Expandieren nach China: 5 Dinge, die Unternehmer wissen müssen
Technische Hürden, lokale Plattformen und Marketing-Strategie
3. Technische Schwierigkeiten
Je nachdem, wie Ihr Produkt gebaut ist, kann es womöglich aktuell in China komplett untauglich sein. Man weiss inzwischen häufig schon, dass einige internationale Services (Facebook, Twitter, Google ...) in China geblockt sind. Die Auswirkungen auf das eigene Produkt sind allerdings meist unklar, bis man es testet.
In unseren Projekten sind wir sicher schon mit den meisten Schwierigkeiten konfrontiert worden, auf die man so treffen kann. Zum Beispiel bei der Nutzung von internationalen SDKs, APIs und ähnlichen Angeboten, die im Ausland gehostet werden.
Ein Kunde kam zu uns mit einer fast fertigen Website, gebaut von einem Team in Berlin, und dem Problem, dass sein chinesischer Partner diese immer mehr als eine halbe Minute laden musste - und niemand wusste, warum. In Berlin lief die Seite einwandfrei, der Server wurde auch korrekt in China aufgesetzt, und alle Tests liefen sauber durch. Das Problem war am Ende, dass zur Einbindung von Python eine Google Library genutzt wurde, die über eine Web-API aufgerufen wird. Das ist absolut üblich, allerdings wurde der Zugriff aus China immer geblockt und hatte dann nach einer halben Minute einen Time-out.
Es ist auch wichtig, die Infrastruktur korrekt zu planen und aufzusetzen. Selbst wenn die IP des Servers, auf dem das Produkt läuft, nicht geblockt ist, kann es zu nicht einschätzbaren Service-Verlangsamungen oder -ausfällen kommen. Ein strategisch nachhaltiger Markteintritt verlangt oft lokales Hosting.
Ausserdem muss man wissen, welche Lizenzen man braucht, um das eigene Geschäft zu betreiben. Einfache Webauftritte benötigen mindestens eine ICP-Lizenz (ausgestellt auf eine chinesische Tochterfirma). Einige Geschäftsfelder (etwa diverse SaaS-Kategorien) benötigen spezielle Lizenzen, die man eigentlich nur mit lokalen Partnern erhalten kann, da sie nicht an ausländische Firmen vergeben werden.
4. Lokale Plattformen
Von Alibaba und WeChat (seltener von der Mutterfirma Tencent) haben inzwischen die meisten schon gehört, ihre enorme Bedeutung scheint vielen allerdings nicht bewusst zu sein. Alipay und WeChat Pay zusammen dominieren praktisch den gesamten Markt der digitalen Bezahlung. Alibaba und Tencent-Investment JD beherrschen über 80 Prozent des E-Commerce-Marktes. Beide Firmen haben massive Ökosysteme aus Produkten, Services und Investments gebaut, die den Markt definieren.
Eine solide China-Strategie muss einen Plan enthalten, wie man mit diesem Ökosystem umgeht. Die einfachste Antwort ist, ein Teil davon zu werden und davon zu profitieren, auch weil die Customer-Success-Teams der grossen Plattformen sehr hilfreich sind, um das Meiste rauszuholen. Die Firmen sind sehr am Erfolg der Händler interessiert und sind auch immer darauf aus, deutsche Produkte auf ihre Plattformen zu bekommen, weil die sich bei chinesischen Kunden immer noch sehr grosser Beliebtheit erfreuen.
Alleine ausserhalb dieser Plattformen zu agieren kann - je nach Geschäftsfeld und -modell - eine richtige Entscheidung sein, ist aber ein Kampf, den man verstehen sollte, bevor man ihn antritt. Eigenfinanzierte Markteintritte und Kundenansprachen in China sind inzwischen sehr teuer, Kundenloyalität ist de facto nicht vorhanden, und jeden Tag spriessen neue Angebote wie Pilze aus dem Boden. Während sich klar definierte Nischen recht gut abdecken lassen, ist eine erfolgreiche Massenmarktansprache fast nicht möglich.
Ein interessantes Beispiel ist windeln.de. Bei der Firma aus München stieg der Anteil chinesischer Kundschaft seit 2011 deutlich an (in einem deutschsprachigen Webshop), sodass gesondert Fokus auf diesen Markt gelegt wurde. Am Anfang mit chinesischer Übersetzung der Website, später auch mit eigenem T-Mall-Shop auf der lokalen Plattform von Alibaba.
5. Marketing-Strategie
Oft wird der Markteintritt in China mit derselben Marketing-Strategie verfolgt, die sich schon in anderen Ländern bewährt hat. Solche "Play Books" sind bei schnell wachsenden Firmen sehr beliebt, um vorherige Erfolge zu replizieren, ohne sich für jeden neuen Markt jedes Mal alles neu ausdenken zu müssen. Allerdings funktionieren diese Strategien oft nicht 1:1 in China oder sind deutlich ineffizienter, sodass sie mehr Geld verbrennen als Nutzen zu stiften.
Ein erster Ansatzpunkt ist natürlich die Anpassung der gewählten Kanäle auf die lokal verfügbaren Versionen. Anstatt bei Twitter Mitteilungen zu machen, kommuniziert man über Sina Weibo. Anstatt bei Google und Facebook Keyword-Werbung zu kaufen, geht man zu Baidu und Alibaba. Und ein WeChat-Auftritt gehört natürlich auch dazu - oft als Service-Account, um mit den Kunden zu interagieren, anstatt nur Einwegkommunikation zu betreiben. Die jeweiligen Kanäle weisen in China oft auch anderes Nutzerverhalten als deren westliche Pendants (Weibo ist mit chinesischen Schriftzeichen eher ein Micro-Blog als eine Headline-Maschine) auf. Diese Unterschiede sollte man berücksichtigen, um die Plattformen optimal für Marketing und Service zu nutzen.
Generell gilt: Die Rolle der sozialen Medien in der Interaktion mit chinesischer Kundschaft ist weitaus wichtiger als im Westen. Man kommuniziert sehr viel, über die verschiedenen Kanäle hinweg, und erwartet dann auch, dass das Unternehmen damit zurechtkommt. Selbst im B2B-Bereich sind Firmen auf WeChat vertreten und erreichbar, weil dies einfach eine Grunderwartung in China ist und die meiste Geschäftskommunikation heute schon darüber läuft.
China - Grösse und Geschwindigkeit
In Meetings in China hört man manchmal die Frage "Are you ready to play at China scale and China speed?" - "Sind Sie bereit für einen Markt dieser Grösse, der sich rasant verändert und entwickelt?" Diese Frage muss man sich durchaus stellen.
Wer China nicht ernst genug nimmt und den Markteintritt mal so nebenbei versucht, wird im Erfolgsfall schnell erdrückt von der Nachfrage (und schlechtem Feedback, wenn man diese nicht erfüllen kann) oder überrannt von lokalen Anbietern, die sich das Produkt oder den Service ganz schnell abschauen, verbessern und günstiger anbieten.
Die fünf genannten Themengebiete gehören definitiv in jede solide Strategie für einen Markteintritt, sind aber natürlich nicht allumfassend. Es gibt viel zu bedenken und herauszufinden, um den chinesischen Markt mit einer nachhaltigen Strategie anzugehen. Er tickt einfach anders, als es die meisten westlichen Unternehmen gewohnt sind.