Der vernetzte Haushalt
30.08.2016, 22:43 Uhr
Sprachsteuerung soll das Smart Home voranbringen
Immer mehr Geräte im Haushalt bekommen einen Internet-Anschluss. Damit die Vision von einem vernetzten Zuhause Wirklichkeit wird, müssen sie aber auch miteinander verzahnt werden. Dabei könnte Sprache künftig eine zentrale Rolle spielen.
So eine Sprachsteuerung ist schon praktisch, man kann sein iPhone oder Android-Gerät mal eben per Voice Command anweisen, den Wecker für acht Uhr zu stellen, Onkel Rudi auf dem Handy anzurufen oder im Internet nachzusehen, ob man morgen einen Regenschirm benötigt. Auch wenn Letzteres zu den wohl am häufigsten gestellten Fragen an Apples Sprachassistentin Siri zählen dürfte – kaum jemand greift in der Öffentlichkeit auf ihre Dienste zurück.
Zu peinlich erscheint es den meisten, sich auf der Strasse mit seinem Smartphone zu unterhalten, vor allem wenn die Dame mal wieder zickt und einen partout nicht verstehen will. Und so bleibt die Sprachsteuerung meist auf den Einsatz in den eigenen vier Wänden beschränkt.
Unterwegs peinlich, zu Hause sehr praktisch
Ob es irgendwann einmal selbstverständlich sein wird, dass man unterwegs nicht mehr ins Smartphone tippt, sondern eine WhatsApp-Nachricht per Sprachbefehl diktiert und verschickt, bleibt abzuwarten. Zu Hause aber steht der Bedienung per Sprache eine grosse Zukunft bevor, darin sind sich Hersteller aus den unterschiedlichsten Bereichen sicher. Dabei geht es zum einen um den Zugriff aufs Internet, wie es vor rund zwei Jahren Amazon mit Echo und der darin implementierten Software Alexa präsentiert hat.
Das röhrenförmige Gerät soll am besten in der Mitte des Raumes, etwa auf dem Couchtisch im Wohnzimmer, positioniert werden und beantwortet dann Fragen, die sich mittels Webzugriff recherchieren lassen. Zusätzlich kann Echo, das immer noch nicht in Europa verfügbar ist, auch Kalender verwalten, die Musik steuern und vieles mehr.
Anfangs war Echo ein für sich allein stehendes System, die Anbindung an andere Geräte oder gar die Steuerung des Smart Home war Zukunftsmusik. Mittlerweile gibt es aber etliche Hersteller, die ihre Lösungen mit Alexa verheiratet haben und so die Kontrolle per Sprache erlauben – unter anderem Philips mit seinem Beleuchtungssortiment Hue. Besitzt man also ein Echo und ein paar der smarten Philips-LEDs, so genügt der Satz „Alexa, dimme das Licht im Wohnzimmer und schalte die Lampe im Flur aus“, um besagte Aktionen ausführen zu lassen – perfekt für Couch-Potatoes.
Unterhaltung mit der Wohnzimmerlampe
Auch beim LED-Spezialisten Sengled beschäftigt man sich intensiv mit dem Thema, auf der IFA 2015 hat der Hersteller bereits eine Studie namens „Voice“ gezeigt. „Wir sehen die Zukunft ganz klar im Bereich der Sprachsteuerung“, erklärt Marketing Director Jutta Peinze im Gespräch mit Telecom Handel. Sie schneidet aber gleichzeitig auch einen Punkt an, der die Verbreitung von Voice Control in den Massenmarkt verlangsamen könnte: „Wir sehen die Gefahr, dass sich der Nutzer abgehört vorkommt, da ja beispielsweise Echo permanent aufzeichnet, um dann nach Erkennen des Aktivierungsworts mit der Suche zu beginnen oder ein Kommando umzusetzen.
Das kann die Entwicklung des Produkts hemmen, zumal den Themen Datenschutz und Privatsphäre in Europa und speziell in Deutschland ein sehr viel höherer Stellenwert beigemessen wird, als das häufig in den USA der Fall ist.“ Hier gelte es, Lösungen zu erarbeiten, die diesen Anforderungen gerecht werden.
Genau das hat man sich beim Start-up Protonet mit dem Projekt Zoe vorgenommen.
Genau das hat man sich beim Start-up Protonet mit dem Projekt Zoe vorgenommen.
Die Hamburger sammelten per Crowdfunding Geld, um ein Smart Hub zu entwickeln, ab Dezember soll es auf den Markt kommen. Anders als bei Echo verbleiben die aufgezeichneten Sprachdateien laut den beiden Protonet-Gründern Ali Jelveh und Christopher Blum stets auf dem internen verschlüsselten Speicher, es finde kein Transfer in die Cloud statt.
