseits Geschäftsführer bei der Agentur Berger Baader Hermes: ein Modell, das ­einer Inhouse-Lösung sehr nahe kommt. Der einzige Input, der zusätzlich von ­aussen kam, ist das IT-Wissen: "Über einen freien Programmierer wurde die Entwicklung und Anpassung der Shop-Software Magento hinzugekauft." Vom Facebook-Community-Management über die Vermarktung der Website bis hin zur grafischen Umsetzung liegen alle anderen ­Arbeitsprozesse in der Hand von Badandbold.com selbst.
Berger und seine Frau haben sich für ihren Biker-Fashion-Store bewusst für einen freien Mitarbeiter entschieden, auch wenn dies Gefahren berge: "Bei Freien gibt es immer das Problem der Verlässlichkeit, der Zuverlässigkeit und der Erreichbarkeit. Dementsprechend muss man Vertrauen haben, wenn man diesen Weg ­gehen möchte", so Matthias Berger.
Besondere Aufmerksamkeit sollten ­Online-Händler zudem ihrem Sortiment schenken, eine Aufgabe, die nach Meinung von Berger auf jeden Fall intern ­gelöst werden sollte. Artikelbeschreibungen, Abbildungen, Suchmaschinenoptimierung, Landing Pages und die Entwicklung von Kategoriensystemen - zusammen das Kerngeschäft eines E-Commerce-Start-ups - sollten nicht an Aussenstehende ­abgegeben werden, so Berger.
Um die optimale technische Umsetzung für einen Shop zu finden - egal, ob mit oder ohne Agentur - sind für Berger zwei Faktoren entscheidend: "Das erste Krite­rium ist sicherlich, dass ein Grund­verständnis für die Funktionsweise des ­E-Commerce vorhanden ist. Ein zweites Kriterium ist die klare Positionierung des Shops." Dabei gehe es darum, seine eigene Nische zu finden und auch seine Produkte und Ziele zu kennen. Im Fokus könnte ­etwa die Frage stehen, ob man sich als Anbieter hochwertiger Waren positioniert oder doch mehr auf Masse und Preis setzt.

Drohende Betriebsblindheit

Für eine weitere Variante hat sich der Verpackungsspezialist Rajapack entschieden, Shop-Award-Sieger in der Kategorie "Bester B2B-Shop". Das Unternehmen hat sich bei der technischen Umsetzung auf die ­eigenen Fähigkeiten gestützt und sich - grösstenteils - auf eine Inhouse-Lösung verlassen. Evgenij Pisetsky, Manager ­Online-Marketing und E-Commerce bei Rajapack, erläutert die Vorteile dieses Vorgehens: "Unsere Designer kümmern sich nur um unsere Belange, sie sind selbst ein Teil von Rajapack und kennen sich mit ­unseren Produkten, Funktionen, unseren Anforderungen, aber auch mit unserer Philosophie aus. Das Verständnis für die notwendigen Massnahmen und Arbeitsabläufe ist somit da und muss nicht laufend neu erklärt werden." 
Eine Schwierigkeit, die bei einer solchen ­Inhouse-Umsetzung auftreten kann, ist laut Pisetsky die Betriebsblindheit. Es ent­wickle sich eine Routine und man benö­tige zunehmend Impulse, um neue krea­tive Anreize zu schaffen. Zur Bewältigung ­dieses Problems greift der Online-Händler auf Ideengeber zurück, die nicht aus dem eigenen Unternehmen kommen.
Die Entscheidung gegen eine externe Lösung verteidigt der Online-Manager: "Eine Agentur hätte für uns beim Design keinen Mehrwert gebracht. Darüber ­hinaus ist es langfristig gesehen natürlich auch kosteneffizienter."  



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