Der Wert der Erfahrung
04.10.2021, 11:44 Uhr
Chancen für ältere ICT-Fachkräfte
Die Beschäftigung von Arbeitnehmenden 50+ ist in der Schweiz eine grosse Herausforderung. Um diese zu lösen, braucht es neue Initiativen, die Firmen, Investoren und Arbeitnehmende näher zusammenbringen – wie das Förderprogramm «swissICT Booster 50+».
Wer über 50 Jahre alt ist und seinen Job verliert, hat es nicht einfach. Der Wiedereinstieg ins Berufsleben ist oft eine Herausforderung und Vorurteile sind weit verbreitet. Langsam, teuer und unflexibel seien sie – und ein finanzielles Risiko. Viele Firmen scheuen sich darum davor, ältere Arbeitnehmende einzustellen. An den Kosten der vielfach benötigten Weiterbildungen beteiligen sie sich oft nicht.
Unsere Top-500-Studie bestätigt, dass Schweizer IT-Anbieter dem Fachkräftemangel – dieser wurde heuer von der Industrie wieder als grösster Bremsklotz eingestuft (vgl. Grafik) – lieber mit anderen Mitteln begegnen, als mit Trainings- und Umschulungsprogrammen für ältere Fachkräfte. Dabei könnte gerade dies Erfolg versprechen, wie die Initiative «swissICT Booster 50+» zeigt.
Der schwierige Weg zurück
Der hohe Kostendruck verleite Unternehmen dazu, auf Near- und Offshoring zu setzen, statt in die Aus- und Weiterbildung älterer Mitarbeitenden zu investieren, erklärt Christoph Hilber, Managing Partner und CEO des Personalberaters P-Connect. Zahlreiche Führungskräfte seien der Meinung, dass es sich nicht lohne, Fachkräfte 50+ umzuschulen. Obwohl diese nicht selten die Einzigen im Betrieb seien, welche die Legacy-Systeme noch warten könnten. «Man darf die älteren ICT-Mitarbeitenden nicht einfach auf alten Systemen vergammeln lassen, sondern muss sie zur Weiterentwicklung zwingen», sagt Hilber. Und trotzdem entstehe heute vielfach der Eindruck, dass die Unternehmen Agilität höher gewichteten als Erfahrung – gerade in der ICT-Branche. Dabei stehe Agilität gar nicht im Widerspruch zu Erfahrung, so Hilber.
“Man darf die älteren ICT-Mitarbeitenden nicht einfach auf alten Systemen vergammeln lassen, sondern muss sie zur Weiterentwicklung zwingen„
Christoph Hilber, P-Connect
Die ICT-Leiter seien häufig junge Techies, die mit jungen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten wollten. Sie würden teils nicht erkennen, dass Erfahrung einen Wert habe und die ideale Ergänzung eines Teams sein könne. Dass ältere Arbeitnehmende nicht agil seien, sei eines der am meisten verbreiteten Vorurteile und ein häufiger Grund für Jobabsagen. «Wir wissen doch mittlerweile, dass Diversität in Arbeitsgruppen bessere und nachhaltigere Resultate liefert als Monotonie», wendet Hilber ein. Und Erfahrung sei ein wichtiger Bestandteil von Diversität. Firmen sollten darum daran arbeiten, die Widerstände gegenüber den über 50-Jährigen in ihren Teams abzubauen. Dafür brauche es die richtige Kultur und die Bereitschaft, ältere Menschen überhaupt einstellen zu wollen. Auf die Frage, was er ihnen rate, sagt Hilber: «Angriff nach vorne!» Es sei für sie besonders wichtig, sich gut verkaufen zu können. Sie müssten sich zudem eigenmotiviert weiterbilden und bei der Vergütung ihrer Arbeit flexibel sein.
Autor(in)
Marcel
Urech