Praxis-Case 19.11.2019, 05:50 Uhr

Wie eine Tourismus-Agentur eine Progressive Web App einsetzt

Urlaubsgäste während ihres Aufenthalts an der Lübecker Bucht gut informieren: Diese Aufgabe löst die regionale Tourismus-Agentur mit einer Progressive Web App.
(Quelle: Tourismus-Agentur Lübecker Bucht)
Wer kommt nicht gern ans Meer, um zu entspannen? Die Tourismus-Agentur Lübecker Bucht hat eine dank­bare Aufgabe: Sie macht touristisches Marketing für die Orte entlang der Lübecker Bucht. Dazu zählen Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Sierksdorf und Neustadt in Holstein.
Falls es den Tagestouristen aus Hamburg und Lübeck oder den Urlaubern aus ganz Deutschland doch nicht genug sein sollte, einfach am Strand zu sein und aufs Meer zu blicken, ist in den Orten immer etwas geboten: Feste, ein Rennradwochenende, Fackelwanderungen oder das Haffkruger Punschtreffen.
Die Gäste wollen natürlich auch wissen, wo ein schönes Café oder die nächste Apotheke ist, weiss André Rosinski, Vorstand der Tourismus-Agentur Lübecker Bucht: "Wir informieren über das Web und sind auf Social Media aktiv", sagt er, "doch wenn der Gast vor Ort ist, hatten wir bisher keine Möglichkeit, ihn mit lokalen ­Informationen in Echtzeit zu versorgen" - zum Beispiel darüber, welche Veranstaltungen gerade während seines Aufenthalts stattfinden.
Quelle: hmmh
Gäste und Einheimische suchen zwar über ihr Smartphone nach diesen Informationen auf Google oder anderen Suchmaschinen, doch die Ergebnisse, die die Suchmaschinen liefern, bleiben an der Oberfläche. "Veranstaltungen, die bei uns vor Ort stattfinden, tauchen in Google nicht auf", weiss der Tourismus-Manager.

In der App nachschauen, was gerade vor Ort geboten ist

Was tun? Der Lösungsansatz: Um die Menschen vor Ort mit detaillierten Infos versorgen zu können, hatte sich die Tourismus-Agentur dazu entschieden, eine mobile App entwickeln zu lassen. Schliesslich sind Smartphones für viele unterwegs wichtige Informationslieferanten. Die Aufgabe der App: Einheimische und ­Gäste zuverlässig über all das zu informieren, was in den Gemeinden gerade los ist.
Quelle: hmmh
Der englische Begriff für solche zeitgenauen, ortsbezogenen Detailinforma­tionen ist "hyperlocal". Im deutschen Digitalmarketing ist diese Bezeichnung allerdings noch relativ neu. "Gäste erwarten eine Wettervorhersage, Hinweise auf Veranstaltungen oder, wo man einkaufen kann. Es geht darum, den Gast vor Ort gut zu lenken. Das alleine ist schon eine Kunst", fasst Rosinski zusammen.
Die Tourismus-Agentur hatte drei Agenturen zum Pitch eingeladen. Zwei boten die Erstellung von nativen Apps für ­Android und iOS an, während die Digital­agentur hmmh mit der Idee punktete, eine Progressive Web App (PWA) zu entwickeln. Eine Progressive Web App ist eine Symbiose aus einer klassischen Webseite und einer mobilen App.
Ihr Vorteil: Da die App keine klassische native App ist, sondern eine Webseite, kann sie ohne Installation schnell auf dem Homescreen des Geräts abgelegt werden und benötigt als reine Webanwendung kaum Speicher. Auf die Funktionen von nativen Apps wie Push-Nachrichten, Geolokalisierung oder Zugriff auf die Kamera muss dennoch nicht verzichtet werden. Besteht gerade keine Internet-Verbindung, kann sie offline genutzt werden. Gäste können auf den Veranstaltungskalender, auf Outdoor-Routen oder ihre individuellen Merklisten auch dann zugreifen, wenn sie kein Netz haben.

