Big Data 09.11.2015, 09:10 Uhr

Data-Management Plattformen: Profile nutzbar machen

Zahlreiche Adtech-Firmen haben auf einmal Data-Management-Plattformen im Portfolio. Was steckt hinter dem Hype um das neue Tool, das Marketing mit Big Data erst ermöglicht?
Data Management
(Quelle: shutterstock.com/Mathias Rosenthal)
Wenn Daten im digitalen Zeitalter das neue Öl sind, dann sind Data-Management-Plattformen die neuen Raffinerien, in denen dieser Rohstoff für die Nutzung aufbereitet und verfeinert wird. Die Bezeichnung Data Management Platform wurde vor einigen Jahren zeitgleich mit den Bezeichnungen für die Player im automatisierten Handel von Display Ads geprägt.
Neben Supply-Side- und Demand-Side-Plattformen entstanden auch Data-Management-Plattformen. Mit ihnen werden Nutzerdaten zentral gesammelt, segmentiert und für Targeting und Personalisierung im automatisierten Echtzeithandel von Display-Werbung genutzt.
Im datenbasierten Marketing spielen sie eine zentrale Rolle, weil sie Nutzerprofile bereitstellen. Ohne Data-Management Plattformen könne man zwar digitale Prozesse analysieren, die Ergebnisse können aber nicht im eigenen Marketing nutzbar gemacht werden, meint Dino Bongartz, CEO von The Adex, einem Berliner Data-Management Plattform-Anbieter.

Bedeutung der Datenauswertung steigt

Seit die Bedeutung der Datenauswertung für Werbe- und Personalisierungszwecke so stark gestiegen ist, bieten die unterschiedlichsten Adtech-Firmen Data-Management-Plattformen an - allen voran die Anbieter von grossen Marketing-Clouds wie Adobe oder Oracle, aber auch traditionelle Targeting-Anbieter wie Nugg Ad, Demand-Side-Plattformen wie Mediamath oder eben spezialisierte Tech-Unternehmen wie The Adex.
Teradata hat gerade Mitte Oktober 2015 seine neueste Version der Marketing Cloud vorgestellt, die Neuheit: die Integration der Data-Management-Plattform FLX one. Die Data-Management Plattform bilde die Datenbasis für die Teradata Marketing Cloud, so das Unternehmen.
Die Aufgabe solch einer zentralen Speicherschicht ist die Zusammenführung von Profil-Informationen aus den unterschiedlichsten Kanälen, um eine umfassende Sicht auf die Nutzer und ihre Kontaktpunkte mit einer Marke zu erhalten.

User-ID für die Zuordnung

Big Data auf Tastatur
Quelle: Foto: Shutterstock / Maksim Kabakou
Wenn sich ein Kunde beispielsweise im Online-Shop oder über einen Social-­Media-Account in eine App oder einen Webservice einloggt, wird dieses Log-in gehasht und in einer Data-Management-Plattform gespeichert.
Es ist schwierig, das Fachwort ­"Hashing" auf Deutsch zu übersetzen. Martin ­Hubert, CEO von Nugg Ad, erläutert, was damit gemeint ist: "Hashing ist ein Ein-Weg-Verschlüsselungsverfahren. Die verschlüsselte E-Mail-Adresse kann man nicht wieder herstellen."
Aus dem Hashing oder über Cookies wird eine User-ID abgeleitet und weitere Informationen zu genau dieser User-ID werden in der Data-Management-Plattform abgelegt. So können auch Daten von unterschiedlichen Geräten einer User-ID zugeordnet werden. Marketer erhalten ein Bild der unterschiedlichen Touchpoints, also von den Webseiten, Apps oder auch Offline-Kontaktpunkten, die ein Nutzer oder Kunde ansteuert.
Anbieter für Data-Management Plattformen erklären, dass ihre Tools jegliche Art von Daten wie Display, Social, Search, CRM- oder Analytics-Daten ­zusammenführen können. Wie leicht die Integration von strukturierten und unstrukturierten Daten in einem Tool in der Praxis ist, wird sich im Einzelfall zeigen. Was heute unter dem Begriff Data-Management Plattform angeboten wird, ist höchst uneinheitlich, ­umfasst aber im Kern Elemente eines leichtgewichtigen Data Warehouse, meint Sebastian Amtage, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Btelligent.
Bei Data-Management-Plattformen wandert zwar die Datenhaltung in die Cloud, doch die Probleme des Zusammenführens der ­ Daten bleiben die gleichen, sagt Amtage; "Da wird etwas als ‚out-of-the-box‘ verkauft, das im Hintergrund noch viel ­Arbeit machen kann." Natürlich würden die ­Anbieter versprechen, dass die Datenintegration einfach sei, doch die echten Pro­bleme kämen jeweils im Projekt.

