Kommentar 06.05.2022, 08:11 Uhr

Durchwachsene Quartalszahlen: Jetzt auch noch Shopify

Auch das E-Commerce-Lieblingskind Shopify bleibt bei der Quartalsbilanz hinter den Erwartungen zurück und reiht sich damit hinter Amazon, eBay, Zalando und Etsy ein. Das Plattformgeschäft gehört zu den Verlierern des Post-Pandemie-Zeitalters. Wo soll das hinführen?
(Quelle: shutterstock/An13nA)
Wenn Wirtschaftsjournalisten aktuell über die Quartalszahlen von E-Commerce-Unternehmen berichten, müssen sie dafür ganz ungewohnte Worte in den Mund nehmen. "Verlust" zum Beispiel oder "Umsatzrückgang". 
Aktuellstes Beispiel ist Shopfiy: Das bisherige Lieblingskind aller E-Commerce-Beobachter, gerne hochstilisiert zum zukünftigen Königsmörder und Amazon-Nachfolger, musste gestern durchwachsene Quartalszahlen melden. Mit einem Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar (immerhin plus 22 Prozent) blieb das Unternehmen hinter den Erwartungen der Analysten zurück - in den letzten beiden Quartalen war Shopify um jeweils mehr als 40 Prozent gewachsen. Auch das Brutto-Warenvolumen (GMV) wuchs deutlich langsamer um "nur" 16 Prozent auf 43,2 Milliarden US-Dollar. 
Unterm Strich steht zudem ein dickes Minus von 1,5 Milliarden US-Dollar. Klar, darin sind verschiedene Sondereffekte enthalten, aber selbst wenn man die rausrechnet, bleibt ein extrem magerer Gewinn übrig. Schon vor diesen mauen Zahlen war Shopify an der Börse unter Druck, der Aktienwert hat sich in den letzten drei Monaten halbiert. Allein gestern krachte der Kurs um fast 15 Prozent nach unten. 

Shopify ist nur einer von vielen

Dabei hätten die schlechten Shopify-Zahlen eigentlich keine Überraschung mehr sein dürfen. Vorher hatten bereits Amazon, Etsy, Zalando und vor allem eBay enttäuschende Zahlen vorgelegt. Amazon brachte das schwächste Umsatzwachstum seit der Dotcom-Krise an den Tisch, Etsy stagniert, Zalando krallt sich am untersten Rand seiner Jahresprognose fest und eBay befindet sich mit einem Minus von 20 Prozent aufs GMV und einem Rückgang der aktiven Käufer um 13 Prozent im freien Fall. 
Die Schwierigkeiten der Plattformen illustrieren damit das Grundproblem des E-Commerce in diesem Jahr: Auf ein unerwartetes Pandemie-bedingtes Boomjahr (2020) folgte ein noch stärkeres Boomjahr (2021), in dem das überproportionale Wachstum mit überproportionalen Investitionen abgefangen werden musste. Und jetzt kommt 2022, ein Jahr, das für den Handel Krisen an gleich mehreren Fronten bereithält. 
Krieg in Europa, Logistik-Krise in Asien, weltweit explodierende Rohstoffpreise, gestörte Lieferketten, Arbeitskräftemangel und dazu verunsicherte Verbraucher, die ihren Geldbeutel deutlich fester zuhalten als zuvor. Diese Entwicklungen treffen die grossen Plattformen, die auch am meisten investieren, als erstes; ihre Zahlen sind aber nur die Vorboten für schwere Zeiten, denen sich kaum ein E-Commerce-Player wird entziehen können. 
Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel - bei Delivery Hero zum Beispiel liefen die Geschäfte auch im ersten Quartal 2022 richtig gut. Doch das sind Einzelfälle. Schon jetzt stöhnen Händler und Hersteller über explodierende Kosten. Diejenigen, die Plattformen für den Verkauf nutzen, müssen auch hier mit höheren Aufwendungen rechnen. Amazon hat kürzlich die Kosten für FBA angehoben, zum zweiten Mal in diesem Jahr. Zalando hat eine Preissteigerung für ZFS bereits angekündigt. 
Dennoch führt gerade im Krisenjahr 2022 (und 2023 wird vermutlich nicht viel besser) an Plattformen kein Weg vorbei; denn gerade in Zeiten, in denen Verbraucher weniger Geld ausgeben und mehr auf den Preis schauen - Zeiten also, in denen Verkäufer mehr Publikum erreichen müssen, um den gleichen Umsatz zu erzielen -, ist die grosse Reichweite von Plattformen unverzichtbar.  Doch die werden sich die Plattformen teuer bezahlen lassen. 



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