Chancen für ältere ICT-Fachkräfte
Ein Booster für über 50-Jährige
Um diese Herausforderungen im Arbeitsmarkt zu meistern, braucht es neue Modelle, die Unternehmen, Investoren und Arbeitnehmende näher zusammenbringen. Das hat auch M&F Engineering erkannt. Das Softwarehaus startete bereits 2013 ein innovatives Trainee-Programm: Es beschäftigt seither Hochschulabgänger für drei Jahre und schickt sie alle sechs bis zwölf Monate in einen neuen Einsatzbetrieb. 2019 adaptierte die Firma das Modell gemeinsam mit dem Verband swissICT für ältere Arbeitnehmende. So entstand das Förderprogramm «swissICT Booster 50+» (vgl. Kasten) für über 50-jährige Informatiker.
“Das Konzept ist so aufgebaut, dass sämtliche Risiken abgedeckt sind„
Rachel Blaser, M&F Engineering
«Das Konzept ist so aufgebaut, dass sämtliche Risiken abgedeckt sind», sagt Rachel Blaser von M&F Engineering, die das Projekt leitet. Für die beteiligten Firmen sinke zum Beispiel das Risiko einer Fehlbesetzung. Zu einer Anstellung komme es nämlich nur, wenn sich das Arbeitsverhältnis im Rahmen eines sechsmonatigen Einsatzes bewährt habe. Es gebe also eine verlängerte Probezeit, von der beide Seiten profitierten. Die Kandidatinnen und Kandidaten besuchten vor ihren Einsätzen zudem Bootcamps, um technologisch auf den neusten Stand zu kommen. Auch während des Einsatzes gebe es monatliche Weiterbildungen und eine zusätzliche Betreuung durch einen erfahrenen Mentor, erklärt Blaser. So lobt Hilber von P-Connect den «swissICT Booster 50+» dafür, dass nicht nur Empfehlungen gemacht, sondern auch umgesetzt werden.
Raus aus der Komfortzone
Mit älteren Angestellten habe man sehr gute Erfahrungen gemacht, berichtet Rafael Brunner, Leiter der Softwareentwicklung bei der Beratungsfirma EBP. Sie blieben lange im Unternehmen und änderten oft ihre Rolle. «Wer früher mal entwickelt hat, ist jetzt vielleicht ein guter IT-Architekt, Projektleiter, Requirements Engineer oder Testmanager.» Gerade in schwierigen Situationen und im Umgang mit Kunden zeige sich, dass die Erfahrung und Gelassenheit langjähriger Mitarbeitenden sehr wertvoll sei. EBP Schweiz ist eine der Einsatzfirmen, die am Junior-Trainee-Programm von M&F Engineering beteiligt ist. Dieses diente als Vorbild für den «swissICT Booster 50+».
“Der Lohn sollte mit fortschreitendem Alter in einzelnen Fällen auch wieder zurückgehen können, um den Druck auf dem Markt abzufedern„
Rafael Brunner, EBP Schweiz
Bei der Anstellung von Mitarbeitenden 50+ müsse man sich selbst hinterfragen und ihre Erfahrung auch ins Team einbringen, so Brunner. Wichtig sei zudem, dass der Mix zwischen Jung und Alt stimme. Ausserdem sollte man bereit sein, in Weiterbildungen zu investieren. Dass viele Firmen sagen, ältere Arbeitnehmende seien ein Risiko, sei allerdings nachvollziehbar. «Der Lohn sollte mit fortschreitendem Alter in einzelnen Fällen auch wieder zurückgehen können, um den Druck auf dem Markt abzufedern», sagt Brunner. Er wünscht sich, dass die Generation 50+ noch flexibler wird und die Bereitschaft zeigt, ihre Komfortzone zu verlassen. Man habe leider oft die Erfahrung gemacht, dass über 50-jährige Bewerber sehr genau wissen, was sie nicht wollen.
swissICT Booster 50+
Gemeinsam mit M&F Engineering hat swissICT die Förderinitiative «swissICT Booster 50+» lanciert. Sie will arbeitssuchende Informatikerinnen und Informatiker, die über 50 Jahre alt sind, wieder für den Arbeitsmarkt fit machen. Die Kandidatinnen und Kandidaten durchlaufen am Anfang des Programms einen Bewerbungsprozess, an dem die Trägergesellschaft des «swissICT Booster 50+» und die regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) beteiligt sind. Danach ist klar, ob die Bewerberinnen und Bewerber eine Weiterbildung brauchen, um für bestimmte Jobprofile infrage zu kommen. Die Teilnehmenden absolvieren im Rahmen des Projekts mehrere sechsmonatige Projekteinsätze bei Partnerfirmen. Sie profitieren zudem von Weiterbildungen, Coachings und Persönlichkeitstrainings. Die Planung der Weiterbildungen sowie das Vertragsverhältnis mit dem Arbeitnehmenden übernimmt dabei die Trägergesellschaft.
Die Partnerfirmen können so ohne Risiko und ohne Rekrutierungsaufwand motivierte Softwareingenieurinnen und -ingenieure gewinnen. Der Vertragspartner wiederum bezahlt für die Projekteinsätze der Arbeitnehmenden einen festgelegten Stundensatz an die Trägergesellschaft. Nach sechs Monaten entscheiden die Projektpartner, ob eine Anstellung der Bewerberinnen und Bewerber infrage kommt. Falls ja, endet das Vertragsverhältnis mit der Trägergesellschaft und der Projektpartner stellt die Arbeitssuchenden an. Klappt es nicht, hat das Unternehmen die Möglichkeit, weitere Projekte mit neuen Jobsuchenden zu absolvieren. Auch Kandidatinnen und Kandidaten, die keinen Erfolg haben, kriegen nochmals eine Chance. Sie kommen im Rahmen des Boosters mehrmals bei verschiedenen Partnerfirmen zum Einsatz.
Autor(in)
Marcel
Urech