Höherer Stromverbrauch durch Digitalisierung?

Mehr Geld für den Cloud-Boom 

Neben einer gut ausgebauten Infrastruktur gilt die Schweiz auch als Ort der Neutralität, Stabilität und Sicherheit, was sie zum wichtigsten Standort für Rechenzentren in Europa macht, wie Neu- und Umbauten der letzten Jahre beweisen.
Hier werden Daten aus der ganzen Welt gespeichert und wichtige Anwendungen auf Hochleistungsservern gehostet. Big Data und Cloud Computing sollten die Energieeffizienz im Grunde genommen ja steigern und den Nutzern dabei deutlich tiefere Kosten bescheren.
Die umfassende Vernetzung von Menschen und Dingen über Zugangs- und Datennetze; Direktzugang zu Betreiber eigenen Clouds (Provider-Clouds), Drittanbietern (Cloud-Provider) oder Internet zu Serverfarmen
Quelle:
Rüdiger Sellin
Denn wenn die Server zentral an einem Standort laufen, sind diese besser ausgelastet und können effizienter betrieben werden, als wenn jede Firma eigene Rechenzentren unterhält. Aber gemäss einer neuen Studie der Berner Fachhochschule übersteigt der Mehrverbrauch beim Strom 
die Einsparungen bei Weitem.
Hierzulande existieren ins­gesamt rund 5000 Data Center, wovon etwa 1300 von 
externen Anbietern betrieben werden. Davon sind rund 
80 Prozent in- und ausländische Unternehmen.
Neben dem Platzhirsch Swisscom zählen weltweite Anbieter wie Microsoft und Google ebenso dazu wie die Pharmaindustrie oder Rüstungskonzerne, die jährliche Investitionen in Milliardenhöhe leisten.
Gemäss den Marktforschern von MSM Research waren dies 2018 insgesamt mehr als 18 Milliarden Franken (plus 700 Millionen Franken gegenüber 2017), wovon etwa 4,3 Milliarden Franken in den Bau von Rechenzentren inklusive Betriebseffizienzsteigerungen wie Energie und Kühlung investiert wurden. 2018 war somit das bisherige Spitzenjahr der Inbetriebnahme neuer oder umgebauter Rechenzentren.

Tiefere Kosten, höhere Sicherheit

An den gesamten über 18 Milliarden Franken hatten KMU einen bemerkenswert hohen Anteil von 65 Prozent, wobei der Trend weg von Individuallösungen und hin zu standardisierten Cloud-Lösungen geht. Während früher praktisch jeder Betrieb seine Informatik selbst betrieb, waren es 2018 nur noch rund 30 Prozent. Die Cloud ist somit ein fester 
Bestandteil der Schweizer Unternehmens-IT, die heute mehrheitlich aus einer hybriden Cloud besteht, einem Mix aus eigener IT-Infrastruktur sowie Services aus der Cloud.
So überrascht es nicht, dass 2018 deutlich weniger in die interne IT, dafür aber rund 5,6 Milliarden Franken an externe Dienstleister floss (+15  gegenüber 2017). In einem modernen Rechenzentrum sind eigene Daten meist deutlich besser geschützt als in der Firmen-IT. Zudem sind feste monatliche Servicekosten deutlich besser budgetierbar als häufige, variable Kostenblöcke aufgrund unerwarteter Ereignisse.
Neben Kosteneinsparungen und flexibler/schnellerer Umsetzung neuer IT-Anforderungen stehen beim Cloud Computing also Sicherheitsaspekte im Fokus, was besonders vor dem Hintergrund zunehmender Cyberattacken gilt. Cloud- Provider pushen beispielsweise aber auch Software as a Service (SaaS) mit besserem Kosten-Nutzen-Verhältnis. Kunden müssen sich hier nicht um neue Software-Releases kümmern, da sie automatisch aufgeschaltet werden.
Cloud Computing bietet also höhere Convenience und Sicherheit, beschleunigt aber auch das Wachstum der Rechenzentren. Insider berichten indes von Überkapazitäten, was nicht gerade für eine hohe Energieeffizienz spricht. Die am Markt erzielten Preise für Hosting und Cloud Computing sind jedenfalls unter Druck, auch weil es (zu?) viele Anbieter gibt.

Fünfmal mehr Energie als ein Auto

Clouds bedingen ebenso Serverfarmen wie Suchmaschinen oder Datenhosts für die wachsende Streaming-Industrie. 
In diesem Zusammenhang kommt das Thema künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Dabei geht es unter anderem um lernende Maschinen, die unsere Gewohnheiten aufzeichnen, untersuchen und daraus etwas ableiten, etwa unsere Interessengebiete, Konsumgewohnheiten oder betrieblichen Prozesse.
Mit diesem Wissen werden bestehende Produkte angepriesen, verbessert oder neue entwickelt. Auch Übersetzungsmaschinen sind selbstlernend und haben mittlerweile ein erstaunlich hohes Niveau erreicht.
Solche über Werbeeinnahmen finanzierte Such- und Übersetzungsmaschinen stehen auch im Fokus, wenn es um deren Energieverbrauch geht. So haben Untersuchungen der University of Massachusetts ergeben, dass selbstlernende Maschinen, wie sie für Übersetzungsprogramme verwendet werden, allein in der Trainingsphase fünfmal so viel Energie benötigen wie ein Durchschnittsauto über dessen gesamten Lebenszyklus.
Das dazu emittierte CO2 bei der Energieerzeugung beträgt etwa 284 Tonnen. Allein zur Optimierung der vernetzten Architektur der Suchmaschinen mithilfe komplizierter Algorithmen werden Hochleistungscomputer jeweils über Tausende von Stunden trainiert.
Ein weiterer Teil des Stromverbrauchs geht zulasten der Endgeräte, die einerseits immer kleiner und leistungsfähiger, andererseits aber auch intensiver genutzt werden. So hat die Batteriekapazität von Smartphones in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent zugenommen, während die Häufigkeit des Aufladens im selben Zeitraum etwa konstant blieb, was zusammen mit der intensiveren Nutzung zu steigendem Stromkonsum führt.
Hoteliers berichten, dass ihre Stromrechnungen in den letzten zehn Jahren massiv gestiegen sind, weil die Kunden ihre Smartphones, Tablets und Notebooks im Zimmer laden und zudem nach Gratis-Connectivity in Form von WLANs verlangen – am besten an jedem Ort im Hotel inklusive Wellnessbereich.

Rüdiger Sellin
Autor(in) Rüdiger Sellin


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