Was passiert mit den Nutzerprofilen?

Ein weiterer Knackpunkt aus seiner Sicht: Zwar lassen sich mit einer Data-Management Plattform Profile von Online-Nutzern erstellen, doch was passiert dann weiter mit diesen? "Welchen Nutzen generiert ein solches Profil?", fragt Amtage. Die Ableitung logischer Schlüsse daraus komme nicht einfach aus einer Box.
Auf die Frage, was denn der Unterschied zwischen einer Data-Management-Plattform und einem Data Warehouse sei, hat Gareth Ouellette, Vice President bei ­Mediamath, eine klare Antwort. Data Warehouses sammeln Offline-Daten und sind der zentrale Aufbewahrungsort für ein breites Spektrum wie Verkaufs- und Transaktionsdaten, Preisangaben, Inventar, aber auch Daten zu Mitarbeitern oder Produkten.
Im Gegensatz dazu sei es die Aufgabe von Data-Management Plattformen, Daten zusammen­zuführen und zu verwalten, um sie für Entscheidungen und Aktionen einzusetzen. Dazu zählen Targeting, Zielgruppenanalyse und Attributionsmodelle in eigenen Kanälen und in bezahlten Werbe­kanälen von Dritten.
Die Anbieter von Data-Management Plattormen führen als Argument an, dass Data-Management-Plattformen das Fundament für datenbasiertes Online-Marketing seien. "Marktteilnehmer, die ihre Daten optimal nutzen und veredeln wollen, brauchen eine Data-Management Plattform, um wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben", sagt Hubert von Nugg Ad.

Differenzierung nicht leicht

Eine Differenzierung der Anbieter ist nicht nur deshalb schwierig, weil alle ­behaupten, Daten jeglicher Art integrieren zu können. Sie wenden sich auch alle an die gleichen Zielgruppen, vorwiegend Werbungtreibende und Publisher.
"Der Einsatz einer Data-Management Plattform ist für Marketer sinnvoll, die ihre Werbeausgaben im Akquisitionsmarketing optimieren und neue Zielgruppenpotenziale erschliessen möchten. Für Publisher kann die Lösung zur optimalen Vermarktung ihrer Werbeplätze dienen", erläutert Sebastian Fleischmann, Sales ­Director DACH für die Marketing Cloud bei Oracle.
Deren "Herzstück" sei die ­grosse Auswahl der angebundenen Media- und Analytics-Partner. Dadurch können Kunden Zielgruppensegmente jederzeit in Echtzeit übergeben, beispielsweise an eine Demand-Side-Plattform, die auf entsprechende Ad Impressions bietet.
François Genon-Catalot, Senior Digital Strategist bei Adobe Systems, nennt das "Cross-Device-Feature" des Audience ­Managers von Adobe als Alleinstellungsmerkmal. Das Tool könne mit Informationen von verschiedenen Geräten und Quellen Anwenderprofile erstellen, sodass die Unternehmen die Customer Journey ­genau nachvollziehen können. Das gelingt dann, wenn sich der User mit dem gleichen Login auf den Geräten einloggt.
Nugg Ad nennt als Alleinstellungsmerkmal seiner Data-Management Plattform die Kombination aus marktrelevanten Daten und Machine-Learning-Technologie zur Reichweitenverlängerung sowie die Veredelung von Datenbeständen. Als Managed-Service-Angebot erbringen Nugg-Ad-Consultants Dienstleistungen wie die Einrichtung von Zielgruppen oder die Datenweitergabe an Supply-Side- oder Demand-Side-Plattformen. Die Zugriffsmöglichkeiten für Kunden werden in diesem Jahr ausgebaut. Über einen "Segment Builder" können die Kunden selbst Datenquellen kombinieren und Zielgruppen definieren.

