Kampf im Online-Handel 29.05.2018, 16:35 Uhr

So können Händler erfolgreich gegen Amazon bestehen

Wer im E-Commerce erfolgreich sein will, kommt an Amazon nicht vorbei. Dieser Ansicht sind viele Webshop-Betreiber. Wie man auch ohne den Marktplatz-Riesen erfolreich im Online-Handel agieren kann, erklärt Alexander Wesselmann von Quisma.
(Quelle: shutterstock.com/William Potter)
Von Alexander Wesselmann, Unit Director Strategy, Data-Analytics und SEO bei Quisma

"An Amazon kommst du nicht vorbei". Ein Satz den man immer häufiger hört, möchte man im Internet Produkte verkaufen. Und es stimmt ja: Die Marktmacht des Multis wächst, immer mehr User setzen Amazon gleich mit gutem Service und guten Preisen - und das mittlerweile annähernd branchenübergreifend. Das Ergebnis: Einer Studie der IFH Köln zufolge fliesst knapp jeder zweite Euro vom Umsatz des deutschen Online-Handels Amazon zu (IFH Köln: "Amazonisierung des Konsums", Köln 2018).
Ein zentraler Erfolgsfaktor des Internet-Riesen: Amazon verfügt über ein Wissen, das im Gegensatz zu den Datenschätzen "normalsterblicher" Online-Händler an Zauberei grenzt. Eigentlich ist Amazon Gandalf. Doch wie Gandalf kann man Amazon nicht in die Karten schauen. Und die Beweggründe, die es für diese Entscheidung, jenes Ranking oder die ein oder andere Buy-Box gibt, werden wohl in den seltensten Fällen klar - Zauberer eben.
Vom Wegzaubern und Zerteilen der Margen ganz zu schweigen. Dass man "an etwas nicht vorbei kommt", bedeutet aber in erster Linie einmal, dass man sich damit auseinander setzen muss. Und das trifft auf Amazon eindeutig zu. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung können allerdings abhängig von den eigenen Zielen vielfältig sein.

Händler müssen sich im Dropshipping-Birkenstock-Spektrum positionieren

Hat man kurzfristige Umsatzziele, wäre man sicherlich schlecht beraten, die enorme Reichweite von Amazon ausser Acht zu lassen. Ist das Hauptziel die qualitätsorientierte Positionierung des eigenen Markenprodukts, sieht die Welt vielleicht ein wenig anders aus. Nennen wir es das "Dropshipping-Birkenstock-Spektrum".
Beim Dropshipping wird die Ware (etwa ein aufblasbares Einhorn) eines Verkäufers direkt vom Hersteller (etwa aus China) bei einem Grosshändler (zum Beispiel Amazon) gelagert und auch direkt von ihm an den Kunden geschickt. Die Firma Birkenstock bietet dagegen ihre Schuhe seit dem 01. Januar 2018 nicht mehr über Amazon zum Kauf an. Grund dafür ist die mangelnde Entschlossenheit Amazons gegen das Angebot von Produktfälschungen vorzugehen.
In diesem  Spannungsfeld zwischen der Bedeutung der eigenen Marke und des zeitlichen Horizonts der wirtschaftlichen Planung ergeben sich ganz grundlegend zwei Fokussierungen für die Ausgestaltung der Online-Massnahmen. Es gilt, den Fokus auf Amazon zu setzen oder die eigene Webseite als primären Abverkaufskanal zu stärken.
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Zwischen den Extremen sind wie immer einige Abstufungen möglich. So kann sich eine Mischstrategie für bestimmte Produktarten durchaus anbieten. Bei einer Kaffeekapsel-Maschine ist es beispielsweise sinnvoll, sie bei Amazon in grossen Mengen zu vertreiben. Ob das in der Folge auch für die Kapseln selbst zutrifft, steht jedoch auf einem anderen Blatt und vor allem unter einem anderen Summenzeichen.

