Nachhaltigkeit 09.07.2020, 06:58 Uhr

Höherer Stromverbrauch durch Digitalisierung?

Die ICT-Branche ist stets um ein umweltverträgliches Image bemüht und setzt auf Nachhaltigkeit. Jedoch wird der Energieverbrauch von ICT oft unterschätzt, weil er nicht unmittelbar sichtbar ist und auch nicht gesondert erfasst wird – ein Erklärungsversuch.
Endlose Racks in Rechenzentren – weltweit zunehmend
(Quelle: Shutterstock/Gorodenkoff)
Dass fast alle Schweizer Unternehmen digital funktionieren, war beim Ausbruch des Corona-Virus gut zu erkennen. Der Übergang zum Home Office verlief bei den meisten Unternehmen fliessend, und auch die hiesige ICT-Infrastruktur schien dem Ansturm gewachsen zu sein. Gewisse Server, etwa von Online-Shops, liefen jedoch am Anschlag oder gingen sogar offline, da sie für derart hohe Lasten nicht ausgelegt waren.
Die Kommunikationsnetze der hiesigen Provider liefen hingegen flüssig und verkrafteten den zusätzlichen Datenverkehr gut. Dies ist kein Wunder, denn kaum ein europäisches Land treibt die Digitalisierung so intensiv voran wie die Schweiz.
Dies hängt unter anderem mit den hohen Arbeits­kosten zusammen, welche die Schweizer Unternehmen zu hoher Effizienz zwingen. Das (nahezu) papierlose Büro ist in Grossfirmen längst Wirklichkeit, und auch KMU tauschen Dokumente zunehmend digital aus. Drucker trifft man 
immer seltener an und werden dann höchstens noch als Scanner verwendet.
Online-Sitzungen zwischen verschiedenen Standorten sind eher die Regel als eine Ausnahme, was Zeit und Geld spart und den CO2-Ausstoss senken soll. Letzteres wird ebenso wie das nachhaltige Image gerne nach aussen kommuniziert. Denn weniger Verkehr sorgt für weniger Reisen und senkt die Emissionen, so das Credo.

Alles digital, alles vernetzt

Jedoch bedingt die weitgehende Digitalisierung von 
Abläufen und Arbeitsprozessen eine leistungsstarke 
IT-Infra­struktur in Rechenzentren sowie entsprechend schnelle, flächendeckende Kommunikationsnetze, um die Daten noch ins hinterletzte Dorf zu bringen.
Und auch hier will die Schweiz Europameister sein: Der halbstaatliche Telko Swisscom will bis 2021 alle 2255 Schweizer Gemeinden mit einem Mix aus Glas- und Kupferkabeln 
sowie 4G/5G-Mobilfunknetzen erschlossen haben. Im Rahmen eines DSL-4G/5G-Bondings bietet Swisscom zudem an einigen Standorten die Möglichkeit, schwache Anschlussnetze (etwa wegen langer oder alter Anschlussleitungen) mit schnellem Mobilfunk zu koppeln, um vor Ort akzeptable Bandbreiten zu erreichen.
Die Konkurrenz hat sich im Verband «Suisse Digital» zusammengefunden und drückt ebenfalls aufs Tempo, sprich auf die Datenübertragungsraten. Hier bedienen über 200 Unternehmen ihre Kunden mit regionalen Glasfaser- oder Koaxialkabelnetzen.
Provider Sunrise nutzt zudem in ländlichen Gegenden 5G-Anlagen, um abgelegene Standorte zu erschliessen. Mit diesem Fixed Wire­less Access (FWA) genannten Ansatz werden Gebäude über Mobilfunktechnik angebunden. Seit der geplatzten Übernahme von UPC nutzt Sunrise diese Variante vermehrt, da sie kein eigenes Anschlussnetz besitzt.
In den Gebäuden selbst stellen meist Wireless LANs (WLANs) den lokalen Datenfluss sicher. Fest verdrahtete 
Büronetze verlieren zunehmend an Bedeutung, obwohl sie nur wenig Strom brauchen und praktisch strahlungsfrei arbeiten. Neben den nur wenig Strom konsumierenden WLAN Access Points (APs) sind natürlich auch hier überall Router nötig, um Verbindungen zum Datennetz aufzubauen.
Der Autor
Rüdiger Sellin
ist Diplom-Ingenieur (FH) und arbeitet seit 1992 als Fachjournalist SFJ/MAZ mit den Schwerpunkten ICT und Elektrotechnik.

Rüdiger Sellin
Autor(in) Rüdiger Sellin


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