Produktion nach Kundenwünschen 05.07.2017, 15:45 Uhr

Digitalisierung schafft Individualisierung

Die Digitalisierung von Produktionsprozessen erlaubt es, Produkte und Dienste immer genauer auf den einzelnen Kunden anzupassen. Individualisierung lautet das Zauberwort.
(Quelle: Palto / Shutterstock)
Individualisierung ist die neueste Waffe im Arsenal der Digitalisierung. Der Verbraucher 4.0 möchte eine auf sich selbst optimal zugeschnittene Leistung erhalten – kontextgerecht, passgenau, individuell.
Die digitale Transformation macht’s möglich. „Die Individualisierung ist einer der Megatrends“, sagt Christian Rätsch, CEO der Werbeagentur Saatchi & Saatchi Deutschland, und fügt hinzu: „Dahin geht die Reise in fast allen Produkt­bereichen.“

Zielgenaues Marketing

Quelle: Forbes „Individualized Marketing, 2016“
Diese Meinung ist inzwischen in den Führungsetagen breit vertreten. 70 Prozent der Marketing-Verantwortlichen schwören auf individualisiertes Marketing „in jeder Phase des Customer Life Cycles“, fand Teradata Marketing Applications im Auftrag von Forbes im vergangenen Jahr he­raus. 79 Prozent der Marketer weisen der Umsetzung von individualisiertem Marketing (anstelle der blossen Personalisierung) eine hohe Priorität zu. 72 Prozent der Unternehmen haben durch individualisiertes Marketing auch bereits erste Erfolge in Hinblick auf Kennzahlen der Kundenbindung und Markenwahrnehmung zu verzeichnen.
Gleichzeitig räumt allerdings mehr als jede zweite der befragten Führungskräfte ein, ein individualisiertes Kundenerlebnis im Verlauf der gesamten Customer Journey bisher nicht durchgängig gewährleisten zu können. Laut Gartner scheint sich dies aber bald zu ändern. Die amerikanische Unternehmensberatung prognostiziert, dass 60 Prozent der Grossunternehmen bis 2018 über eigene Fähigkeiten verfügen werden, die Customer Journey durchgängig zu gestalten und mitzuverfolgen – das entspräche einem Zuwachs um 200 Prozent gegenüber dem Stand von 2015.

Individuell in Massen

Besonders anschaulich zeigt sich das Potenzial der Individualisierung bei Schuhen. Massgeschneiderte Fussbekleidung erhöht den Tragekomfort, verbessert das Wohlbefinden und optimiert das Lauf­erlebnis – und das dank moderner Technologie selbst bei Massenware, ohne dass ein Schuster Hand anlegen muss.
Adidas: Intelligente Roboter berücksichtigen in der Speedfactory individuelle anatomische Merkmale und Design-Wünsche des Kunden.
Quelle: Adidas
Moderne Schuhherstellung nach Mass beginnt mit einem 3D-Scan der Füsse, möglicherweise direkt auf dem Laufband erfasst. Das digitale 3D-Modell bildet die perfekte Vorlage sowohl für die konventionelle Leistenfertigung im klassischen Handwerk als auch für die kundenindividuelle Massenfertigung im roboterisierten 3D-Druck-Verfahren. Letzteres läuft dieses Jahr beim deutschen Sportartikelhersteller Adidas erstmals in hohen Stückzahlen an.
Mit der kürzlich vorgestellten Futurecraft 4D hat Adidas eine innovative Mittelsohle für individualisierte Laufschuhe entwickelt. Sie wird auf der Basis von 3D-Scans mit 3D-Drucktechnologie gefertigt. Diese flexible, atmungsaktive Kopie des Fussabdrucks stimmt mit Konturen und Druckpunkten exakt überein und lässt sich zudem rein digital an die individuellen Dämpfungsanforderungen jedes einzelnen Trägers anpassen. „Das ist der Heilige Gral“, so Eric Liedtke, SVP Brand Marketing Adidas, bei der Produktvorstellung.
Um seine Vision kundenindividueller Massenfertigung (Mass Customization) auf dem heimischen Markt zu verwirklichen, musste Adidas einige einschneidende Rationalisierungsmassnahmen umsetzen. Zur Gewährleistung kurzer Lieferfristen hat sich der Hersteller entschieden, die Produktion aus Fernost zurück nach Deutschland in sogenannte Speedfactories zu verlagern. Kundenindividuelle Massenfertigung läuft hier vollständig automatisiert ununterbrochen rund um die Uhr. Jeder Auftrag ist spätestens nach einigen Stunden abgeschlossen. Die robotischen Fertigungsanlagen hat Adidas in Zusammenarbeit mit dem Mittelständler Oechsler aus dem bayerischen Ansbach entwickelt.
Das innovative Konzept der Speedfactories soll Zeit sparen. Bei der konventionellen Massenproduktion in Asien vergeht von der Bestellung bis zur Lieferung nach Deutschland schon mal ein ganzes Quartal. In dieser Zeit ändern sich aber die Präferenzen der Käufer. Der Anbieter kann im Extremfall auf einer ganzen Lieferung sitzen bleiben. Kundenindividuelle Massenfertigung, zum Beispiel dank additiver Fertigung auf Basis digitaler 3D-Konstruktionsdaten, eliminiert dieses Planungsrisiko und verbessert zudem die Nachhaltigkeit.
Doch damit nicht genug: Kundenindividuelle Massenfertigung ermöglicht es dem Anbieter, den Käufer am Design- und Herstellungsprozess zu beteiligen – nicht zuletzt mit der Absicht, sich den sogenannten Ikea-Effekt zunutze zu machen. Dieses wissenschaftlich nachgewiesene Phänomen besagt, dass Menschen Produkten, an deren Herstellung sie persönlich beteiligt waren, einen höheren Wert zuschreiben. Emotionale Bindung des Käufers schlägt sich für den Anbieter also in barer Münze nieder.




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