Die McDonald's Vermutung: Amazon wirkt auf Kunden ziemlich unpersönlich

Vor allem für Markenartikler und Shops mit eigener Markenkraft gibt es einiges an strategischem Gestaltungsspielraum. Dass Amazon laut der eingangs erwähnten IFH Köln-Studie mehr und mehr auch als Produktsuchmaschine wahrgenommen wird und einen wachsenden Anteil der Online-Verkäufe beeinflusst, ohne dass diese über Amazon getätigt werden, zeugt zwar von wachsender Relevanz der Plattform.
Dies zeigt vor allem aber auch, dass nicht jeder User, den Amazon fängt, auch dort kleben bleibt. Gründe dafür können vielfältig sein. Etwa der, dass die Verkürzung "Amazon = bester Preis" durchaus diskussionsfähig ist (nicht zuletzt in der Buy-Box) und für User gegebenenfalls immer häufiger eine weitere Überprüfung erfordert.
Ein weiterer Grund könnte ein Umstand sein, den wir in der Folge als die "McDonald's Vermutung" bezeichnen wollen. An McDonald's kommt man nämlich auch nicht vorbei. Voraussetzung für die zugrunde liegende Verbreitung ist, dass McDonald's für die maximale Zahl an Menschen sowohl von der Speisekarte als auch vom Restaurantdesign ansprechend ist (Parallelen etwa zur Musik von Mark Forster sind nicht zufällig). Oder auf zwei unterschiedliche Arten ausgedrückt: "People don't want the best burger in the world. They want one which tastes just like the one they had last time." (Ray Kroc) beziehungsweise "The great thing about McDonald's is that you have a cast iron guarantee that it's not going to be completely shit." (Rory Sutherland).
 
Die McDonald's-Vermutung besteht nun darin, dass es sich bei Amazon ähnlich, wenn auch weniger drastisch ausgedrückt, entwickeln könnte. Dass die frühere Stärke der Personalisierung durch die schiere Masse an Menschen, denen das Gesamtkonstrukt heutzutage gefallen muss und die Vielzahl an Produkten, die darin gleichermassen funktionieren sollen, gar nicht mehr wahrnehmbar ist. Dass Amazon am Ende einfach unheimlich unpersönlich wirkt.

Kunden wollen persönlich angesprochen werden

Dieser Ersatz von direkter Markenkommunikation durch Amazons "Massenpersonalisierung" kann - gerade für bekannte oder im Aufbau befindliche Marken - zu einer immer stärkeren Austauschbarkeit des eigenen Angebotes innerhalb des Markplatzes führen. Ein Umstand, der nicht zuletzt durch die steigende Anzahl von Eigenmarken befeuert wird, die Amazon mittlerweile ins Feld führt. Der Markplatz ist heute ein wenig das, was früher der Otto Katalog war: Vorreiter in Sachen Service. Und dazu noch personalisiert. Und was macht Otto als Antwort darauf? Einen Shop aufbauen, der anstatt zu personalisieren persönlich wird.
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Diese Persönlichkeit in der Kommunikation kann eine grosse Stärke für Shop-Betreiber sein. Denn die Kunden wollen persönlich angesprochen werden. Das wird in Studien deutlich, die zeigen, dass individuell massgeschneiderte Personalisierung immer stärker erwartet wird.
32 Prozent der Befragten geben etwa in der Studie "The power of me: The impact of personalization on marketing performance" (Epsilon Marketing 2018) an, dass Personalisierung für sie Customization bedeutet - etwas, das exakt auf ihre Persönlichkeit und Bedürfnisse zugeschnitten ist. Weitere 32 Prozent verstehen Personalisierung als einen Service, der das sichtbare Angebot auf ihre Vorlieben zuschneidet. 16 Prozent sehen in Personalisierung ein persönliches preisliches Angebot.

Die individuelle Shop-Identität macht den Unterschied

Eine Kommunikation, die der Empfänger als persönlich wahrnimmt, kann für Shop-Betreiber unter Umständen heute besser gelingen, als den grossen Marktplätzen. Denn wenn auch der Absender seine eigene Markenidentität mit in die Kommunikation bringt, ist eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Produkt möglich. Diese persönliche Auseinandersetzung ist ein wichtiger Hebel, um der wachsenden Markenuntreue der Konsumenten entgegenzuwirken.
 
