Selbstdenkende Maschinen
29.01.2016, 10:20 Uhr
29.01.2016, 10:20 Uhr
KI: Zuckerberg sagt Google den Kampf an
Zum ersten Mal hat ein Computer einen Menschen im Brettspiel Go besiegt. Das Programm stammt von Google. Grund genug für Mark Zuckerberg, der selber ein Go-Programm entwickelt, ein neues KI-Ziel zu formulieren.
Mark Zuckerberg konnte sich zwar über neue Rekordzahlen seines Imperiums freuen, musste allerdings den Erfolg eines Konkurrenten hinnehmen, den er gerne für sich selber verbucht hätte: Ein vom Google-Unternehmen Deepmind entwickeltes Programm hat erstmals einen Menschen im asiatischen Brettspiel Go besiegt.
Auch Facebook arbeitet an einer Go-Software. Aber das mit weniger Erfolg als Google. Grund genug für Zuckerberg, sich ein neues Ziel im Bereich der Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) zu stecken: ein System, das ihm im Haushalt und im Büro hilft - wie Iron Mans Jarvis. Und dem möchte er "Common Sense" - gesunden Menschenverstand - beibringen.
Auch wenn das noch ein bisschen wie Science Fiction oder eben Marvel Comic klingt, KI oder lernende Software ist bereits allgegenwärtig. Sei es der Newsfeed bei Facebook, der lernt, welche Beiträge welcher Seite die User häufig anklicken, Amazons Produktempfehlungen, der Spotify-Stream, der den Musikgeschmack mit der Zeit immer besser kennt, oder Suchergebnisse bei Google. Alles basiert auf Algorithmen, die mit Daten des Nutzer-Verhaltens gefüttert werden. Und aufgrund dieses vergangen Verhaltens dann vorhersagen, was sich User in der Zukunft wünschen. Predictive Data Analysis nennt man das dann.
Battle der Tech-Riesen
Damit lässt sich, neben den Lorbeeren, wenn die Entwicklung einer möglichst menschengleich denkende Maschine gelingt, auch viel Geld verdienen. Kein Wunder also, dass sich die Digital-Riesen um die Vorherrschaft beim Maschine Learning batteln.
Google Now und Apples Siri - die Spracherkennungssysteme auf Android- beziehungsweise iPhone - sind jetzt schon quasi persönliche digitale Assistenten. Siri tut, was der Nutzer ihr sagt. Das ist aber nicht genug. Siri soll künftig können, was Google Now jetzt schon kann: antizipieren, was der Nutzer will.
Apple investiert fleissig, um den Konkurrenten aus Mountain View nicht uneinholbar davon eilen zu lassen. Letzten Herbst suchte der Konzern 86 neue Mitarbeiter nur für den Bereich KI-Entwicklung. Anfang Januar wurde dann das Start-up Emotient gekauft, das eine Technik entwickelt hat, die mittels KI Gefühle erkennen kann. Dafür werden Gesichtsausdrücke analysiert und Gefühle so gedeutet. Werbeagenturen nutzten die Software, um die Reaktion beim Beobachten einer Kampagne zu analysieren. Auch Ärzte haben Emotient genutzt: bei Patienten, die sich schwer mitteilen konnten.
Künstliche Intelligenz lernt durch Daten
Was Apple mit dem Unternehmen vorhat, ist nicht klar. Allerdings wartet auch ein grosses Problem auf den Tech-Giganten. KI-Systeme lernen durch Daten. Und Tim Cook betonte erst unlängst, dass man - anders als die Konkurrenz - die informationelle Selbstbestimmung achten und keine Daten der User sammeln würde. Sein Geld verdient Apple ohnehin in erster Linie mit Hardware, so Cook.
Anders als der als "Datenkrake" verschriene Wettbewerber. Schon vor über fünf Jahren hatte Googles CEO Eric Schmidt gesagt: "Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen mehr oder weniger, worüber du nachdenkst." Die logische Fortführung der Aussage ist: Wir wissen was du willst, noch bevor du es selber weisst. Antizipierendes Verhalten ist auch das Ziel jeder KI. Doch zu wissen, welches Verhalten zu erwarten ist, kann nur aufgrund vieler zur Verfügung stehender Daten erreicht werden. In welchen Gegenden hält der User sich normal auf, wo kauft er ein, wie ist sein Alltag, wer sind seine engsten Bezugspersonen?