Herunterladen aus dem App-Store nicht mehr nötig

André Rosinski, Vorstand der Tourismus-Agentur Lübecker Bucht
Quelle: Tourismus-Agentur Lübecker Bucht
Die Argumente für eine Progressive Web App hatten Rosinski überzeugt. Die Barriere, dass die Nutzer Zugang zur App finden, ist niedriger als bei herkömmlichen mobilen Apps. Denn sie rufen einfach die URL Luebecker-Bucht.guide über den Browser ihres Smartphones auf. Die Suche und das Herunterladen der App aus einem App Store wird damit überflüssig. "Es gibt so viele Apps in den App Stores. Würden die Gäste unsere App wirklich finden und herunterladen?", beschreibt Rosinski die Überlegungen im Vorfeld.
Ein weiteres Argument für die PWA: Der Pflegeaufwand ist für die Tourismus-Agentur insgesamt niedriger, weil nicht zwei native Apps inklusive der Anbindung an die unterschiedlichsten Datenbanken aktuell gehalten werden müssen.
Argument Nummer drei: Die Kosten für die Umsetzung betrugen nur die Hälfte derjenigen für die Umsetzung einer nativen App. "Gerade bei einem Projekt mit Gelegenheitsnutzern als Zielgruppe zeigt sich, dass niedrige Entwicklungskosten in keinem Gegensatz zu einem maximalen Return-on-Investment stehen", sagt ­Marius Bruns, als Unit Director bei für die Entwicklung der App verantwortlich.

Urlauber testen die App

In relativ kurzer Zeit hatte die Digital­agentur das Projekt mit dem Methoden-Framework "Scrum" umgesetzt. Zwischen dem Projektstart und dem Launch lagen drei Monate. "Mitte Januar 2019 haben wir losgelegt und zur ersten Urlaubssaison an Ostern ist die App live gegangen", blickt Bruns zurück. Um sicherzustellen, dass alles so funktioniert wie geplant, testeten Urlauber die App zwei Tage lang.
Blick auf Merkliste des Lübecker Bucht Guides
Quelle: hmmh
Ihr Design wurde so angelegt, dass mehrere Tourismusagenturen Elemente ihrer eigenen Corporate Identity integrieren können. Denn die PWA für die Lübecker Bucht entstand in Kooperation mit der Timmendorfer Strand Niendorf Tourismus GmbH. "Die Kollegen am Timmendorfer Strand haben eine andere Datenbank als wir", sagt Rosinski.

Eine Middleware führt Schnittstellen zusammen

Eine Herausforderung war, die Datenbanken von Dritten an die neue App anzubinden. "Wir wollten die Datenbanken nicht neu aufsetzen", berichtet der Leiter der Tourismus-Agentur. Deshalb hat das Entwicklerteam eine Middleware als Zwischen­ebene eingezogen. Sie sorgt dafür, dass die Schnittstellen zu den verschiedenen Datenbanken zusammengeführt werden, und dient als Zwischenspeicher. Die Daten in der Middleware werden regelmässig aktualisiert. Ein Content-Management-System kommt nicht zum Einsatz.
Wie kompatibel ist die Progressive Web App mit den verschiedenen mobilen Geräten? "PWAs werden auf unterschiedlichen Plattformen unterstützt", erklärt Bruns. Auch wenn noch vieles im Fluss sei, werde die Kompatibilität immer besser. Die App der Lübecker Bucht funktioniere auf den Betriebssystemen Android, iOS, Blackberry und Windows. Die Schnittstelle zur Hardware sei bei den meisten Geräten schon sehr gut, gibt Bruns Auskunft.

Arbeit am Werbekonzept für regionale Unternehmen

Quelle: Tourismus-Agentur Lübecker Bucht
Damit Einheimische und Gäste von der App erfahren und sie verwenden, hat die Tourismus-Agentur Postkarten, Plakate und Thekenaufsteller drucken lassen. Auch in den Informationsmappen der Ferienwohnungen wird auf sie hingewiesen.
Rosinski ist mit der Progressive Web App zufrieden. Inzwischen fragen erste Unternehmen bei der Tourismus-Agentur an, wie sie in der App werben können. "Wir entwickeln jetzt ein Werbekonzept für Anbieter aus der Region", sagt er. Und er will weitere Gemeinden für eine Kooperation gewinnen.
Ausserdem stehen die nächsten Verbesserungen und Funktionserweiterungen an: Mit dem Ausbau der individuellen Merklisten soll die App personalisiert werden. "Die Progressive Web App ist für uns ein Technologieträger. Wir planen, eine digitale Gästekarte zu integrieren", führt Rosinski aus.
Er kann sich auch vorstellen, dass künftig ein Verleih für E-Roller und E-Autos in die App integriert wird. Dann kann der Ausleihprozess darüber abgewickelt werden. Eine weitere künftige Anwendung könnte die Hilfe bei der Parkplatzsuche sein. Für viele Funktionen wird es nötig sein, dass sich die App-Nutzer anmelden oder einloggen, deshalb soll ein Login-Prozess ergänzt werden. "Die Progressive Web App ist für uns kein abgeschlossenes Projekt, sondern aktuell eine erste Basisversion", so Rosinski. Die Arbeit daran geht weiter.




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