Online-Drogeriehandel: Das Rossmann-Dilemma
Auf der Suche nach dem Mehrwert für die Kunden
Niceshops, das die Online-Aufholjagd von Müller möglich machen soll, ist bisher vor allem als Nischenanbieter in Erscheinung getreten. Das in der Nähe von Graz ansässige Unternehmen betreibt selbst mehr als 35 Online Shops, ist aber auch als Logistik- und E-Commerce-Dienstleister für Hersteller tätig.
Mit Sortimentsschwerpunkten in den Bereichen Freizeit, Naturkosmetik und Ernährung kommt Niceshops inzwischen auf rund 50 Millionen Euro Umsatz. "Die Idee zum Einstieg von Müller ist bei einem Besuch von Unternehmensgründer Erwin Müller an unserem Firmensitz entstanden", berichtet Niceshops-Geschäftsführer Christoph Schreiner.
Das österreichische Unternehmen habe in der Beteiligung der Drogeriekette eine Möglichkeit gesehen, das kapitalintensive Wachstum abzusichern und zu beschleunigen. "Für Müller bieten wir die Chance, Digital-Know-how mit Fokus auf den Endkundenzugang ins Haus zu holen", so Schreiner. Der Co-Chef von Niceshops ist davon überzeugt, dass es kein generelles Problem dabei gebe, den Drogeriehandel online umzusetzen: "Es gibt auch andere Segmente, die online derzeit noch unterrepräsentiert sind." In der Drogeriebranche werde sich das ändern, je mehr der Reifegrad der Online-Modelle zulege: "Es geht darum, den Kunden online einen Mehrwert zu bieten - denn wer stellt sich schon gerne im Geschäft an einer Kasse an?"
Profitable Warenkörbe
Eine weitere Herausforderung im Drogeriebereich sei es, an profitable Warenkörbe zu kommen. Müller habe das Potenzial dazu, diese Aufgabenstellungen zu meistern - auch wegen der grossen Sortimentsbreite, die weit über den Drogeriebereich hinausgehe. Doch zunächst müsse erst einmal die E-Commerce- und Logistik-Kompetenz zum Endkunden hin erhöht werden.
"Dass Müller sich dazu entschlossen hat, digitale Kompetenz ins Unternehmen zu holen, die man intern nicht so schnell hätte aufbauen können, finde ich klug", urteilt Spryker-Geschäftsführer und E-Commerce-Blogger Alexander Graf.
Die Frage sei nun, ob Müller diese gekaufte Kompetenz halten und als Hebel nutzen könne: "Die grösste Gefahr für Müller wird nun sein, sich auf der Akquisition auszuruhen und die dringend nötigen internen Investments zu verzögern. Niceshops macht für Müller die Digitalisierung nicht billiger. Sie haben aber nun die Chance, mehr Geld etwas effizienter einzusetzen."
Denn das grosse Problem der Drogerieketten sei, dass man aus einer Filialdenke heraus niemals zu nachhaltig funktionierenden Online-Modellen komme - ein Sachverhalt, den Graf als "Rossmann-Dilemma" bezeichnet. Denn bei der gleichnamigen Drogeriekette fehle es exemplarisch an fundamentalem Know how beim Thema Online-Handel. "Dann ist es besser, sich komplett vom Online-Geschäft zu verabschieden", so Graf.