Im Vergleich
02.01.2017, 22:15 Uhr
Instagram Stories versus Snapchat Stories
Die Stories von Instagram und Snapchat ähneln sich auf den ersten Blick. Wir haben für euch genauer hingeschaut und die Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der Features herausgearbeitet.
Rein äusserlich betrachtet, fallen dem ungeübten Auge wohl kaum Unterschiede zwischen den Snapchat Stories und den Instagram Stories auf. Eine Schriftart hier, ein Filter dort: Darauf - so könnte man meinen - beschränken sich die Unterschiede zwischen den beiden gleichlautenden Features.
Werbungtreibende und Publisher, die sich für den Einsatz der Stories innerhalb der eigenen Marketing- und Online-Strategie interessieren, sollten nicht vorschnell pauschalisieren. Denn obwohl sich die Stories ähneln, gibt es in den Details grosse Unterschiede.
Die Gemeinsamkeiten
"Instagram und Snapchat sind Millenial Platforms", sagt Social-Media-Beraterin und Snapchat-Queen Virginia Salas Kastilo im Interview und zeigt damit bereits die erste Gemeinsamkeit auf. Sowohl über Snapchat, den Dienst mit dem kleinen Geist im Logo, als auch über die Bilderplattform Instagram erreichen Unternehmen eine überwiegend junge Zielgruppe. Wobei Instagram als Social-Media-Plattform bereits etablierter ist und damit auch mehr und mehr ältere Nutzer anzieht.
Die Fotos und Videos im Story-Feature werden in beiden Apps im Hochkant-Format erstellt und sind damit perfekt für die Nutzung auf dem Smartphone optimiert. Die maximale Länge eines Videos beträgt zehn Sekunden. Als gesehen (View) gilt ein Clip ab einer Sekunde - eine neue Kennziffer in der ohnehin schon unübersichtlichen digitalen Videomessungslandschaft.
Sichtbar sind die Inhalte in den Stories auf Snapchat und Instagram für insgesamt 24 Stunden. Anschliessend verschwindet der Content komplett und ist nur abrufbar, wenn der Ersteller der Story diese vorher auf dem Handy gespeichert hat.
Allgemein gilt: Kanalbetreiber müssen die Storys zeitnah analysieren. Denn nach 24 Stunden verschwinden nicht nur die erstellten Inhalte, sondern mit ihnen auch die Kennziffern. Die einzige Analysegrösse, die Snapchat-Gründer Evan Spiegel und Instagram-Chef Kevin Systrom den Account-Betreibern zur Verfügung stellen, sind die Anzahl der Nutzer, die einen Teil der Story gesehen haben, sowie die Screenshots, die gemacht wurden.
Wodurch sich die Snapchat Stories auszeichnen
Snapchat als Erfinder der Stories ist in einigen Punkten weiter als der Instagram-Klon. Das liegt, so sagt Influencerin Kastilo auch daran, dass "Snapchat mehr Zeit hatte, um sich in diesem Umfeld aufzubauen." Den Zeitvorsprung konnte Gründer Evan Spiegel in ausgefeilte Produkt-Features stecken.
Der Dienst mit dem kleinen Geist hat verspieltere und detailreiche Sticker und Emojis, mehr Schriftarten und Videobearbeitungsmöglichkeiten sowie eine grosse Auswahl an Orts- und Gesichtsfiltern. Hier fängt Instagram gerade erst an, kreativ aufzurüsten. Zum Weihnachtsfest 2016 gibt es erstmals eine kleine Auswahl an Stickern und eine Art Ortsfilter, der jedoch nicht so intuitiv funktioniert wie bei Snapchat.
Die vielen Möglichkeiten, sich auszuleben, geben Influencern und Marken die Chance, sich ungeschminkt zu präsentieren und authentische Einblicke zu geben. Die Tools sind intuitiv und wirken nicht aufgezwungen. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass die Spectacles, Snapchats eigene Brille, heiss begehrt ist und deutlich besser abschneidet als die teuren und grossen VR- und AR-Brillen von Google, Facebook und Co. Die "Specs" sind mit einem Snapchat-Account verbunden und posten die erstellten Bilder und Videos automatisch. Bislang sind die Spectacles allerdings nur in den USA erhältlich.
Aus Markensicht von grossem Interesse sind die Optionen in der Content-Erstellung. Hier macht Snapchat deutlich, dass die Inhalte exklusiv und in Echtzeit erstellt werden sollen. Zwar gibt es seit einiger Zeit die Möglichkeit, vorproduzierte Bilder und Videos in einer Story hochzuladen. Diese sind jedoch deutlich sichtbar mit einem weissen Rahmen gekennzeichnet. Der Nutzer merkt also schnell, wenn Unternehmen nicht authentisch kommunizieren.
Dafür belohnt Snapchat Werber, Publisher und Unternehmen, die regelmässig Stories posten, indem es den Followern eines Accounts ungefiltert alle Storys anzeigt. Die Reihenfolge oder Auswahl der Stories wird nicht von einem Algorithmus bestimmt. Sie erscheinen schlicht in chronologischer Reihenfolge.
