Wandel im E-Handel
17.05.2021, 10:58 Uhr
Die Nische blüht
Es muss nicht immer Amazon und Co. sein. Die Nischen blühen. Das abrupte Ende des stationären Handels hat vielfältige neue Geschäftsmodelle hervorgebracht.
Detailhändler stellten letztes Jahr neue Dienste bereit: Die Migros testete in zwei Berner Läden etwa eine Abfüllstation von Abwasch- und Reinigungsmitteln
(Quelle: Migros)
Der Detailhandel musste sich in Zeiten von Corona neu erfinden – nicht zuletzt, um im Wettbewerb mit den Online-Riesen standzuhalten. Hofläden haben genauso neue Wege zu ihren Kunden gesucht wie Spezialitätenanbieter. Städte haben das Gewerbe in der Krisenzeit gefördert oder der Handel ist gleich ganz autonom geworden. Die Herausforderung für viele Schweizer Händler war und besteht darin, dass sie neue Wege zu ihren Kunden finden mussten und müssen. Wenig überraschend hat von der Corona-Pandemie und dem Lockdown insbesondere der Online-Handel profitiert. Glaubt man den Zahlen des Branchenverbands, wuchs der Online-Inlandkonsum 2020 um 32 Prozent, während im Ausland der Online-Einkauf um noch gerade 5 Prozent zulegte, wie der Handelsverband.swiss schreibt. Insgesamt kauften Frau und Herr Schweizer Waren und Güter für 13,1 Milliarden Franken online ein, eine Steigerung um 2,8 Milliarden Franken oder 27,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, so die Stimme der über 330 Unternehmen der Online-Shop-Branche.
Zu diesen Profiteuren gehört die Migros-Tochter Digitec Galaxus. Der grösste Online-Händler der Schweiz musste laut Pressesprecher Alex Hämmerli ein enormes Bestellwachstum innert kurzer Zeit bewältigen und erwirtschaftete 2020 fast 60 Prozent mehr Umsatz. Im Zuge dessen sei auch viel mehr Arbeit im Kundendienst und in der Logistik angefallen. Auch mussten Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rasch auf Home Office umstellen. Eine Herausforderung sei zudem das Schutzkonzept für die Angestellten und für die Kundschaft in den Shops gewesen. Glück habe man allerdings auch gehabt, konnte man doch im aargauischen Wohlen schon im Frühling 2020 ein neues, vollautomatisiertes Lager in den Vollbetrieb hochfahren. Hämmerli: «Wir rechnen mit einem weiteren starken Wachstum in den kommenden Jahren. Das heisst, wir brauchen mehr Lagerfläche und werden unsere Logistik weiter automatisieren.»
«Achterbahnfahrt» für den Detailhandel
Ein anderes Bild zeichnet der «Retail Outlook 2021» der Credit Suisse (CS). Er charakterisiert das vergangene Jahr des Detailhandels in der Schweiz als «Achterbahnfahrt». Betont wird aber auch hier, dass die stationären Händler das Corona-Jahr für Umbauten genutzt haben: «So fokussierten sich Detailhändler auf Service und Dienstleistungen und führten kontaktlose Pick-up-Lösungen ein. Auch ein kontaktloser Bezahlprozess war wichtiger denn je. Ausserdem intensivierten Händler ihre Aktivitäten im Bereich Online- und Omnichannel.» Treiber dieser Entwicklung sei neben den Schliessungen stationärer Non-Food-Geschäfte auch die Tatsache, dass viele Neukunden im Frühjahr positive Erfahrungen mit Onlineshopping gemacht hätten. Für dieses Jahr scheinen jedoch laut der CS-Studie «die positiven Umsatzwerte im Jahr 2021 unter normalen Umständen nicht wahrscheinlich». Der Detailhandel habe mit den Langzeitfolgen der Pandemie zu kämpfen und könne in nächster Zeit nicht mit der Normalisierung der Corona-bedingten Umstände rechnen.
“Wir rechnen mit einem weiteren starken Wachstum in den kommenden Jahren„
Alex Hämmerli, Digitec Galaxus
Gleichwohl gab es ein erstes Aufatmen im Detailhandel mit den Lockerungen nach dem Shutdown Anfang März. Zu dieser Zeit teilte der Schweizer Detailhandelsverband Swiss Retail Federation mit, dass die hiesigen Konsumenten offensichtlich auf den Einkauf im Laden keineswegs verzichten wollen. In der ersten Märzwoche hätten 20 bis 30 Prozent mehr Kunden als üblich die Läden in der Schweiz besucht. Fragt man direkt bei den von der Pandemie betroffenen Händlern nach, zeigt sich allgemein, dass von der Rückkehr zu den Zeiten vor der Krise keine Rede mehr ist. Offensichtlich ist vielmehr, dass man die inzwischen gemachten Anstrengungen keineswegs wieder aufgeben will. Neue Geschäftsmodelle sind entstanden, Erfahrungen mit der Digitalisierung wurden gesammelt und der Einsatz neuer Verkaufskanäle scheint genauso etabliert zu sein wie der Umgang mit den sozialen Medien.