Umfassender Blick auf den User

Mediamath nutzt die eigene Identity-Management-Lösung, um einen umfassenden Blick auf die Nutzer zu ermöglichen.  User-Profile bleiben nicht permanent in einem bestimmten Segment, sondern werden je nach Nutzeraktivität in Echtzeit "frisch" eingeteilt. Die Kunden können eine neue Segmentierung vornehmen und diese innerhalb kürzester Zeit aktivieren, erklärt Ouelette von Mediamath. Da das Unternehmen sowohl eine Data-Management Plattform als auch eine Demand-Side-Plattform betreibt, gebe es bei der Datenübergabe keine Verluste oder Verzögerung.
Ignition One wirbt mit der flexiblen ­Integrierbarkeit seiner Data-Management-Plattform in bestehende Systemlandschaften und ebenfalls mit der sekundenschnellen Zielgruppensegmentierung.
Dino Bongartz von The Adex betont, dass The Adex der einzige europäische Dienstleister mit deutscher Technologie sei, der global unter den europäischen ­Datenschutzbestimmungen arbeite.
"Wir sind gemäss deutscher Datenschutzgesetze und europäischer Datenschutzrichtlinien vollständig datenschutzkonform." Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof zu Safe Harbor habe das für europäische Kunden eine besondere Bedeutung.
Boris Schärf, Geschäftsführer von Adverserve, einem Adtech-Beratungsunternehmen, arbeitet seit Anfang des Jahres mit Data-Management Plattformen. Sein erstes Fazit: "Deren Einsatz ist die richtige Entscheidung, aber das beste Werkzeug hilft nichts, wenn ich nicht weiss, wie ich es am besten einsetze."

Interview: Einfachere Bearbeitung von Profildaten

Boris Schärf
Boris Schärf, Gründer und Geschäftsführer von Adverserve.
Quelle: www.adverserve.com
Adverserve berät grosse österreichische Publisher zu Adtech-Lösungen. Seit Anfang 2015 arbeitet das Unter­nehmen mit verschiedenen Data-Management-Plattformen, zum Beispiel mit Krux, Semasio und The Adex.
INTERNET WORLD Business: Wie würden Sie die Aufgabe einer Data-Management-Plattform beschreiben?
Boris Schärf: Eine Data-Management-Plattform bietet die einfachere Bearbeitung von Profildaten und eine bessere Übersicht. In der ­Regel sind sie gut mit Demand-Side-Plattformen vernetzt.

Was kostet der Einsatz einer Data-Management-Plattform?
Schärf: Wie im Adserving üblich, wird nach einem Tausend-Kontakt-PreisModell abgerechnet. Der TKP-Aufpreis, der bei der Nutzung einer Data-Management-Plattform anfällt, liegt zwischen 0,1 bis 10 Cent pro Tausend-Kontakt-Preis. Wenn die Data-Management-Plattform Daten für eine Demand-Side-Plattform bereitstellt, steigen die Kosten auf 20 bis 25 Cent pro TKP, was relativ hoch ist. Hinzu kommt noch der Preis für den Adserver, denn Demand-Side-Plattformen haben in der Regel schwache Adserver-Fähigkeiten.

Stehen die Kosten im Verhältnis zum Ergebnis?
Schärf: Wenn man gute Profile bildet und targeted, bringt es das Fünf- bis Zehnfache an Performance.

Welche Schwierigkeiten gibt es beim Einsatz von Data-Management-Plattform?
Schärf: Eine Data-Management-Plattform ist nur Technologie, also ein Verwaltungssystem. Häufig wird die Datenqualität vergessen. Das System benötigt dauerhaft gute Daten, damit ein qualitativ hochwertiges Targeting entsteht. Leider macht sich kaum jemand Gedanken, wie man an gute Daten kommt.



Das könnte Sie auch interessieren