Nichts geht mehr: Was tun, wenn Amazon den Händler-Account plötzlich schliesst

Das Hauptproblem: Der Seller Support

Amazon selbst sieht sich ebenfalls im Recht: "Entscheidend für die Teilnahme an Amazon Marketplace ist, dass Händler Amazon Kunden ein gutes Einkaufserlebnis bieten", teilte Amazon-Sprecher Christian Blum auf Nachfrage von INTERNET WORLD Business mit. "Ist die Verkäuferleistung nicht zufriedenstellend – etwa bei einer dauerhaft schlechten Rate verspäteter Lieferungen –, behält sich Amazon vor, die Verkaufsberechtigung einzuschränken oder aufzuheben. Verkäufer können daraufhin einen Massnahmenplan erstellen, in dem sie problematische Bereiche in Ihren Verkaufs-/Versandprozessen identifizieren und aufzeigen, wie sie diese entsprechend ändern werden um künftig ein positives Einkaufserlebnis zu bieten."
Aber genau bei diesem Massnahmenplan fangen die Probleme oft erst an: Natürlich sind sich die meisten Marketplace-Händler bewusst, dass es Regeln gibt, an denen nicht zu rütteln ist. „Problematisch ist aus meiner Sicht weniger die Sperrung durch Amazon an sich als die mangelhafte Kommunikationsstruktur hinter dieser Sperrung“, meint Wortfilter.de-Mann Steier. „Oft erfährt der Händler nämlich den Grund für seine Sperrung nur auf Umwegen oder auch mal wochenlang gar nicht, sodass er das Problem gar nicht beheben kann. Der Seller Support bei Amazon macht widersprüchliche, mitunter missverständliche Aussagen, die das Problem oft noch schlimmer machen. Auch die Hierarchie hinter der Sperrung ist ein Problem: Denn der Seller Support, der direkt mit den betroffenen Händlern in Kontakt steht, hat nicht die Verfügungsgewalt, um eine Sperrung selbst wieder zurückzunehmen. Das macht wieder eine andere Abteilung – und deren Entscheidungsprozesse sind alles ­andere als transparent.“
Eine weitere Erschwernis: Mit einem ­gesperrten Account kann ein Händler nur noch per Kontaktformular mit dem Seller Support in Verbindung treten – und nicht mehr wie gewohnt über das Dashboard im Seller Central. Von dem bekommt er dann erst einmal in einer Standard-Mail eine Fallnummer zugewiesen und die Aufforderung, einen Massnahmenplan zu erstellen, wie er das Problem künftig vermeiden will – was schwierig ist, wenn nicht genau zu eruieren ist, worin selbiges Problem ­eigentlich besteht. Angesprochen auf dieses Kommunikationsdilemma gibt sich Amazon schmallippig: "Wir bieten Verkäufern bei Rückfragen Unterstützung auf unseren Hilfe-Websites", so Blum.

Fehlinformationen vom Seller Support

Oft ziehen sich die E-Mail-Schlachten seitenweise hin, immer wieder muss der Händler aufs Neue seinen Fall schildern, weil wechselnde Bearbeiter damit zu tun haben – die wiederum dem Händler wechselnde Ratschläge geben. „Ein Beispiel für die Missinformationen vonseiten des Seller Supports, das ich von mehreren Händlern immer wieder gehört habe, ist Folgendes: Ein Händler wird gesperrt, weil er unter zwei verschiedenen Accounts verkauft, was bei Amazon im Gegensatz zu Ebay nicht erlaubt ist“, berichtet Mark Steier. „Der Seller Support rät dem Händler nun, einen bestehenden Account zu schliessen und einfach einen ­neuen Account zu eröffnen. Das verschlimmert das Problem nur noch, da dieses Vorgehen eben laut AGB nicht erlaubt ist und der Händler dadurch endgültig als schwarzes Schaf in den Statistiken auftaucht. Stattdessen müsste der Händler eine Einzelfallerlaubnis bei der Abteilung Verkäufer-Performance einholen – das herauszufinden ist aber gar nicht so einfach.“
Weil oft nicht nachvollziehbar ist, was das Problem ist, wird in den Händlerforen gern zu vorauseilendem Gehorsam geraten: bei Problemen im von Amazon geforderten Massnahmenplan einfach alles ­versprechen, um die höheren Mächte fürs Erste zu befrieden. Und nach der Aufhebung der Sperre weitermachen wie bisher.
Ein gefährliches Spiel, von dem der Händlerbund eher abrät. Schliesslich kann die ursprüngliche Verfehlung des Händlers jederzeit wieder ins Fadenkreuz der Amazon-Wächter geraten – und auf Dauer werden vollmundige Versprechungen allein nicht mehr ausreichen, um den Verkäuferstatus zurückzuerlangen.
„In Auseinandersetzungen mit Amazon braucht man einen langen Atem“, so Yvonne Bachmann. „Wenn Amazon der wichtigste Absatzkanal ist, sollte man sich natürlich auf jeden Fall einen Anwalt nehmen, der den Marktplatz wöchentlich kontaktiert, in der Hoffnung, dass Amazon nachgibt. ­Allerdings ist Amazon nach unserer Erfahrung kaum bereit, mit irgendjemandem Rücksprache zu halten.“




Das könnte Sie auch interessieren