Höherer Stromverbrauch durch Digitalisierung?
Zehn Minuten Video oder fünf Stunden am PC
Auch der Musikkonsum erfolgt kaum noch über die gute alte CD. Denn heute ist es moderner, sein Smartphone daheim mit dem WLAN oder unterwegs via Bluetooth mit dem Auto und dem Mobilfunknetz zu verbinden, um überall Musik zu streamen – dank Flatrates ohne Extrakosten.
Kaum bedacht wird aber, wie viel Strom diese Art des Musikkonsums benötigt, wenn man seine Titel unterwegs von irgendwoher aufs Smartphone lädt. Dabei ist das Streamen von Musik und Videos für über 80 Prozent der Zunahme des weltweiten Datenverkehrs im Web verantwortlich, wie eine Studie der Denkfabrik theshiftproject.org aufzeigt.
Dieser populäre Zeitvertreib benötigt rund 1500-mal mehr Energie als der gewöhnliche Betrieb eines Smartphones. Wer etwa unterwegs auf dem Smartphone zehn Minuten lang Videos anschaut, verbraucht gleich viel Strom, wie wenn er daheim am PC während fünf Stunden nonstop Mails mit angehängten Dateien verschickt. «Streaming ist definitiv das Energieintensivste, was man im Internet machen kann. Dennoch ist es nicht belastender, als einen Raum zu beleuchten. Nur in der Summe hat das Streaming einen
relevanten Effekt.
Er kommt dadurch zustande, dass sehr viel gestreamt wird, allein auf YouTube sind es 1 Milliarde Stunden pro Tag», erläuterte Informatikprofessor Lorenz Hilty von der Universität Zürich in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger im Juli 2019. Gemäss einer Studie der Universität Bristol verursacht allein YouTube jährlich 10 Millionen Tonnen CO2, was etwa den jährlichen Emissionen von Frankfurt am Main entspricht.
Der Energieverbrauch sozialer Netzwerke wurde bisher noch nicht untersucht, dürfte ihn aber weiter anheizen. Wenn man bedenkt, was auf LinkedIn, Facebook, Twitter, WhatsApp etc. irgendwo auf der Erde fotografiert, gefilmt und gepostet wird, so kann man erahnen, welche irrwitzigen Datenmengen von den weltweit rund 4,1 Milliarden Internetnutzern täglich verschickt, transportiert und gespeichert werden – das meiste davon vom Smartphone aus.
Mindestens eines dieser Geräte besassen laut Ericsson Mobility
Report Ende 2018 weltweit 60 Prozent der Bevölkerung. In der Schweiz sind es sogar 92 Prozent. Im Trend liegen hochpreisige Geräte mit immer stärkeren Akkus, die immer grössere Displays und leistungsfähigere Prozessoren befeuern.
Autor(in)
Rüdiger
Sellin