Meilenstein in der KI-Entwicklung
Nun konnte das Unternehmen einen erneuten Meilenstein im Bereich KI erreichen. Die KI "AlphaGo", entwickelt von Googles Zukauf Deepmind, konnte den Go-Profi Fan Hui schlagen. Das asiatische Brettspiel Go gilt als noch komplizierter als Schach. Bisher war jeder Computer seinem menschlichen Gegner unterlegen - Go galt immer als letzte Bastion des menschlichen Verstandes und daher als Massgabe für KI-Entwickler. Wer es schafft, seinen Computer das Spiel gewinnen zu lassen, ist führend im Bereich künstlicher Intelligenz.
Obwohl das Spiel bereits im vergangenen Herbst stattfand, wurde der Erfolg der von Deepmind entwickelten Software erst jetzt bekannt: durch einen in "Nature" veröffentlichten Artikel von David Silver und Deepmind-Gründer Demis Hassabis. Die Verfasser feiern den Sieg als "ein Kunststück, von dem man bislang glaubte, es sei noch ein Jahrzehnt entfernt". Im März soll AlphaGo dann gegen den als besten Spieler der Welt geltenden Südkoreaner Lee Sedol antreten.
Viele Köche verbessern den Brei
Google schaffte diesen Erfolg aber nicht nur durch die grosse Datenmenge, exzellente Entwickler und frühzeitige Investitionen in den Bereich. Sondern auch, indem auf die Intelligenz der Masse gesetzt wird, nicht nur auf geheimes Entwickeln im dunklen Kämmerlein. Im November hatte der Konzern das Programmpaket "Tensorflow" als Open-Source-Software zur Verfügung gestellt. Tensorflow ist laut Sundar Pichai schneller, klüger und flexibler als alte KI-Systeme. Und massgeblich für den Fortschritt Googles im Bereich künstliche Intelligenz verantwortlich.
Diese "Geheimwaffe" zu veröffentlichen hat einen Grund. Pichai erhofft sich, indem er die Software jedem gratis zur Verfügung stellt, eine beschleunigte Entwicklung. Nach dem Motto: Viele Köche verbessern den Brei. "Wir hoffen, dass die Gemeinschaft der KI-Forscher neue Ideen künftig viel schneller austauschen kann - in Form von funktionierenden Programm-Codes statt durch theoretische Wissenschaftsaufsätze", so Pichai.
Zuckerberg sagt Google den Kampf an
Auch Facebook hat im vergangenen Jahr eine KI entwickelt, die Go lernen kann. Gestern Morgen, zum fast gleichen Zeitpunkt, als Googles Erfolg bekannt wurde, postete Zuckerberg, dass sie nicht mehr weit entfernt davon sind, ein fähiges Go-Programm zu entwickeln. Ein Wort zu Googles Erfolg verliert er nicht.
Dafür folgte kurz nach der Vermeldung der Quartalszahlen eine Kampfansage. Er möchte eine Jarvis-KI entwickeln. Zunächst soll diese nach Mustern lernen. Durch "Überwachtes Lernen". Das sei in etwa so, als würde man einem Kleinkind ein Bilderbuch zeigen, und ihm die Namen von allem was es sieht sagen, so Zuckerberg. Alle Probleme, die auf eine Erkennung von Mustern reduziert werden können, könnten mit künstlicher Intelligenz gelöst werden.
Für den Anfang gibt sich der Facebook-Chef aber damit zufrieden, dass "sein" Jarvis ihn an der Haustür erkennt und ihm automatisch die Tür öffnet oder sich sein Haus mithilfe seiner Stimme steuern lässt. Aber sein KI-System soll nicht nur Muster erkennen können, sondern auch "Common Sense" - gesunden Menschenverstand - haben. Denn damit könne Wissen aus einem Bereich auf einen anderen angewendet werden. So kann eine Maschine auf Probleme und Situationen reagieren, die ihr unbekannt sind. Einziger Haken: "Niemand weiss, wie man einer KI das beibringen kann."
Das grösste Problem unserer Zeit
Zuckerberg denkt, dass dies nur über "unüberwachtes Lernen“ geht. Um noch einmal auf den Kind-Vergleich zurückzukommen: dem Kind ein Buch in die Hand zu geben und es alleine herausfinden lassen, was es damit tun soll. Das ist für ihn der Schlüssel zu Maschinen mit menschenähnlichem Common Sense. Ein selbständig denkender Roboter also, der sprechen kann und komplexe Handlungen planen kann.
Angst vor KI sollte man Zuckerberg zufolge nicht haben. Das grösste ungelöste Problem unserer Zeit sei herauszufinden, wie generelles Lernen funktioniert. Ohne das zu wissen, kann ein Computer niemals so intelligent werden wie ein Mensch. Auch wenn Jarvis noch weit weg ist, Zuckerberg wird alles tun, um die KI-Entwicklung weiter voranzutreiben.