"Going Dark"-Debatte unnötig
16.02.2016, 13:15 Uhr
16.02.2016, 13:15 Uhr
"Internet of Things" liefert genügend Abhördaten
Die "Going Dark"-Debatte in den USA ist in vollem Gange. Ein Verbot von Verschlüsselung ist, wie zwei aktuelle Harvard-Studien belegen, allerdings weder zielführend, noch notwendig.
"Going Dark" ist aktuell besonders eines: Angst. Angst der US-Sicherheitsbehörden, dass kommuniziert wird, ohne dass sie mithören können. Ein Schuldiger ist für FBI Director James Comey auch schon gefunden: End-to-End-Verschlüsselung. Und natürlich die Hardware- und Software-Hersteller, die diese in ihre Produkte einbauen und somit der unüberwachten Kommunikation von potenziellen Terroristen Tür und Tor öffnen.
Eine solche Tür soll nun allerdings auch die Lösung des Problems sein. Comey will eine gesetzlich mandatierte Hintertür für Sicherheitsbehörden, die Hersteller in ihre Produkte einbauen müssen. Die US-Staaten New York und Kalifornien haben es schon beschlossen, auch wenn diese Gesetze nun einer landesweiten Regelung Platz machen sollen. Man kann schliesslich von Apple und Co. nicht verlangen, eigene Produkte für bestimmte Staaten herzustellen.
Immer mehr Verschlüsselung seit Snowdens Enthüllungen
Den Anstoss zur "Going Dark"-Diskussion gaben Tech-Konzerne im Herbst 2014. Nachdem durch Edward Snowden bekannt wurde, wie viel Kommunikation von US-Sicherheitsbehörden abgehört wird, verkündete Apple als erster Hersteller, eine Default-Verschlüsselung des Passwort-geschützten Contents in den mobilen Devices einzubauen. Andere Konzerne liessen nicht lange auf sich warten: Google, WhatsApp und Yahoo zogen bald nach.
Beim Thema Datenschutz und -sicherheit gehen in den USA die Meinungen auseinander. Während User und Unternehmen persönliche Daten und die Möglichkeit verschlüsselter Kommunikation nicht so einfach aufgeben wollen, geht es den Behörden in erster Linie um die nationale Sicherheit. Und die Tatsache, dass man durchs Mithören aller Kommunikation vielleicht doch ein schwarzes Schaf und einen potenziellen Attentäter findet. Sicherheit über Freiheit, das altbekannte Problem. Aber würde eine gesetzlich verordnete Hintertür in verschlüsselten Produkten überhaupt etwas bringen?
Nein, bestätigen Forscher der Harvard University jetzt. In ihrer breit angelegten Recherche fanden sie 865 Hardware und Software-Produkte, die Verschlüsselung irgendeiner Art enthalten. Verschlüsselt werden Dateien, E-Mails, VPNs oder Nachrichten. Und natürlich kommen nicht alle Encryption Hard- und Software aus den USA. 546 der Produkte kommen aus 55 anderen Ländern. Die meisten davon - wenig überraschend - aus Deutschland. Nun würde ein US-Gesetz, das eine behördliche Abhör-Hintertür vorschreibt, nur für US-Hersteller gelten. Eine obligatorische Hintertür ist somit unwirksam, allein weil der Markt der Produkte so international ist. Terroristen hätten dann immer noch die Möglichkeit, auf zahlreiche andere ausländische Verschlüsseler zurückzugreifen.
Hintertüren schaden der US-Wirtschaft
"Ja, es wird Kriminelle treffen, die zu dumm sind, um zu realisieren, dass ihr Sicherheitsprodukt jetzt eine Hintertür hat oder die zu faul sind, um zu einer Alternative zu wechseln. Aber diese Kriminellen sind prädestiniert dafür, viele andere Fehler zu machen und werden deshalb sowieso leicht zu fangen sein", so die Harvard-Forscher. Aktuell diskutieren zwar nicht nur die USA sondern auch andere Länder wie Grossbritannien oder Frankreich ein solches Gesetz. Alle Länder, in denen Encryption-Produkte hergestellt werden, werden aber sicher nicht mitziehen. Zumindest Deutschland (113 gefundene Produkte) und die Niederlande (20 Produkte) schliessen verordnete Hintertüren in der Verschlüsselung aus.
Und ein solches Gesetz trifft nicht nur die Richtigen nicht, es trifft auch noch die Falschen. Und zwar die User, die sich keine Gedanken über staatliche Überwachung machen oder zumindest nicht genug, um zu einem anderen Produkt zu wechseln. Die wären dann für einen Hackerangriff oder das Abhören durch eine andere Regierung verwundbar. Und noch dazu kann so ein Gesetz auch die US-Wirtschaft schwächen, die vom Verkauf von ITK-Ware ja schliesslich auch profitiert.