Die Schweizer IT im Jahr 1990

Die «deutsche IBM»

Das Bündnis zwischen den Traditionskonzernen Siemens und Nixdorf sollte nicht länger halten (bis 1998). Die bisdahin unabhängigen Computer-Hersteller kündigten imJanuar 1990 an, zum grössten europäischen Anbieter für Informatik- und Telekommunikationslösungen fusionieren zu wollen. Computerworld bezifferte den gemeinsamen Umsatz auf 13 Milliarden D-Mark (umgerechnet 11,3 Milliarden Franken), den Marktanteil auf 7,7 Prozent. Nur IBM war grösser, DEC und Olivetti sowie Bull alle kleiner. Da bot es sich für Computerworld an, Siemens Nixdorf Informa­tionssysteme (SNI) als «deutsche IBM» zu betiteln.
Die Übernahme von Nixdorf durch Siemens datierte auf den 1. Oktober 1990 – zwei Tage vor der deutschen Einheit. Und das schon Ende Jahr präsentierte gemeinsame Portfolio – ähnlich wie bei IBM bestand es aus Personalcomputern, Grossrechnern, Industriegeräten und Software-Lösungen – legt den Vergleich durchaus nahe. Der SNI-Vorstandsvorsitzende Hans-Dieter Wiedig wies in der Computerworldallerdings die Absicht weit von sich, es europaweit mit Big Blue aufnehmen zu wollen. In Deutschland könne es dagegen schon ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben, schob er nach.
Siemens übernahm Nixdorf und stieg zum zweitgrössten europäischen Computer­-Konzern auf
Quelle: Computerworld
Für die Schweiz sah SNI eine «bereinigte und ergänzte» PC-Palette vor, wie Marketingleiter Reto Bieler der Computerworld sagte. Das erste Highlight kündigte er für das neue Jahr an: Im Modell «PCD20N» werkelte ein 80286er mit 12 Megahertz. Der gemeinsam mit dem Panasonic-Mutterkonzern Matsushita entwickelte Rechner rundete die Notebook-Palette nach unten ab. Die Nixdorf-Modelle 8810/16 (Intel 80286, 16 Megahertz) und 8810/20 (Intel 80386, 20 Megahertz) vertrieb SNI weiterhin. Neu sollten die Rechner aber vermehrt über den Fachhandel vertrieben werden. Damit folgte die bis anhin «in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbare» SNI den Marktbegleitern IBM, Compaq und Hewlett-Packard, berichtete Computerworld.

Wider dem «Moloch Microsoft»

Bereits gut am Markt etabliert war 1990 der Software-Hersteller Lotus. Das Unternehmen hatte erst im Jahr zuvor in Regensdorf eine Schweizer Niederlassung gegründet und war Marktführer bei Tabellenkalkulationsprogrammen. Als Standard ging Lotus 1-2-3 für etwas unter 1000 Franken über den Verkaufstresen. Abseits dieser Nische fehlte aber der grosse Verkaufsschlager – denn Lotus Notes war 1989 gerade fertig entwickelt worden.
Lotus-Chef Jim Manzi wollte sich gemeinsam mit Novell gegen Microsoft aufstellen
Quelle: Computerworld
Für den damaligen CEO Jim Manzi bot es sich angesichts der wachsenden Konkurrenz durch Microsoft an, nacheinem starken Partner zu suchen. Computerworld berichtete im April 1990 von Fusionsplänen zwischen Lotus und Novell. Beide Marktführer glaubten, dem «Moloch Microsoft» gemeinsam besser Paroli bieten zu können, schrieb Computerworld. Das Marktforschungsinstitut IDC glaubte ihnen: «Die Fusion ändert das Marktgefüge in der PC-Software-Industrie», sagten die Analysten. Die gemeinsamen Umsätze von Lotus und Novell im Jahr 1989 betrugen 978 Millionen US-Dollar. Bei Microsoft waren es 952 Millionen.
Einige Monate später sollte eine Schlammschlacht um den Verwaltungsrat über Lotus-Novell entscheiden. Die kleinere Lotus beanspruchte vier Sitze für sich, der grösseren Novell wurden nur drei zugestanden. Zudem sollte Novell-Verwaltungsrat Raymond Noorda «nur» der CEO der Novell-Produktlinie werden, während Lotus-Chef Manzi der designierte Vorsitzende, Präsident und CEO war. Noorda war es schliesslich, der die Fusion platzen liess: Seiner Ansicht nach sollten Führungspositionen nicht zugeschrieben, sondern verdient werden. Manzi erwiderte: «Wir haben viel Geld und Zeit vergeudet, weil wir mit Menschen gesprochen haben, die offenbar nicht wissen, was sie wollen.» Denn die Initiative für den Merger sei von Noorda ausgegangen, doppelte er nach. Computerworld berichtete nach dem Scheitern der Fusion von einem lachenden Dritten: Die Aktien von Microsoft erreichten ein neues Rekordhoch.




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