Zukunftsvisionen 28.10.2015, 22:47 Uhr

Connected Car: Vernetzen um jeden Preis

Die deutsche Automobilbranche will sich in Sachen Connected Car nicht von den Internet-­Riesen die Butter vom Brot nehmen lassen. Die Verbraucher bleiben aber zurückhaltend.
Continental eHorizon
(Quelle: continental ehorizon)
Halle 3.1 auf der IAA, das war ein bisschen wie Cebit, aber in Frankfurt: Während im Erdgeschoss von Halle 3 VW, Porsche, Bugatti und Bentley auf flimmernden Grossbildschirmen den PS-verklärten Zauber von Le Mans versprühten und die Besucherströme sich durch blank polierte Sehnsuchtsmaschinen in Chrom und ­Metallic schoben, herrschte oben eine sachliche Businessatmosphäre - IT-Fachleute, die mit gedämpften Stimmen über ihre Vorstellung von einer digitalisierten Zukunft mit dem Connected Car diskutieren, die mit der Glitzerwelt im Erdgeschoss noch wenig zu tun hat.
In der "New Mobility Area" im Ober­geschoss fanden sich neue Namen, die man auf der IAA noch vor ein paar Jahren so nicht erwartet hätte: IBM, Deutsche ­Telekom und ein gutes Dutzend Start-ups mit Mobility-Anwendungen - und natürlich Google.
Der Internet-Riese war zwar nicht mit einem eigenen Stand präsent, doch Deutschland-Chef Philipp Justus war dafür auf vielen Podien ein gefragter Teilnehmer. Er gab dort Sätze zum besten wie: "Google ist kein Automobilhersteller, und Google hat auch nicht vor, ein Automobilhersteller zu werden." Ein Satz, der die Branchenvertreter nur auf den ersten Blick beruhigte, ob des beinahe abfälligen Tonfalls horchten sie dann aber sofort misstrauisch auf.
Philip Justus, Google-Chef DACH und Osteuropa: "Google ist kein Automobil-Hersteller und Google hat auch nicht vor, ein Automobilhersteller zu werden"
Quelle: www.google.de
Denn Justus verleugnete keineswegs, dass Google das Auto hochinteressant findet - als ein weiteres Stück Hardware, das der Konzern mit seinen Services bespielen kann. Schliesslich testet der Konzern in Kalifornien ein eigenes, selbstfahrendes Auto. Dennoch: Langfristig gesehen überlässt Google das schnöde Blechbiegen gern der altgedienten Autobranche.
Die auf der IAA anwesende Start-up-Szene wiederum begreift Mobilität losgelöst vom eigenen Auto. Carsharing, Fahrdienste, Nutzung statt Besitz sind ihr ­Credo. "Digital Natives sagen doch heute nicht mehr ‚Draussen steht mein Mercedes‘, sondern eher ‚Ich bin heute mit einem Uber gekommen‘" - so formuliert es Tom Kirschbaum, Gründer des Berliner Start-ups Ally, das öffentliche Verkehrsmittel, Car- und Bike-Sharing-Angebote sowie Taxiservices zu einem grossen städtischen Mobilitätskonzept verbinden will.
Ist die von Motoren dröhnende Glitzerwelt im Erdgeschoss also nur das letzte Aufbäumen einer sterbenden Industrie? Auch wenn das einige Start-ups bereits so formulieren: Noch ist es in Deutschland nicht so weit. Auch das zeigten die überfüllten Hallen der IAA recht deutlich: 931.700 Besucher pilgerten nach Frankfurt, 50.000 mehr als im letzten Jahr.
Das Durchschnittsalter der Besucher sank von 37 auf 34 Jahre. "Die IAA 2015 widerlegt die Behauptung, die jungen Leute hätten kein Interesse mehr am Auto", fasste ­Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf der Abschlusspressekonferenz triumphierend zusammen. "Diese 66. IAA war eine Abstimmung mit den Füssen." Noch hat das Bild von den eigenen Händen am eigenen Lenkrad offenbar viel Sexappeal.

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Insgesamt 210 Millionen Fahrzeuge sollen zum kommenden Jahr mit dem Internet verbunden sein. Online PC stellt weitere Fakten und Zahlen zum Thema Connected Cars vor.





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