Das hat zur Folge, dass Snapchat Storys grundsätzlich eine höhere Sichtbarkeit haben - die Übersicht aller Stories findet sich nur einen Wisch vom Snapchat-Startscreen aus entfernt - und damit attraktiver für Unternehmen sind als bei Konkurrent Instagram. Das führt dann auch dazu, dass, obwohl die Nutzerzahl bei Snapchat kleiner ist, "die Conversion Rate deutlich höher ist", wie Kastilo sagt, und "Follower schneller zu Käufern werden."
In welchen Bereichen Instagram Stories besser sind
Wie bereits angedeutet profitieren die Instagram Stories von vielen naturgegebenen Faktoren. Die potenzielle Nutzerschaft ist bei weltweit 600 Millionen monatlich aktiven Instagrammern deutlich grösser als bei Snapchat. Damit ist der Reichweitenaufbau für Marken leichter zu bewerkstelligen. Hinzu kommt, dass die App einfacher zu bedienen ist und sich früher für Unternehmen geöffnet hat.
Das Vertrauen seitens der Marketer in den bekannten Dienst Instagram und seine Werbemöglichkeiten ist von Grund auf höher als bei Snapchat. Zumal die Anzeigen für Stories über Promoted Ads oder andere Werbeformen vom zuständigen Marketingverantwortlichen bequem über den Power Editor von Facebook ausgesteuert werden können. Mit einem kleinen zweistelligen Budget können Werber bereits gezielt Nutzer auf der Bilderplattform ansprechen. Auf Snapchat beginnen effektive Marketingaktionen ab einer vierstelligen Summe - ein grosser Unterschied.
Und auch in den Stories selbst spürt man die Werbeexpertise von Facebook. So können Unternehmen den eigenen oder auch fremde Accounts im Text mit @Benutzername verlinken und Live-Videos produzieren. Wie zu Beginn bei Periscope verschwinden die Live-Videos sofort nach dem Ende des Streams ohne Möglichkeit, sie zu speichern. Nichtsdestotrotz ist die Echtzeit-Berichterstattung über Instagram Stories spannend, um seine Follower besser kennenzulernen.
In der Testphase sind zudem bereits klickbare Links, die aus einer Story auf externe Seiten führen. Und sogar der Upload von vorproduzierten Inhalten ist möglich. Das heisst: Marken können sich perfekt inszenieren und Hochglanz-Inhalte für die eigenen Stories kreieren. "Instagram glänzt mehr. Es ist ein 'Behind the Scenes'-Kanal", wie Virginia Salas Kastilo zusammenfasst.
Der unberechenbare Algorithmus
In puncto Kreativität besticht die Facebook-Tochter bereits heute durch Glitzerschriften und verschiedene Stifte zum Zeichnen, die in der Gesamtheit jedoch (noch) nicht mit der Vielseitigkeit von Snapchat mithalten können. Die kürzlich hinzugefügte Erweiterung, Videos freihändig - also ohne ständiges Drücken des Aufnahmeknopfes - aufzunehmen und eine ganze Story automatisch in einem einzigen Video abzuspeichern, machen etwaige kreative Defizite aus Marken- und Influencer-Sicht aber wieder wett.
Kritischer ist da aus der Firmenperspektive, dass bei Instagram die Stories von einem Algorithmus sortiert werden. Die Faktoren, die den Algorithmus beeinflussen, sind unbekannt. Ergänzend dazu haben die Stories in der App einen weniger exklusiven Status. Sie sind zwar auf dem Startbildschirm in einer Leiste oben verhaftet. Dafür ist die Anzahl der sichtbaren Stories mit vier bis fünf geringer als bei Snapchat. Ausserdem bietet Instagram seinen Nutzern an, Accounts zu folgen, die Stories allerdings auf "stumm" zu schalten.
Fazit
Abschliessend lässt sich sagen, dass die Stories von Instagram und Snapchat von Besonderheiten geprägt sind und keinesfalls vollumfänglich miteinander vergleichbar sind.
Der grösste Vorteil der Instagram Stories ist mit Sicherheit die vorhandene Werbestruktur, die Live-Funktion und der Vertrauens- und Erfahrungsvorsprung. Das Bildernetzwerk von Kevin Systrom bietet ein bekanntes Terrain, auf dem sich Unternehmen bereits seit einiger Zeit tummeln.
Snapchat dagegen besticht durch Kreativität und eine sehr junge Nutzerschaft, die momentan auf keinem anderen Kanal zu finden ist. Ausserdem ist die Fallhöhe relativ gering. Das bestätigt auch Annelie Seifert, Account Managerin bei der Münchner Agentur We Are Social: "Auf Snapchat kann man als Unternehmen am Anfang nur wenig falsch machen." Sie plädiert für eine Kultur des Experimentierens in Unternehmen. Wie das gelingen kann, hat kürzlich der aktuelle Jahrgang der Axel Springer Akademie mit dem Snapchat-Holocaust-Projekt "Sachor jetzt" eindrucksvoll unter Beweis gestellt - ein Best Practice Case.
Letztendlich müssen sich Unternehmen immer die Frage stellen: Wie gross sind meine Kapazitäten und wen möchte ich mit meinem Content erreichen? Sind diese Fragen geklärt, sind sowohl die Snapchat Stories als auch die Instagram Stories für Werber und Publisher attraktiv.