Für markenorientierte Shopbetreiber ist es deshalb besonders sinnvoll, sich noch intensiver mit dem eigenen Shop zu beschäftigen. Dabei bietet sich eine Herangehensweise aus zwei Richtungen an. Entweder man überträgt die Amazon-Vorteile auf den eigenen Webshop oder man macht all die Dinge, die sich Amazon nicht leisten kann.
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Voraussetzung ist jedoch in beiden Fällen, dass zwischen Verantwortlichen verschiedener Unternehmensbereiche ein regelmässiger Austausch stattfindet, der gegebenenfalls vorher nicht vorhanden war oder seit dem letzten Relaunch eingeschlafen ist. Das "Wir haben vor zwei Jahren erst modernisiert"-Dilemma. Die User ändern ihr Such- und Entscheidungsverhalten und nicht zuletzt ihre Inspirationsquellen jedoch kontinuierlich. Da heisst es, unbedingt flexibel zu bleiben. Zuallererst sollten Shop-Betreiber sich deshalb diesen Amazon-Dreisatz von Jeff Bezos abschauen:
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Alles also wie immer. Ohne Dringlichkeitsbewusstsein kein ausreichender Wille zur Veränderung. Danach kommt die Bereitschaft, Neues zu wagen. Und dann der Mut zum Experimentieren mit allen Mitteln, die man zur Verfügung hat. Irgendwie muss der Ring ja nach Mordor. Jeder kann Gandalf sein.

8 Tipps für die erfolgreiche Individualisierung des Webshops

Stehlen Sie vom Besten:
 
1) Sorgen Sie dafür, dass die Usability in der Navigation und im Check-Out auf Amazon-Niveau ist und testen Sie, gezielt darüber hinauszugehen.
  • Vereinfachen Sie die Dateneingabe, vermeiden Sie Intransparenz und nutzen Sie Trust-Verstärker.
  • Bieten Sie Gastbestellungen und möglichst umfangreichere Zahlungsmöglichkeiten als Amazon an.
  • Lassen Sie den Usern die Wahl des Versandpartners, wenn möglich.
  • Prüfen Sie die Kooperationsmöglichkeiten mit Bonusprogrammen.
2) Seien Sie technisch auf der Höhe und haben Sie ihre Ladezeiten im Blick.
  • Die durchschnittliche Ladezeit deutscher Seiten im Retail beträgt 10,3 Sekunden. Schon drei Sekunden sind zu viel.
  • Denken Sie Mobile First.
3) Zeigen Sie neuen Usern auf einen Blick, dass Ihr Service auf einem Level mit Amazon ist.
  • Erklären Sie Lieferzeiten, Retourenmöglichkeiten und Versandkosten frühzeitig.
4) Passen Sie die Personalisierung Ihres Shops mit Recommendations, GroupMotivation und Incentives auf Wettbewerbsniveau an
Testen Sie all die Dinge, die auf Basis Ihrer Marke und Produkte sinnvoll von dem Althergebrachten abweichen können:
1) Testen Sie persönliche Ansprachen, Landing-Pages, Produktdetailseiten.
  • Ändern Sie die Logik und die Beschreibung Ihrer Recommendations und Group-Motivation-Elemente basierend auf Nutzersegmenten.
  • Testen Sie alternative Produktdetailseiten, die aus den gelernten Strukturen ausbrechen. Als Anbieter von Kinderbetten zum Beispiel kann und sollte die Seite gegebenenfall anders aussehen, als ein allgemeiner Möbel-Shop.
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2) Setzen Sie sich mit Ihren SEO- und Datenexperten zusammen und sichten Sie die Möglichkeiten Ihre strukturierten Daten zum Vorteil Ihrer User zu nutzen.
  • Als Kofferversender haben Sie zum Beispiel gegebenenfalls schon aufbereitete Informationen zur Handgepäckeignung für bestimmte Airlines. Testen Sie die Nutzung dieser Informationen für Unterseiten oder Widgets.
3) Konvertieren Sie ihnen unbekannte User bis zur Schmerzgrenze, an der Sie sich auf Amazon gegebenenfalls ohnehin bewegen.
  •  Nutzen Sie Exit-Intents und persönliche Incentives so gut es geht, um User zur Erstnutzung Ihres Shops zu bewegen.
4) Nutzen Sie alle Informationen, die Sie über die User zum Zeitpunkt haben. Verknüpfen Sie zum Beispiel Ihre generischen Search-Kampagnen mit einer personalisierten Landing-Page-Strategie
  • Zeigen Sie zum Beispiel Usern, die nach "günstige Koffer" suchen, die Kategorieseite nach Preisen sortiert und geben Sie diese Info auch in die Recommendation Engine.
  • User, die nach "bester Koffer" suchen, erhalten die Seite nach Bewertungen sortiert.




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