Dennoch soll Zoe beständig hinzulernen und so von Tag zu Tag besser verstehen. Dabei helfen werden auch regelmässige Software-Updates, etwa um die Syntax-Erkennung zu verbessern. Ein cleveres Detail: Neben dem Hauptgerät wird es kleine sogenannte Drops geben, die der Benutzer an verschiedenen Stellen frei im Haus anbringen kann. Diese kommunizieren dann mit dem Smart Hub und erlauben so die Sprachsteuerung überall. Zum Start wird das System mit Philips Hue arbeiten, auch eine Kooperation mit Googles Smart-Home-Projekt Nest ist geplant.
Home: Googles Antwort auf Amazon Echo
Der Internet-Riese selbst ist auch nicht untätig, auf der diesjährigen Entwicklerkonferenz I/O zeigte CEO Sundar Pichai mit Google Home die Antwort auf Amazons Echo, der Vermarktungsstart soll noch in diesem Jahr erfolgen. Die kompakte Kombination aus Lautsprecher und Mikrofon erlaubt es dann beispielsweise, einen Musikstream eines bestimmten Albums per Sprachkommando zu starten, einen Film in der Online-Videothek zu suchen und auf den im Netzwerk angeschlossenen Smart TV zu schicken oder auch einfach eine Textnachricht an einen bestimmten Kontakt zu senden. Wer mehr als einen Google Home besitzen wird, der kann die Speaker auch als echte Multiroom-Soundlösung einsetzen, verspricht Google.
Damit wildert man in Gefilden, in denen seit Jahren Sonos unangefochtener Platzhirsch ist und sich seit geraumer Zeit auch viele andere HiFi-Hersteller mit ihren Lösungen tummeln. Sonos-Chef John MacFarlane hatte im Frühjahr überraschend angekündigt, das Unternehmen komplett umkrempeln und fit für die Zukunft machen zu wollen – unter anderem mit einer eigenen Sprachsteuerung. „Wir sind Fans von dem, was Amazon mit Echo und Alexa gezeigt hat“, gab er unumwunden in einem Blog-Eintrag zu. „Wir denken langfristig darüber nach, wie wir die sprachgesteuerte Musikerfahrung in das Zuhause bekommen.
Das Thema Sprache bedeutet eine grosse Veränderung für Sonos, und wir werden so viel investieren, wie nötig ist, um eine entsprechende Lösung auf den Markt zu bringen.“ Dass sich Sonos hierbei nicht nur auf die Steuerung der Musikwiedergabe beschränken will, erscheint logisch, vielmehr wird erwartet, dass MacFarlane seine Lautsprecher als Zentrale für das Smart Home sieht. Indiz dafür könnte sein, dass im zuletzt vorgestellten Speaker Play:5 zwei Mikrofone verbaut sind, die für die Musikwiedergabe nicht erforderlich sind.
Inwieweit Sonos eine eigene Technologie entwickeln wird, kann momentan nicht abgeschätzt werden, wahrscheinlicher ist aber eine Kooperation mit einem in diesem Gebiet bereits erfolgreich tätigen Unternehmen. Die Lobeshymne von MacFarlane auf Amazons Alexa lässt hier zumindest Vermutungen zu, dass man nicht selbst viel Geld in eigene Forschung investieren wird.
Die Konkurrenz von Sonos schläft nicht
Ähnliches könnten aber in absehbarer Zeit auch die direkten Konkurrenten von Sonos beginnen. So kursieren seit kurzem Gerüchte, dass Harman seine Multiroom-Speaker mittels Sprachsteuerung zu Schaltzentralen im Vernetzten Zuhause machen will, Gespräche mit Google Nest sollen bereits laufen. „Zukünftig werden Sprachkommandos sicher auch über das Smartphone hinaus weiterentwickelt und in weiteren Produkten und Anwendungen integriert sein.
Mittelfristig sehen wir die Sprachsteuerung als eine wichtige Möglichkeit, nicht nur mobile Produkte zu bedienen“, sagt Frank Lohmann, Marketing Manager Harman Deutschland auf Nachfrage der Redaktion. Auch bezüglich Bowers & Wilkins brodelt die Gerüchteküche, seit das Unternehmen im Mai dieses Jahres seine Übernahme durch das vom ehemaligen Facebook-Finanzchef Gideon Yu gegründete Start-up EVA Automation bekannt gegeben hatte.
Auch die britische Edelschmiede will bis Ende des Jahres neue Produkte zeigen – und auch hier wird gemunkelt, dass diese mit Sprachsteuerung ausgestattet sein könnten.
In den kommenden Monaten dürfte sich also jede Menge tun im Bereich der Sprachsteuerung, zumal die Rolle von Apple hier noch vollkommen unklar ist. Die Kalifornier haben mit Siri zweifelsohne diese Form der Interaktion zwischen Nutzern und Endgeräten in den Massenmarkt gebracht, gut möglich also, dass Apple demnächst ein komplett neues Produkt mit Voice Control vorstellt. Andererseits könnte der Konzern aber auch das umfangreiche Know-how, das man sich über die Jahre erarbeitet hat, an Hersteller in Form von Siri-Lizenzen vergeben und so eine neue Geldquelle erschliessen.