IT-Start-ups als Motor der Digitalisierung
Digitale Star-ups sind der Mittelstand von morgen
Prof. Dr. Tobias Kollmann ist der Hauptautor des Deutschen Start-up Monitors 2017. Im Interview mit com! professional beschreibt er die positive Entwicklung der deutschen Digital-Start-up-Szene, erklärt bestehende Herausforderungen und drängt auf bessere Rahmenbedingungen für Start-ups.
Prof. Dr. Tobias Kollman: Inhaber des Lehrstuhls für E-Business und Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen.
Tobias Kollmann: Grundsätzlich positiv. Wir haben eine substanzielle Gründerszene rund um digitale Entwicklungen. Berlin als Hauptstadt dominiert, wir sehen aber auch in vielen anderen Regionen Gründungsaktivitäten, etwa in der Metropolregion Rhein-Ruhr sowie im Raum München oder Stuttgart. Daher würde ich hierzulande von einer breiteren Bewegung rund um die Digitalisierung sprechen.
com! professional: Wie stehen die deutschen Start-ups im internationalen Vergleich da?
Kollmann: International liegt die deutsche Gründerszene bei der Digitalisierung im Rückstand, zumindest im B2C-Bereich. Hier dominieren ganz klar Plattformen aus den USA wie Google, Facebook, Uber oder Airbnb. Grosse Chancen sehe ich aber beim Thema B2B. Hier könnten deutsche Start-ups gemeinsam mit Partnern aus der Industrie beispielsweise zentrale Plattformen für autonomes Fahren, Home Automation oder E-Health entwickeln, die Massstäbe setzen und an die sich alle andocken.
com! professional: Das klingt plausibel. Doch wie sollen diese Innovationen entstehen?
Kollmann: Start-ups sind mit ihren meist jungen, agilen Gründern die wichtigste Quelle für digitale Innovationen, da sie mit Hilfe von Programmcode ohne grosse Investitionen ihr Produkt relativ schnell auf den Markt bringen können. Von etablierten Firmen sind hier kaum Innovationen zu erwarten, da sie gern an dem festhalten, worin sie erfolgreich sind. Wir müssen daher den Mittelstand und die grossen Player aus der Industrie für Kooperationen mit Start-ups begeistern, insbesondere bei der Digitalisierung.
com! professional: Dafür gibt es ja bereits regionale Cluster.
Kollmann: Ja. Der Deutsche Startup Monitor 2017 zeigt, dass regionale Cluster als Anlaufstelle für Start-ups und zumindest den Mittelstand funktionieren. Ziel der Cluster ist es, Start-ups vor Ort in den Regionen mit den bestehenden Firmen zu gemeinsamen Initiativen zusammenzuführen. Hier sehe ich vor allem im B2B-Bereich etwa mit dem IoT oder Industrie 4.0 grosse Chancen. Zum Netzwerk gehören auch Investoren wie Business Angels oder Venture-Capital-Gesellschaften sowie natürlich die örtlichen Hochschulen. Das Gros der Gründer hat heute einen Hochschulabschluss. Wir können daher an den Universitäten und Fachhochschulen noch Akzente setzen zur Förderung von E-Entrepreneuren, insbesondere an der Schnittstelle von Informatik, BWL und Technik. Führend sind hier etwa die TU München, die RWTH Aachen oder das Karlsruher Institut für Technologie.
com! professional: Welche Rolle spielen die politischen Rahmenbedingungen in diesem Zusammenhang?
Kollmann: Die Politik kann hier wichtige Impulse setzen, um die Digitalisierung voranzutreiben. Das reicht von der Co-Finanzierung beim Cluster-Management über die grundlegende Förderung der Gründerszene bis hin zur Ausbildung an Schulen und Universitäten. Wir müssen den Gründergeist und die Risikobereitschaft fördern und dürfen nicht nur für das Angestelltenverhältnis und den Öffentlichen Dienst ausbilden. Es geht nicht nur um das Fachwissen, sondern auch um die Mentalität zur Wahrnehmung der einzelnen Chancen. Digitale Start-ups schaffen Arbeitsplätze und sind der Mittelstand von morgen. Wenn Gründer und Ideen da sind, müssen wir ein Umfeld schaffen, damit diese wachsen können.
com! professional: Zum idealen Umfeld gehören auch eine angemessene Finanzierung und Risikokapital.
Kollmann: Hier besteht ebenfalls noch Nachholbedarf. Der DSM 2017 zeigt, dass der Grossteil des Kapitals der Gründer aus dem persönlichen Umfeld oder aus staatlichen Fördermitteln stammt. Bei der Frühphasen-Finanzierung sollten sich aber wie in den USA private Geldgeber wie Business Angels stärker engagieren können. Ferner fehlt in den späteren Finanzierungs-Phasen insbesondere auch Wachstumskapital bei grösseren Finanzierungsrunden ab 30 bis 40 Millionen Euro.
com! professional: Was kann die Politik bei diesem Thema tun?
Kollmann: Die Politik sollte die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessern, Investitionen in junge Gründer, aber auch die Abschreibungen beim Scheitern von Start-ups erleichtern. Lassen Sie es mich bildlich ausdrücken: Wir sollten diese anfangs zarten Pflänzchen Start-ups so unterstützen, damit daraus kräftige Bäume werden, die mit ihren Wurzeln nicht nur die zukünftige Wirtschaft zusammenhalten, sondern mit den daraus zu erwartenden Früchten auch den Wohlstand der gesamten Gesellschaft nähren.