Hintergrund 24.02.2020, 08:30 Uhr

Quantenrechner: Geschwindigkeits-Wunder mit offener Zukunft

Quantencomputer sind superschnell. Doch praktische Anwendungen sind nicht in Sicht. Der Übergang von der Grundlagenforschung zur angewandten Forschung ist dafür inzwischen geschafft.
(Quelle: Shutterstock / Amin Van)
«Historischer Meilenstein», «Wissenschaftlicher Durchbruch» und sogar der Vergleich mit dem ersten Flug der Gebrüder Wright – die Schlagzeilen überschlugen sich, als Ende Oktober der Artikel «Quantenüberlegenheit mit Hilfe eines supraleitenden Prozessors» über den Quantencomputer von Google in der Zeitschrift «Nature» erschien.
Was war passiert? Google hatte mit seinem Sycamore-Prozessor, der aus 53 Quantenbits (Qubits) besteht, ein Problem innerhalb von 200 Sekunden gelöst, für das der schnellste Superrechner der Welt dem Internetkonzern zufolge ungefähr 10'000 Jahre benötigen würde. Daher beansprucht Google die sogenannte Quantenüberlegenheit (Quantum Supremacy) für sich – den Moment, in dem ein Quantencomputer etwas berechnet, das kein klassischer Computer mehr berechnen kann, zumindest über den Zeitraum eines Menschenlebens hinweg.
Doch ist das wirklich der Durchbruch, von dem viele Forscher schwärmen? Um diese Frage zu beleuchten, muss zunächst geklärt werden, wie ein solcher Quantencomputer überhaupt funktioniert.

Qubits mit mehreren Zuständen

Ein klassischer Rechner rechnet mit binären Bits, die nur einen der beiden Werte 0 oder 1 annehmen können. Das heisst, Register und Speicherinhalte haben zu jedem Zeitpunkt einen einzigen Wert. Ein Quantencomputer hingegen nutzt sogenannte verschränkte Quantenbits, (Qubits). «Qubits sind Quantenobjekte und können damit in mehreren Zuständen zugleich existieren, sprich sie können eben nicht nur die Werte 0 oder 1 annehmen, sondern durch die Überlagerung von Quantenzuständen auch jede beliebige Kombination aus beidem», erklärt Ingolf Wittmann, Technical Director HPC bei IBM in Europa. Da Register und Speicherinhalte mehrere Werte gleichzeitig in Überlagerung enthalten können, werden viele Rechenwege gleichzeitig durchlaufen. So ist bereits ein einziger Quantenprozessor in sich massiv pa­rallel. Er benötigt dazu im Gegensatz zu einem klassischen Rechner nicht mehrere Prozessorkerne.
“Quantencomputer werden vermutlich nie klassischen Computern im Allgemeinen überlegen sein, sondern gemeinsam mit ihnen arbeiten„
Ingolf Wittmann, Technical Director HPC bei IBM in Europa und Ambassadors Leader Global von IBM Q
Ein Qubit wird erst dann auf einen konkreten Wert festgelegt, wenn es gemessen wird. Jedes zusätzliche Qubit verdoppelt dabei die Leistungsfähigkeit des Systems – bei 50 Qubits gäbe es also zwei hoch 50 Kombinationsmöglichkeiten. Ausser den Überlagerungen der Zustände 0 und 1 in den jeweiligen Qubits nutzen Quantencomputer die Verschränkung zweier Quantenbits. «Durch diese Eigenheit der Quantenmechanik, die Einstein als ‹spukhafte Fernwirkung› bezeichnete, lassen sich zwei Qubits so miteinander koppeln, dass jede Manipulation des einen Qubit einen direkten Effekt auf das andere Qubit hat», erläutert Ingolf Wittmann.
Die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Lösung des jeweiligen Rechenproblems am Ende der Rechnung zu messen, wird durch die Wellenfunktion des Quantencomputer-Chips beschrieben. Diese setzt sich aus den Wellenfunktionen der Qubits zusammen. Die Wahrscheinlichkeitsverteilungen stehen miteinander in Wechselwirkung. Ein guter Quanten-Algorithmus nutzt die Interferenz dieser Wellenfunktionen, sodass sich die falschen Lösungen aufheben und die korrekten Lösungen verstärken. Auf diese Weise lassen sich wesentlich mehr Daten und komplexere Aufgaben viel schneller parallel statt linear berechnen.



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