Amazon Marketplace
04.11.2020, 17:50 Uhr
EU-Parlament will Verbraucher vor Fake-Waren aus China schützen
Funktionslose Rauchmelder, durchschmorende Akkus oder giftiges Kinderspielzeug: Auch Marktplätze sind vor Fake-Waren aus China nicht sicher. Die grosse Menge an qualitativ minderwertiger Ware auf Plattformen veranlasst Verbraucherschützer und die EU nun zu einer Reform.
Der Binnenmarkt-Ausschuss des EU-Parlaments und Verbraucherschützer wollen Amazon stärker in die Pflicht nehmen, wenn es um Waren von Drittanbietern auf der E-Commerce-Plattform geht. Es häufen sich Fälle, bei denen Kunden auf gefälschte und qualitativ minderwertige Waren hereinfallen, die auf solchen Plattformen angeboten werden - ohne dass sie vorher von den Seitenbetreibern mit Warnhinweisen oder dergleichen versehen werden.
Als Beispiel dient ein Fall aus Kalifornien: Eine Frau hat Amazon verklagt, weil sie auf dessen Seite einen defekten Laptop-Akku der Firma Lenoge gekauft hatte. Amazon erklärte, dass man die Waren nur als Mittelsmann verkaufe. Das Berufungsgericht stellte aber fest, dass Amazon beim Vertrieb dennoch sehr aktiv gewesen war. Amazon war beim Zahlvorgang wie auch als Fulfillment-Dienstleister tätig. Also gab das US-Gericht der Frau Recht.
Reform eines fast 40 Jahre alten Gesetzes zur Produktsicherheit
Nun will auch das EU-Parlament mit einem Vorstoss diese Praxis unterbinden und hat für eine Vorlage gestimmt, die die Haftbarmachung von grossen Plattformen, unter anderem von Amazon, gesetzlich festsetzen soll. Die Kommission muss allerdings das Gesetz noch ausarbeiten, woraufhin die Bestimmungen allen Mitgliedsstaaten der EU zur Ausarbeitung nationaler Gesetze vorgelegt wird.
Es soll laut EU-Recht gesetzlich verpflichtend werden, dass "Online-Marktplätze die Verbraucher unverzüglich informieren, sobald ein gekauftes Produkt vom Markt genommen wurde, nachdem festgestellt wurde, dass es nicht den EU-Vorschriften zur Produktsicherheit oder zum Verbraucherschutz entspricht." Der EU-Ausschuss ist laut seinem Bericht zu diesem Thema ausserdem dafür, dass Marktplätze besser mit den Marktüberwachungsbehörden und den Zollbehörden zusammenarbeiten müssen. Nur durch den Austausch von Informationen über den Verkäufer illegaler, unsicherer oder gefälschter Produkte kann Betrügern das Handwerk gelegt werden.
"Digital Service Act"
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Amazon und andere Marktplätze sich nicht mehr darauf berufen können, nur Zwischenhändler für gehandelte Güter von dubiosen Drittquellen zu sein. Mit der Reform eines aus dem Jahr 1985 stammenden Gesetzes müssten alle Plattformen, die fremde Güter auf ihrer Plattform anbieten, besser kontrollieren, was dort für Waren zum Kauf stehen und ob diese (gesundheits-)gefährdend für Verbraucher sein könnten.
Diese sogenannte "Produkthaftungsrichtlinie" habe zu einer Zeit gegolten, als Produkte nur von Importeuren, Grosshändlern und Händlern auf den europäischen Markt gebracht wurden. Der "Digital Service Act" soll von der EU-Kommission zum neuen Plattformrecht ausgebaut werden, da heutige Fulfillment-Dienstleister und Online-Marktplätze neue Lieferketten etabliert haben.
Des Weiteren, so kritisieren Verbraucherschützer, sei die Produktsicherheitsrichtlinie (RaPS) aus dem Jahr 2001 und somit längst veraltet. Die EU müsse, so fordert der Bundesverband der Verbraucherzentralen Deutschlands, stärker die Verordnung zur Produktsicherheit mit den Richtlinien zur Marktüberwachung zusammenlegen, um so auch die Einhaltung der Regeln nachprüfen zu können. Anfang Dezember will die Kommission einen ersten Entwurf vorstellen.
Besonders chinesische Marktplätze mit Fake-Produktionen
Die durch das Europaparlament nun bestätigten Verbraucherschutzbehörden prangerten vor allem Marktplätze aus Fernost wie Wish oder AliExpress, aber auch den amerikanischen Anbieter Amazon an. Anbieter von qualitativ schlechten Produkten können zu Schleuderpreisen leicht auf Plattformen Handel treiben und nach dem Ausschluss eines monierten Produktes dieses nach einiger Zeit erneut online stellen.
Es werden immer noch zu viele Produkte auf Amazon und Co. feilgeboten, die gefährliche Chemikalien enthalten, auf unsicherer Software basieren oder andere Sicherheitsrisiken bergen. Das Parlament der Europäischen Union wurde auf diesen Missstand durch Tests von Verbraucherschutzbehörden sensibler gemacht.
Besonders Waren aus dem Elektronikbereich scheinen von Produktmängeln betroffen. Aber auch Kinderspielzeug und Kosmetik halten oft nicht mit den europaweiten Standards in Sachen Sicherheit mit. Das EU-Schnellwarnsystem "Safety Gate" listet diese Art von Produkten regelmässig. Daher haben in diesem Jahr sechs europäische Verbraucherorganisationen, darunter Stiftung Warentest, unabhängig voneinander 250 Produkte von AliExpress, Amazon, Ebay und Wish getestet. Das Ergebnis: 66 Prozent der getesteten Produkte entsprachen dabei nicht den EU-Sicherheitsvorschriften.