Thema des Tages 15.10.2023, 09:41 Uhr

Schliesst die Lücke! Benachteiligung von Frauen am E-Commerce-Arbeitsmarkt

Die US-Ökonomin Claudia Goldin wird mit dem Wirtschaftsnobelpreis für ihre Forschung zur Lage der Frauen am Arbeitsmarkt ausgezeichnet. Die E-Commerce-Branche sollte das zum Anlass für eine Bestandsaufnahme machen, kommentiert IW-Redakteur Jochen G. Fuchs
(Quelle: Shutterstock/Angelina Bambina)
Claudia Goldin erhält den Preis für die „Aufdeckung der wichtigsten Ursachen für geschlechtsspezifische Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt“, wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm mitteilte. Auf die erwähnten Ursachen geht dieser Artikel gleich noch detaillierter ein.

Um zum Einstieg in das Thema zu illustrieren, dass Frauen am E-Commerce-Arbeitsmarkt benachteiligt werden, reicht schon ein Blick auf den Gender-Pay-Gap.

Wie steht es um den Gender-Pay-Gap im E-Commerce?

Die branchenspezifischen Erhebungen weisen keine E-Commerce-Branche aus, was vorwiegend daran liegt, dass die unterschiedlichsten Disziplinen in unserer Branche anzutreffen sind. Um einen ersten Überblick zu bekommen, lohnt sich ein Blick auf drei Schlüssel:
  • Einzelhandel (ohne Kfz), für die direkt im Handel Beschäftigten, mit einen Pay-Gap von 9 Prozent
  • IT-Dienstleistungen, für die Softwarehersteller, Digital-Sparten und Dienstleister, mit einem Pay-Gap von 21 Prozent
  • Grosshandel (ohne KfZ), für den B2B-Commerce, mit einem Pay-Gap von 17 Prozent
Die meisten Studien definieren den bundesweiten Durchschnitt des (unbereinigten) Gender-Pay-Gaps auf 18 Prozent und das gleichbleibend in mindestens den vergangenen drei Jahren.
Da liegen wir in unserer Branche mal darunter und mal deutlich darüber.

Hintergrund: Bereinigter kontra unbereinigter Gender-Pay-Gap

Es existiert noch eine weitere Kennzahl, der sogenannte bereinigte Gender-Pay-Gap. Dieser vergleicht, vereinfacht ausgedrückt, nur die Gehälter von Männer und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien.
Dieser Wert liegt mit durchschnittlich 7 Prozent in Deutschland deutlich unter dem bereits erwähnten unbereinigten Gender Pay Gap von durchschnittlich 18 Prozent. Das statistische Bundesamt betrachtet den bereinigten Gender-Pay-Gap als "als Obergrenze für Verdienstdiskriminierung".
Die jetzt Nobelpreis-prämierte Arbeit von Goldin erklärt aber deutlich, wieso nur der unbereinigte Gender-Pay-Gap, als ein realistisches Abbild der Ungleichheit in der Gesellschaft angesehen werden sollte: Weil dieser Wert alle Facetten der Benachteiligung erfasst. Eben auch die strukturellen Benachteiligungen, die beispielsweise erst dazu geführt haben, dasss eine Frau nicht die gleiche Karrierestufe oder Qualifikation wie ein Mann in der selben Branche erreicht hat.

Was können wir im Onlinehandel gegen den Gender-Pay-Gap unternehmen?

Um die Frage zu beantworten, hilft ein ausdauernder Blick auf Goldins Arbeit, die das Komitee ausführlich erläutert hat. Die Zeit erklärt Goldins Erkenntnisse vereinfacht und zusammengefasst wie folgt:

Die ökonomische Ungleichheit am Arbeitsmarkt verringert sich nicht automatisch durch einen besseren Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und wirtschaftlichem Wohlstand.  

Zusätzlich spielen folgende Punkte eine Rolle:
  • Faktoren, die in Zusammenhang mit den ökonomischen Voraussetzungen in einem Land stehen
  • Entscheidungen von jungen Frauen über den Bildungsweg sowie die Berufswahl
  • Das gesellschaftliche Klima sowie Geschlechterstereotype und Rollenbilder, die Mädchen vermittelt werden
  • Was können wir als E-Commerce-Branche generell gegen die Ungleichheit unternehmen?
  • Gehaltsunterschiede im eigenen Unternehmen gezielt erheben und auflösen. Die EU hat für grössere Unternehmen jüngst eine Richtlinie für eine Berichtspflicht bei grossen Unternehmen eingeführt. Eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Offenlegung des Gender-Pay-Gaps im jeweiligen Unternehmen würde Transparenz herbeiführen und beim Abbau der Ungleichheit helfen.
  • Jugendarbeit verstärken, um Bildungswege und Berufsbilder aufzuzeigen
  • Weiblichen Rollenvorbildern unserer Branche eine stärkere Präsenz und Reichweite verschaffen. Dabei helfen beispielsweise firmeninterne oder branchenweite Netzwerke. In ihrem Corporate Blog gibt die Otto Group einen hilfreichen Einblick in den internen Kulturwandel der letzten Jahre.
  • Das gesellschaftliche Klima beim Thema Ungleichheit am Arbeitsmarkt verbessern
Falls zum Mammutvorhaben "Die Ungleichheit am Arbeitsmarkt der E-Commerce-Branche beseitigen" ein Patentrezept existieren sollte, bitte ich um einen sachdienlichen Hinweis. Besonders beim letzten Punkt der obigen Liste, bei der Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas.

(Ich staune regelmässig über das hoch-emotionale Feedback  die Feindseligkeit, der mir vereinzelt aus der Branche entgegenschlägt, weil ich meine Texte (sanft) gendere. Wir können uns ja in der Sache und in der Wahl der Mittel uneinig sein, aber Menschen gerecht zu behandeln, ist ein Ziel, dass eine sachliche Auseinandersetzung verdient.)



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