ETH Zürich
08.12.2019, 18:38 Uhr
Mit maschinellem Lernen den Regenwald erhalten
Der Computerwissenschaftler David Dao entwickelt lernfähige Algorithmen, die mit Satelliten- und Drohnenbildern voraussagen können, wo sich die Entwaldung des Regenwalds weiter ausdehnen wird.
Durch Brandrodung wird landwirtschaftliches Land gewonnen wie hier im mexikanischen Urwald
(Quelle: Jami Dwyer/Wikimedia Commons/gemeinfrei)
Die Bilder der rauchenden Regenwälder im Amazonas haben sich in diesem Sommer ins Gedächtnis gebrannt – und mancher fragte sich, wie viel Wald geht da verloren? Einer, der sich dieser Frage widmet, ist der Computerwissenschaftler David Dao, Doktorand am DS3Lab des ETH-Instituts für Computing Platforms. Der Deutsche ist ein Spezialist für maschinelles Lernen und entwickelt lernfähige Algorithmen, die selbständig Satelliten- und Drohnenaufnahmen auswerten. Auf diese Weise können sie erkennen, wo und in welchem Ausmass die Waldfläche kleiner wird. Sie können sogar voraussagen, wo der Regenwald in naher Zukunft weiter schrumpfen wird. Der Trick liegt in der Art, wie sie Bilder lesen.
Satelliten und Drohnen liefern unzählige Bilder über den Regenwald – aus verschiedenen Höhen sowie in unterschiedlicher Auflösung und Qualität. Gemeinsam ist diesen Aufnahmen, dass die Gegenstände, die sie abbilden, nicht beschriftet oder gekennzeichnet sind. Anders als auf Landkarten tragen die Orte keine Namen sowie die Wälder, Flüsse und Strassen keine einheitliche Signatur. Sie haben kein «Label», wie die Informatiker sagen. Die Computer-Algorithmen können deshalb nicht direkt aus dem Bild herauslesen, was ein Waldgebiet ist und was nicht.
«Fischknochen» zeigen, wo der Wald schrumpft
Maschinell vorausgesagte Entwaldung
Quelle: Animation: David Dao/ETHZ
Indem die Algorithmen solche Sequenzen von zeitlich aufeinanderfolgenden Luftaufnahmen vergleichen, können sie berechnen, wie sich Strassenbild und Waldflächen mit der Zeit verändern. Auf diese Weise benötigen die lernfähigen Algorithmen keine Labels, um ein Gesamtbild zu erstellen, wo der Regenwald schrumpft. Zudem können sie voraussagen, wo sich die Entwaldung am stärksten ausdehnen wird. Dieses Modell funktioniert auch für die Entwaldung in der Nähe von Flüssen oder rund um Landwirtschaftsflächen.
Testlauf im chilenischen Regenwald
Für sein Forschungsprojekt namens «Komorebi» hat David Dao Partner aus der Praxis: Zum Beispiel die chilenische Forstbehörde CONAF (Corporación Nacional Forestal). Im Januar startet ein Pilotprojekt im «Valdivianischen Regenwald», der sich südlich der Hauptstadt Santiago de Chile an der Pazifikküste befindet. Im realen Regenwald lassen sich die Vorhersagealgorithmen testen und weiterentwickeln – denn Daos Ansatz birgt das Potenzial, dass man nicht nur den Rückgang des Regenwalds insgesamt erkennen kann, sondern auch, welche Baumarten besonders stark betroffen sind.
Das spielt im Zusammenhang mit dem Klimawandel eine Rolle, weil nicht alle Baumarten gleich viel CO2 speichern, und weil es im Waldschutz auch Ansätze gibt, die lokale Bevölkerung finanziell zu unterstützen, wenn sie Bäume als CO2-Speicher erhält anstatt den Wald zu roden.
Im chilenischen Regenwald lässt sich unter anderem testen, wie man die Genauigkeit der Vorhersagealgorithmen verbessern kann, wenn man neben Satellitenbildern auch die Aufnahmen von tiefer fliegenden Drohnen verwendet. Im Unterschied zu Satellitenbildern können Drohnenbilder auf 30 Zentimeter genau sein: «Wenn wir Drohnenbilder haben, können wir auch Veränderungen der Baumarten beobachten und Veränderungen der Artenvielfalt erkennen», sagt Dao.
Heute stellt David Dao sein Forschungsprojekt im Rahmenprogramm der 25. UN-Klimakonferenz in Madrid (COP25) vor. An der Session, zu der die Interamerikanische Entwicklungsbank und die chilenische Forstbehörde einladen, geht es sowohl darum, wie man neue Technologien einsetzt, um Veränderungen der Landnutzung zu erfassen und vorauszusagen, als auch darum, wie man die Ergebnisse mit Zahlungen verbinden kann, damit die lokale Bevölkerung den Regenwald erhält.
Hinweis: Dieser Artikel ist zunächst bei «ETH News» erschienen.
Autor(in)
Florian
Meyer, ETH-News