Meeresbiologin mit Mission
15.05.2019, 10:08 Uhr
Künstliche Riffe aus dem 3D-Drucker
Korallenriffe leiden unter dem Klimawandel. Ulrike Pfreundt will mit ökologisch sinnvollen Strukturen aus dem 3D-Drucker künstliche Riffe ermöglichen, die widerstandsfähigeren Korallen neuen Lebensraum bieten.
Ulrike Pfreundt sucht nach geeigneten Oberflächenstrukturen für künstliche Riffe, um Korallenlarven wieder anzusiedeln. Im Bild: 3D-Sanddrucke von Mathias Bernhard, wie sie dereinst zum Einsatz kommen könnten
(Quelle: ETH Zürich / Peter Rüegg)
Ulrike Pfreundt denkt gerne gross und weiss, was sie will. «Erwärmen sich die Weltmeere ungebremst weiter, drohen bis 2050 über 90 Prozent aller Korallenriffe abzusterben – dagegen möchte ich etwas tun», sagt die 34-jährige deutsche Forscherin.
Dass die bunt leuchtenden Lebensgemeinschaften zusehends erblassen, betrübt die Biologin sichtlich. Korallen verdanken ihre prächtigen Farben symbiotischen Algen, die in ihrem Gewebe leben und sie mit Nahrung versorgen. Wird das Wasser zu warm, stossen die Korallen die Algen ab, bleichen aus und verhungern mit der Zeit.
«Da Riffe die Brutstätte für mindestens ein Viertel aller Fischarten im Ozean sind, wirkt sich ihr Verlust verheerend auf die Stabilität mariner Ökosysteme aus», weiss Pfreundt. Das gefährdet nicht nur die globale Fischerei: Weltweit sind Millionen Menschen direkt von intakten Riffen abhängig, die ihnen Nahrung, Einkommen und Schutz vor Überschwemmungen und Küstenerosion gewähren. Pfreundt hat sich daher zum Ziel gesetzt, abgestorbene Korallenriffe wieder mit Leben zu besiedeln.
Die Regenwälder der Meere restaurieren
Pfreundt hat in Freiburg im Breisgau Molekularbiologie und Genetik studiert. «Weil ich das Leben auf seiner tiefsten Ebene verstehen wollte», erzählt sie. Schon als Kind war sie von der Vielfalt des Regenwalds fasziniert. Mit 20 Jahren entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Lebenswelt der Meere. Seither taucht sie regelmässig und engagiert sich für marine Naturreservate. Im Nebenfach hat sie Meeresbiologie studiert und später in ihrer Doktorarbeit Genetik und Meeresbiologie kombiniert.
Da Ulrike Pfreundt gerne interdisziplinär arbeitet, kam sie 2016 mit einem ETH Postdoc Fellowship ans Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich. Im Team von Professor Roman Stocker fand sie ein ideales Umfeld: Hier erforschen Biologinnen zusammen mit Physikern, Ingenieurinnen und Mathematikern, wie Mikroben und Kleinstlebewesen die Ökologie der Meere gestalten.
Resistente Korallen rekrutieren
Dazu zählen auch die komplexen Lebensgemeinschaften der Korallen. «Viele Arten vermehren sich, indem sie Spermien und Eier ins Wasser abgeben, aus denen sich schwimmende Larven entwickeln», so Pfreundt. Doch diese müssen ein geeignetes Substrat finden, auf dem sie sich niederlassen und zu jungen Korallen heranwachsen können. «Abgestorbene Korallenriffe sind schwer zugänglich für die Larven», erklärt sie. Der Grund ist, dass sterbende Riffe zerfallen und von Makroalgen überwachsen werden. Die Larven brauchen aber eine gewisse strukturelle Vielfalt und ein algenfreies, hartes Substrat, um sich anzusiedeln.
Deshalb will Pfreundt degradierte Riffe mittels künstlicher Strukturen wiederherstellen. Strategisch geplante Kunstriffe können sich mit der Zeit wieder zu selbsttragenden Lebensräumen entwickeln und Küsten schützen, ist die Meeresbiologin überzeugt.
Doch wie können künstliche Riffe helfen, wenn das Wasser schlicht zu warm ist? «Zum einen werden nicht alle Korallen unmittelbar sterben», so Pfreundt. Sie geht davon aus, dass gewisse Gebiete für Korallenriffe geeignet bleiben – etwa weil es in der Nähe eine kühlende Strömung gibt. «Zum anderen bin ich ja zum Glück nicht allein», lacht sie. Tatsächlich arbeiten Wissenschaftler weltweit mit Hochdruck daran, hitzeresistente Korallensymbiosen zu züchten oder solche in den Riffen aufzuspüren.