Studie
28.12.2018, 12:49 Uhr
Tod durch Selfie wird immer mehr zum Problem
Wenn das perfekte Foto mit dem Leben bezahlt wird: Mehr als 30 Inder sterben jedes Jahr beim Selfie-Machen. Daran ändern auch Verbotszonen nichts. Im Top-Urlaubsziel Sri Lanka begeben sich Touristen vor pittoresken Kulissen in Gefahr.
Traumstrände, Natur, wilde Elefanten - Sri Lankas Charme zieht Touristen an. Darunter eine 35-jährige Deutsche, die vor wenigen Wochen den Horton-Plains-Nationalpark im zentralen Hochland des Inselstaates besuchte. An einer mehr als 1.000 Meter hohen Klippe, die "World's End" (Ende der Welt) genannt wird, wollte sie ein Selfie machen - und stürzte in den Tod.
Der weltweit beliebte Reiseführer "Lonely Planet" hat Sri Lanka zum Top-Reiseziel im kommenden Jahr erklärt - Deutschland landete auf Platz zwei. Eine tolle Nachricht für das Land im Indischen Ozean, das neun Jahre nach dem Ende eines jahrzehntelangen Bürgerkrieges die Einnahmen aus dem Tourismus gut gebrauchen kann. Umso wichtiger, dass sich Tragödien wie die der deutschen Touristin nicht häufen.
Mit ihrer Vorliebe, sich selbst vor schönen Kulissen zu fotografieren, begeben sich Touristen aber nicht selten in Gefahr - in Sri Lanka zum Beispiel auf den pittoresken Bahnstrecken durch den Dschungel des Landesinneren. "Die Zahl der Ausländer, die aus fahrenden Zügen auf das Trittbrett steigen, um Selfies zu machen, nimmt zu", erzählt der Sicherheitschef von Sri Lankas Bahngesellschaft, Anura Premaratna. "Unsere Schaffner müssen ihnen ständig sagen, dass sie im Wagen bleiben sollen."
450 Todesfälle auf den Zugstrecken Sri Lankas
In diesem Jahr hat es ihm zufolge schon 450 Todesfälle auf den Zugstrecken Sri Lankas gegeben - wie viele davon bei Selfies passierten, sei statistisch nicht erfasst. Ein vergangenes Jahr beschlossenes Selfie-Verbot auf Bahnschienen werde bislang nicht durchgesetzt.
Der grosse Nachbar Indien ist aber mit Abstand das Land mit den meisten Selfie-Toten, wie zwei Studien ergeben haben. Forscher der indischen Universitätskrankenhaus-Kette AIIMS berichteten vor wenigen Monaten, es habe zwischen Oktober 2011 und November 2017 weltweit 259 Todesfälle beim Selbstfotografieren gegeben - etwa die Hälfte davon in Indien.
Im Jahr 2016 hatten Wissenschaftler des Instituts für Informationstechnologie (IIT) in Delhi und der US-amerikanischen Carnegie Mellon University eine Studie mit ähnlichen Ergebnissen präsentiert. Mit weitem Abstand folgen demnach hinter Indien Länder wie Pakistan, Russland und die USA. Seit März 2014 seien 139 Inder beim Selfie-Machen gestorben, sechs davon ausserhalb Indiens, erklärt Ponnurangam Kumaraguru, einer der Autoren der IIT-Studie. Hinzu kämen fünf Ausländer in Indien.
Ein Grund für die hohen Zahlen mag Indiens Bevölkerungszahl von 1,3 Milliarden Menschen sein. Eindeutig ist das Selbstfotografieren auf dem Subkontinent aber auch weiter verbreitet als in manch anderen Ecken der Welt. Leute mit ausgestrecktem Arm und auf sich selbst gerichtetem Handy sieht man in indischen Städten überall: in Restaurants, Einkaufszentren, U-Bahnen, Flugzeugen, oder einfach auf der Strasse. Selbst eine Fahrt auf einer Rolltreppe ist für manche offensichtlich denkwürdig genug, fotografisch festgehalten zu werden.
Ein Phänomen, das wohl die meisten Indien-Besucher kennen, ist es, dass Inder gerne auf Ausländer zugehen, um mit ihnen Selfies aufzunehmen - manchmal, ohne vorher zu fragen. Ein junges Paar aus der Schweiz wurde vergangenes Jahr im bei Touristen beliebten Ort Fatehpur Sikri von einer Gruppe indischer Jugendlicher übel zusammengeschlagen - Berichten zufolge, weil sie ein gemeinsames Selfie abgelehnt hatten.